Entscheidungsdatum
10.03.2022Index
L40009 Sonstige Polizeivorschriften Wien;Norm
WLSG §1 Abs1 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter MMag. Dr. Böhm-Gratzl über die Beschwerde der A. B., C.-straße, Wien, vom 25.11.2021 gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat D., vom 12.11.2021, Zl. VStV/…/2021, betreffend eine Übertretung des § 1 Abs. 1 Z 1 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz – WLSG, LGBl. für Wien Nr. 51/1993, idF idF LGBl. für Wien Nr. 71/2018
zu Recht:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und wird das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist gegen dieses Erkenntnis eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig. Im Übrigen ist gemäß Abs. 1 par. cit. eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit o.a. Straferkenntnis vom 12.11.2021 wurde der Beschwerdeführerin – mit näherer Begründung – eine Übertretung des § 1 Abs. 1 Z 1 WLSG zur Last gelegt, da sie öffentlich Geschlechtsverkehr vollzogen und dadurch den öffentlichen Anstand verletzt habe, und wurde hiefür über sie eine Geldstrafe iHv EUR 300,-- bzw. für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von drei Tagen verhängt.
In ihrer hiegegen fristgerecht erhobenen Beschwerde vom 25.11.2021 bestritt die Beschwerdeführerin – im Wesentlichen – die ihr zur Last gelegte Tat.
Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte den bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht (einlangend am 13.12.2021) vor.
Da der vorliegenden Beschwerde ein Begehren fehlte, wurde die Beschwerdeführerin mit hg. Schriftsatz vom 4.1.2022 zur Mängelbehebung binnen zwei Wochen ab Zustellung aufgefordert. Dem ist die Beschwerdeführerin mit hg. Eingabe vom 19.1.2022 fristgerecht und vollständig nachgekommen.
Der entscheidungserhebliche Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird der Beschwerdeführerin – wörtlich – wie folgt zur Last gelegt:
„Datum/Zeit: 19.06.2021, 18:07 Uhr
Ort: Wien, E.-gasse, F., im Bereich des F.s im dortigen Gebüsch Kreuzung G.
Sie haben durch öffentlichen Geschlechtsverkehr im Gebüsch den öffentlichen Anstand verletzt.“
(Unkorrigiertes Originalzitat)
Hiedurch habe die Beschwerdeführerin eine Verletzung des § 1 Abs. 1 Z 1 WLSG begangen.
Zur Beweiswürdigung:
Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde dem – dem vorgelegten Verwaltungsakt einliegenden (vgl. aaO, AS 23) – Original jenes Straferkenntnisses entnommen.
Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht alleine damit fest.
Das Verwaltungsgericht Wien hat in rechtlicher Hinsicht hiezu erwogen:
Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. etwa VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0134; 12.9.2016, Ro 2016/04/0014).
Auch in – wie hier – Verwaltungsstrafverfahren richtet sich der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes grundsätzlich nach § 27 VwGVG. In diesem Rahmen ist das Verwaltungsgericht auch befugt, Rechtswidrigkeitsgründe aufzugreifen, die im Beschwerdeschriftsatz nicht vorgebracht wurden (vgl. etwa VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0077).
Im konkreten Fall wird der Beschwerdeführerin spruchgemäß eine Verletzung des öffentlichen Anstandes infolge öffentlichen Geschlechtsverkehrs zur Last gelegt. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 WLSG ist eine öffentliche Anstandsverletzung (grundsätzlich) verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden.
Die verwaltungsbehördliche Strafbarkeit einer Tat ist jedoch dann nicht gegeben, wenn jene Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Die hier einschlägige Bestimmung des § 22 Abs. 1 VStG stellt dabei ausschließlich auf die „Tat“ ab. Dass die Verwaltungsstrafnorm gegebenenfalls eine andere Schutzrichtung aufweist als die gerichtliche Strafnorm, ändert an dieser Subsidiarität nichts. Ebenso wenig kommt es auf die tatsächliche Einleitung (oder gar den Abschluss) eines Strafverfahrens an oder auf den Umstand, dass die strafgerichtliche Verfolgung der Tat nur auf Verlangen zu erfolgen hat. Auch die Frage, ob der Beschuldigte die Tat verschuldet hat, ist für die Subsidiarität der Verwaltungsstrafdrohung nicht entscheidend (vgl. zB VwGH 22.11.2016, Ra 2016/03/0095; 26.4.2019, Ra 2018/02/0344).
Die der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall zur Last gelegte Tat erfüllt das Tatbild der „öffentlichen geschlechtlichen Handlung“ gemäß § 218 Abs. 2 StGB (vgl. hiezu etwa Fabrizy, Kurzkommentar zum StGB11, 2013, § 218 StGB Rz 4).
Im Lichte der obzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist daher das Verhalten der Beschwerdeführerin nicht verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden, sondern obliegt eine solche Ahndung vielmehr dem ordentlichen Strafgericht.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG hat das Verwaltungsgericht von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen. Mangels Strafbarkeit als Verwaltungsübertretung ist ein Straferkenntnis aufzuheben und ist die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen (vgl. hiezu erneut VwGH 26.4.2019, Ra 2018/02/0344).
Es war daher – schon alleine deshalb – spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.
Zum Revisionsausspruch:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041).
Im Übrigen ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 B-VG) gemäß § 25a Abs. 4 VwGG unzulässig, zumal wegen Übertretung des § 1 Abs. 1 WLSG bloß eine Geldstrafe von bis zu EUR 700,-- und keine (primäre; vgl. hiezu zB VwGH 29.10.2014, Ra 2014/01/0113) Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im angefochtenen Straferkenntnis eine Geldstrafe von EUR 300,-- verhängt wurde.
Schlagworte
Verletzung des öffentlichen Anstands; Anstandsverletzung; öffentlicher Geschlechtsverkehr; Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte; Subsidiarität; Einstellung des VerwaltungsstrafverfahrensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.016.17463.2021Zuletzt aktualisiert am
05.05.2022