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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §45 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Mag. Onder und Dr. Degischer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Novak, über die Beschwerde des Dr. Dipl.-Ing. HM in W, vertreten durch Dr. Ingo Ubl, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 5. Mai 1980, Zl. MA 70-VIII/M 24/80, betreffend Kostenersatz gemäß § 89 a Abs. 7 der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.310,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 48, vom 21. Juni 1978 wurden dem Beschwerdeführer Kosten für die Entfernung und Aufbewahrung seines Fahrzeuges in Höhe von insgesamt S 1.260,-- vorgeschrieben. In der Begründung dieses Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei das Fahrzeug von der Magistratsabteilung 48 gemäß § 89 a Abs. 2 StVO 1960 am 11. Mai 1978 um 12.20 Uhr von Wien 1., Ebendorferstraße 2, entfernt worden, da das Fahrzeug vor einer Ein- und Ausfahrt eines Grundstückes abgestellt gewesen sei. Durch das vorschriftswidrig abgestellte Kraftfahrzeug sei der Lenker eines anderen Fahrzeuges am Zufahren zum Grundstück gehindert gewesen. Gemäß § 89 a Abs. 7 leg. cit. seien die Kosten für das Entfernen und Aufbewahren eines zum Verkehr zugelassenen Fahrzeuges dessen Zulassungsbesitzer mit Bescheid vorzuschreiben.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, es handle sich bei dem Haustor Wien 1., Ebendorferstraße 2, um keine Ein- und Ausfahrt; es fehle dort die gemäß § 54 Abs. 9 der Bauordnung für Wien vorgeschriebene Auffahrt auf den Gehsteig. Die dort früher einmal vorhanden gewesene Auffahrt sei jedoch entfernt worden und sei weder am 11. Mai 1978 noch jetzt vorhanden. Auf dem Gehsteig stehe eine von Unbekannten aufgestellte Tafel „Zu- und Abfahrt für Direktionswagen freihalten“, doch sei diese rechtlich unbeachtlich.
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 70, führte in der Folge ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch.
In diesem berichtete der Meldungsleger (Bericht vom 9. April 1979), daß bei seinem Eintreffen am Tatort das Tor des Hauses Ebendorferstraße 2 geöffnet gewesen und im Tor das Fahrzeug mit dem Kennzeichen WD ... gestanden sei, das durch den Pkw des Beschwerdeführers, welcher direkt vor der Ausfahrt stand, am Wegfahren gehindert gewesen sei. Der Gehsteig habe am Tatort keine Abschrägung aufgewiesen, bzw. seien nur mehr Fragmente einer solchen zu erkennen gewesen. Der Randstein sei gelb angestrichen gewesen und am Gehsteig sei eine Tafel mit folgender Anschrift gestanden: „Für Direktionswagen Zu- und Abfahrt bitte freihalten.“ Auf Grund der Aussage des Beschwerdeführers sei mit der Magistratsabteilung 28 Rücksprache gehalten und in Erfahrung gebracht worden, daß am Tatort früher eine bewilligte Aus- und Einfahrt bestanden habe. Dann seien das Haus von der UNIDO bezogen und Umbauten durchgeführt worden. Eine Aus- und Einfahrt sei nicht mehr bewilligt worden.
In einem Aktenvermerk der Magistratsabteilung 70 vom 16. Mai 1979 ist festgehalten, daß eine Besichtigung der Örtlichkeit ergeben habe, daß die Grundstückseinfahrt sehr wohl eine entsprechend wahrnehmbare Abschrägung, die überdies gelb angestrichen sei, aufweise. Auf Grund des äußeren Anscheines müsse an Ort und Stelle eine Grundstückseinfahrt und nicht nur ein Grundstückseingang vermutet werden.
Die Magistratsabteilung 28 teilte der Magistratsabteilung 70 mit Note vom 13. Dezember 1979 mit, daß sie mit Bescheid vom 2. August 1978 für die Liegenschaft Wien 1., Ebendorferstraße 2, eine Gehsteigauf- und Überfahrtsbewilligung an die UNIDO erteilt habe und daß auf Grund der aufliegenden Unterlagen vorher vor dieser Liegenschaft keine derartige Bewilligung erteilt worden sei.
Eine Fotokopie dieses Bescheides legte die Hausverwaltung der Magistratsabteilung 70 vor.
Die Ergebnisse des ergänzten Ermittlungsverfahrens wurden dem Beschwerdeführer nach der Aktenlage nicht zur Kenntnis gebracht.
Mit Bescheid vom 9. Mai 1980 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der ersten Instanz.
