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L34005 Abgabenordnung Salzburg;Norm
BAO §201;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der P Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Juni 1993, Zl. 7 - 48 Pa 55/1 - 1993, betreffend Festsetzung von Getränkeabgabe für den Zeitraum Jänner 1986 bis Februar 1991 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde H), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit Eingabe vom 25. Mai 1991 brachte die beschwerdeführende Partei bei der mitbeteiligten Gemeinde berichtigte Getränkeabgabeerklärungen für den Zeitraum Jänner 1986 bis Februar 1991 ein. Die beschwerdeführende Partei machte rückwirkend geltend, zuviel Getränkeabgaben entrichtet zu haben, behauptete, in der Lage zu sein nachzuweisen, daß der "Fremdverbraucheranteil" in ihrer Filiale in H mehr als 65 % betrage und ersuchte darum, die zuviel bezahlten Beträge auf ihr Sparkassenkonto zu überweisen.
Mit Bescheid vom 14. Juli 1992 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dieses "Ansuchen" der beschwerdeführenden Partei "(Geltendmachung eines abgabefreien Außerortverbrauches von Getränken und Speiseeis für den Zeitraum vom 01.01.1986 bis 28.02.1991)" gemäß Art. II § 2 Abs. 3 des Bundesgesetzes, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1989 geändert wird, BGBl. Nr. 693/1991 (im folgenden: FAG-Nov 1991), als unzulässig zurück.
1.2. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. September 1992 abgewiesen.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die belangte Behörde.
1.3. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Vorstellungsbescheid gab die Steiermärkische Landesregierung der Vorstellung der beschwerdeführenden Partei keine Folge. In ihrer Begründung nahm die Vorstellungsbehörde auf § 153 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 158/1963 i. d.F. LGBl. Nr. 41/1988 (im folgenden: Stmk LAO), Bezug und führte aus, daß es dem Abgabepflichigen auch zustehe, eine unrichtige Erklärung jederzeit zu berichtigen. Mit dem Anbringen vom 25. Mai 1991 seien die Abgabenerklärungen seitens der beschwerdeführenden Partei berichtigt worden. Da die mitbeteiligte Gemeinde die korrigierten Abgabenerklärungen in Zweifel gezogen habe, seien Ermittlungen durchgeführt worden, um danach die Abgabe gemäß § 153 Abs. 2 Stmk LAO bescheidmäßig festzusetzen. Im Laufe dieses Ermittlungsverfahrens habe sich allerdings durch die FAG-Nov 1991 die Rechtslage geändert. Durch die Verfassungsbestimmung des Art. II § 2 Abs. 3 dieses Gesetzes sei der Gemeinde eine bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe nicht mehr möglich gewesen. Aus den Materialien zur FAG-Nov 1991 ergebe sich, daß es Sinn des Art. II § 2 Abs. 3 sein sollte, eine Selbstbemessung der Getränkeabgaben, die auf die Behauptung gestützt sei, daß beträchtliche Mengen der verkauften Getränke außerhalb der Gemeinde verbraucht worden seien, unmöglich zu machen.
1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich "in ihren Rechten auf Abführung eines gesetzesgemäßen Abgabenverfahrens, auf (nachträgliche) Selbstbemessung ihrer Getränkeabgaben, auf gesetzesgemäße Festsetzung ihrer Getränkeabgabe und auf gesetzesgemäße Ermittlung und Rückzahlung eines Abgabenguthabens durch die Behörde verletzt."
1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Gemäß § 150 Abs. 1 Stmk LAO hat die Abgabenbehörde, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes vorgeschrieben ist, die Abgabe durch Abgabenbescheide festzusetzen.
§ 153 Stmk LAO in der Fassung LGBl. Nr. 34/1983 lautet auszugsweise:
"(1) Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt.
(2) Die Abgabenbehörde hat die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist. Von der bescheidmäßigen Festsetzung ist abzusehen, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Mängel behebt.