In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der in Betracht kommenden Rechtsvorschriften, des Berufungsvorbringens und des Berichtes des Meldungslegers vom 9. April 1979 im wesentlichen aus, es habe auf Grund des äußeren Anscheines an Ort und Stelle eine Grundstückseinfahrt und nicht nur ein Grundstückseingang vermutet werden müssen. Durch die aufgestellte Tafel und den gelben Anstrich des Gehsteigrandes sei die Grundstückseinfahrt erkennbar und demnach für den Fahrzeuglenker existent. Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich nach § 24 Abs. 3 lit. b StVO um eine Hauseinfahrt handle, komme es nur auf die äußeren Merkmale und nicht darauf an, ob die Einfahrt auch tatsächlich benützt werde. Eine Haus- bzw. Grundstückseinfahrt sei in der Regel durch entsprechende Abschrägung der Randsteine des Gehsteiges gekennzeichnet und begründe damit Parkverbot. So sei es auch im vorliegenden Fall gewesen, weshalb die Hauseinfahrt für den Beschwerdeführer eindeutig erkennbar gewesen sei. Die Frage, ob eine nach baurechtlichen Bestimmungen genehmigte Gehsteigüberfahrt vorhanden gewesen sei, sei im vorliegenden Verfahren ohne Bedeutung. Auf Grund der in dieser Hinsicht unbestrittenen Anzeige des Meldungslegers sei aber davon auszugehen, daß durch das vor der Grundstückseinfahrt abgestellte Fahrzeug des Beschwerdeführers der Lenker eines anderen Fahrzeuges am Zu- bzw. Wegfahren vom Grundstück gehindert gewesen sei, sodaß der Tatbestand nach § 89 a StVO 1960 als erfüllt anzusehen und demnach die Entfernung zu Recht erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, in der der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorbringt, daß er erstmals mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde davon Kenntnis erhalten habe, daß der Meldungsleger behauptet habe, es sei das Tor des Hauses Ebendorferstraße 2,. vor dem das Fahrzeug des Beschwerdeführers abgestellt gewesen sei, geöffnet gewesen und im Tor habe sich ein Pkw mit dem Kennzeichen WD ... befunden. Dem Beschwerdeführer seien diese Angaben niemals vorgehalten worden, sodaß ihm die Möglichkeit genommen gewesen sei, hiezu Stellung zu nehmen. Tatsächlich sei zu jenem Zeitpunkt, als er sein Fahrzeug gegen 11 Uhr Vormittag geparkt habe, das Haustor geschlossen und auch nicht erkennbar gewesen, daß hinter dem geschlossenen Tor allenfalls ein Pkw abgestellt sei. Im übrigen gehe aus der diesbezüglichen Feststellung der belangten Behörde überhaupt nicht hervor, ob der Meldungsleger seine Beobachtung zu jenem Zeitpunkt gemacht habe, als der Beschwerdeführer sein Fahrzeug abgestellt habe oder erst später, als er um Intervention ersucht worden sei. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des Inhaltes führt der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, es habe der Gehsteig im Bereich des Haustores keine intakten Abschrägungen aufgewiesen und auch der gelbe Anstrich des Randsteines und die Tafel „Für Direktionswagen bitte Zu- und Abfahrt freihalten“ habe nicht auf eine Hauseinfahrt hingewiesen, da gerade der Ausdruck „Zu- und Abfahrt“ nur so verstanden werden könne, daß das Zufahren, nicht jedoch das Einfahren in die Hauseinfahrt ermöglicht werden sollte. Im übrigen könne gemäß § 89 a Abs. 2 StVO 1960 ein Fahrzeug unter anderem dann entfernt werden, wenn der Lenker eines Fahrzeuges am Benützen einer Grundstückseinfahrt gehindert werde. Im vorliegenden Fall sei auch die Bedingung, daß eine Hauseinfahrt nur gegeben sei, wenn das Einfahren ohne weitere Vorkehrungen möglich sei, nicht vorgelegen, da - wie selbst die belangte Behörde feststelle - der Gehsteig keine intakte Abschrägung aufgewiesen habe und daher auch eine Grundstückseinfahrt nicht vorgelegen sei.
Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie ausdrücklich anerkennt, daß der Beschwerdeführer die Verletzung von Verfahrensvorschriften - er habe erst mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid Kenntnis von der Stellungnahme des Meldungslegers erlangt - „bedauerlicherweise“ zu Recht geltend gemacht habe, daß dieser Umstand aber nichts daran ändere, daß für den Beschwerdeführer die Ausfahrt durch die unbestritten vorhanden gewesene Tafel „Zu- und Abfahrt freihalten“ und den gelben Anstrich „der Gehsteigabschrägung“ (richtig wohl des „Randsteines“ bzw. des „Gehsteigrandes“) eindeutig erkennbar gewesen sei. Im übrigen richte sich die Beurteilung des Vorliegens einer Haus- oder Grundstückseinfahrt nach den äußeren erkennbaren Merkmalen und es sei das Vorliegen einer nach einer anderen gesetzlichen Vorschrift erforderlichen Genehmigung einer baulichen Herstellung in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Relevanz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes vom 11. März 1982, BGBl. Nr. 203/1982, zusammengesetzten Senat erwogen:
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß durch die Beschaffenheit des Gehsteiges (Fragmente einer Abschrägung, gelber Anstrich des Gehsteigrandes) und durch die Aufstellung einer Tafel auf dem Gehsteig „Für Direktionswagen Zu- und Abfahrt bitte freihalten“ bei geschlossenem Tor für sich allein eine Einfahrt in ein Grundstück nicht unbedingt erkennbar vorliegt, zumal auf der Tafel die Worte „Zu- und Abfahrt“ und nicht etwa die Worte „Ein- und Ausfahrt“ verwendet wurden. Es wäre daher Sache der belangten Behörde gewesen, Feststellungen darüber zu treffen, ob etwa im Zeitpunkt des Abstellens des Fahrzeuges durch den Beschwerdeführer das Tor zur Liegenschaft Ebendorferstraße 2 geschlossen oder nicht geschlossen war und ob sich im Tor der Liegenschaft damals bereits ein abgestelltes Kraftfahrzeug befunden hat, welches bei offenem Tor auch vom Beschwerdeführer hätte gesehen werden können. In diesem Zusammenhang erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers, er hätte im Verwaltungsverfahren diesbezügliche Ausführungen nicht vortragen können, da ihm kein Parteiengehör gewährt worden sei und es habe die Behörde daher Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, als zutreffend, sodaß der in Beschwerde gezogene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Wien, am 10. September 1982
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1982:1980001767.X00Im RIS seit
05.05.2022Zuletzt aktualisiert am
05.05.2022