(3) ... "
2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 148 der Salzburger Landesabgabenordnung in seinem Erkenntnis vom 22. Februar 1995, Zlen. 93/17/0187, 0201, 94/17/0144, ausführlich dargelegt hat, weicht die Regelung betreffend die Festsetzung von Selbstbemessungsabgaben (im Bundesland Salzburg) von anderen verfahrensrechtlichen Regelungen insofern ab, als in § 148 Abs. 2 Sbg LAO angeordnet wird, daß von der bescheidmäßigen Festsetzung abzusehen ist, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Mängel der Selbstbemessungserklärung behebt.
§ 148 Sbg LAO und die im Beschwerdefall anzuwendende Regelung des § 153 Stmk LAO sind völlig gleichartig, sodaß die zitierte Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall zu übertragen ist. Danach hat der Landesgesetzgeber mit der vorliegenden Verfahrensregelung - ausgehend von der grundsätzlichen Anordnung, daß die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt gilt - eine Durchbrechung dieser Festsetzungswirkung nicht nur durch Festsetzung der Abgabe mittels Abgabenbescheid, sondern auch durch eine "nachträgliche Mängelbehebung" des Abgabepflichtigen selbst vorgesehen. Die nachträgliche Behebung des ursprünglichen Mangels ist selbst wiederum eine Erklärung über die Selbstbemessung der Abgabe. Die Verfahrensrechtslage in der Steiermark ist also wie in Salzburg durch ein mehrstufiges Selbstbemessungsverfahren (Berichtigungsmöglichkeit der Selbstbemessung durch den Abgabepflichtigen selbst) gekennzeichnet.
Sollte die belangte Behörde dahin zu verstehen sein, daß sie meint, nur im Falle einer dem Gesetz entsprechenden Berichtigung trete die Festsetzungswirkung der Abgabe ein, andernfalls nicht, könnte ihr der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen, weil das Gesetz zwischen Selbstbemessungserklärungen (Berichtigungen) je nach ihrer Wirkung nicht differenziert und diese ganz entscheidende Rechtsfolge der Festsetzungswirkung im Falle der Berichtigung nach § 153 Abs. 2 letzter Satz Stmk LAO dann stets bis zu einer bescheidmäßigen Erledigung in Schwebe bliebe.
Auf dem Boden dieser Rechtslage hatten die Gemeindebehörden davon auszugehen, daß die Getränkesteuer für den Zeitraum Jänner 1986 bis Februar 1991 auf Grund der berichtigten Getränkeabgabenerklärungen vom 25. Mai 1991 - ein Feststellungsantrag wurde in diesem Schriftsatz nicht gestellt - unter Ausschluß des Außerortverbrauches als festgesetzt gegolten hat.
2.3. Ausgehend von dieser verfahrensrechtlichen Situation wäre den Gemeindeabgabenbehörden die Möglichkeit offengestanden, von Amts wegen eine den berichtigenden Selbstbemessungserklärungen - ihrer Auffassung nach - anhaftende Unrichtigkeit zum Anlaß einer bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung zu nehmen.
Die Zurückweisung des Anbringens der Beschwerdeführerin vom 25. Mai 1991 und damit der berichtigten Selbstbemessungserklärungen durch die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde ist vor dem Hintergrund der dargestellten Verfahrensrechtslage jedenfalls rechtswidrig.
Die zur Begründung dieses Bescheides herangezogene Verfassungsbestimmung des Art. II § 2 Abs. 3 FAG-Nov 1991 ist überdies auf einen Fall, in dem die Getränkeabgaben bereits durch Selbstbemessungserklärung - worunter nach der hier anzuwendenden Stmk LAO auch eine berichtigte Selbstbemessungserklärung fällt - unter Ausschluß des Außerortverbrauchs als festgesetzt gegolten haben, überhaupt nicht anwendbar.
Art. II § 2 Abs. 3 FAG-Nov 1991, in Kraft getreten am 28. Dezember 1991 lautet nämlich:
"(3) Eine Neufestsetzung der Abgaben vom Verbrauch von Speiseeis und von Getränken gemäß § 14 Abs. 1 Z 7 FAG 1985, BGBl. Nr. 544/1984, oder § 14 Abs. 1 Z 7 FAG 1989 auf Grund der Unrichtigkeit der Selbstbemessung gemäß den Vorschriften der Landesabgabenordnungen unterbleibt, soweit die Unrichtigkeit damit begründet wird, daß die Abgabenerklärung auch jenes Speiseeis und jene Getränke erfaßt, die nicht in der Gemeinde verbraucht wurden, in der sie an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben wurden."
Im Bericht des Finanzausschusses, 365 BlgNR 18. GP, heißt es zu dieser Bestimmung:
" Ein außerordentliches, die Gemeinden geradezu überforderndes Problem stellen die unzähligen, in den letzten Monaten und Wochen einlangenden Anträge von Supermärkten dar, in denen die Rückzahlung der gesamten oder zumindest eines Großteils der in den letzten Jahren von den Konsumenten eingehobenen und an die Gemeinden abgeführten Getränkesteuer beantragt wird, wobei es den Gemeinden auf Grund ihrer beschränkten Verwaltungskapazität schwer fällt, zu beweisen, wieviel der verkauften Getränke nun im Gemeindegebiet verbraucht worden sind. Mit der in Art. II § 2 Abs. 3 enthaltenen Bestimmung wird daher normiert, daß eine Festsetzung der Abgaben ab dem Inkrafttreten dieser Bestimmung, also dem Tag nach der Kundmachung im Bundesgesetzblatt, nicht zu erfolgen hat, wenn sich die behauptete Unrichtigkeit aus dem Verbrauch außerhalb des Gemeindegebietes ergibt. Diese Bestimmung bedeutet allerdings nicht, daß rückwirkend oder auch nur nach deren Inkrafttreten für die nicht im Gemeindegebiet verbrauchten Getränke Getränkesteuer zu bezahlen wäre, sondern erfaßt nur die bereits an die Gemeinden abgeführten Steuererträge."
Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 1993, G 6/93 und Folgezahlen, Slg. Nr. 13.547, hat der Verfassungsgesetzgeber für die im Art. II § 2 Abs. 3 FAG-Nov 1991 umschriebenen Fälle, also alle, in denen eine Neufestsetzung der Abgaben von Amts wegen oder über Antrag seine Begründung in dem genannten Umstand fände (nämlich daß sich die behauptete Unrichtigkeit aus dem Verbrauch außerhalb des Gemeindegebietes ergibt), angeordnet, daß eine Neufestsetzung für in der Vergangenheit verwirklichte Sachverhalte der umschriebenen Art zu unterbleiben hat.
Im vorliegenden Fall erfassen nun nur die seinerzeitigen Abgabenerklärungen den Außerortverbrauch (das ist der Tatbestand, an den Art. II § 2 Abs. 3 FAG-Nov 1991 anknüpft), nicht aber die berichtigten Abgabenerklärungen vom 25. Mai 1991. Da aber die letztere Mängelbehebungserklärung als die relevante Abgabenfestsetzung gilt, hätte wohl der aus der Selbstbemessungsgrundlage ausgeschiedene Außerortverbrauch dem Grunde und der Höhe nach in einem entsprechenden Ermittlungsverfahren der Abgabenbehörden geprüft und die Abgabe sodann bescheidmäßig festgesetzt werden können, unzutreffend war es hingegen, den Art. II § 2 Abs. 3 FAG-Nov 1991 auf die berichtigten Abgabenerklärungen anzuwenden und durch die "Zurückweisung" der Berichtigungserklärungen zu bewirken, daß von den seinerzeitigen Abgabenerklärungen, die den Außerortverbrauch EINBEZOGEN hatten, nicht mehr abgegangen werden kann.
2.4. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die Gemeindeabgabenbehörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet hat. Dadurch, daß die belangte Vorstellungsbehörde diese Rechtswidrigkeit nicht zum Anlaß einer aufsichtsbehördlichen Behebung genommen hat, belastete sie ihrerseits den angefochtenen Vorstellungsbescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war für drei Beschwerdeausfertigungen (S 360,--), eine Kopie des angefochtenen Bescheides (S 60,--) und drei Ausfertigungen des Schriftsatzes ONr. 5 jeweils mit Beilage (S 540,--) zuzusprechen; das Mehrbegehren war abzuweisen.
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 48/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1993170248.X00Im RIS seit
20.11.2000