Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §59 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätinnen Dr. Pollak, Mag. Hainz-Sator und MMag. Ginthör sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des J E in W, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard-Breitner-Straße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 30. Dezember 2020, Zl. KLVwG-2124/2/2020, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung samt Anordnung begleitender Maßnahmen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Oktober 2020 wurde (in Bestätigung eines Mandatsbescheides vom 25. Mai 2020) dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für näher genannte Klassen (u.a.) gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 bis 5 sowie 24 Abs. 1 Z 1, 25 Abs. 3 und 26 FSG, gerechnet ab 26. Mai 2020 (dem Datum der Zustellung des Mandatsbescheides), ohne ausdrückliche Festlegung der Entziehungsdauer entzogen und ausgesprochen, dass ihm vor Ablauf von 36 Monaten, wiederum gerechnet ab 26. Mai 2020, keine „neue“ Lenkberechtigung erteilt werden dürfe. Weiters wurden gemäß § 24 Abs. 3 FSG begleitende Maßnahmen (Nachschulung sowie Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens und einer verkehrspsychologischen Stellungnahme) angeordnet. Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid aberkannt.
2 Begründend hielt die Behörde fest, der Revisionswerber habe am 13. Mai 2020 eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 (Alkoholgehalt der Atemluft 0,99 mg/l) begangen. Gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG sei ihm daher die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen. Gegenständlich erforderten diverse Umstände, die eine negative Prognose betreffend die Verkehrszuverlässigkeit des Revisionswerbers über einen über die Mindestentziehungsdauer hinausgehenden Zeitraum rechtfertigten, die Festlegung einer längeren Entziehungszeit. Im Zeitraum von 1990 bis 2001 sei dem Revisionswerber wegen wiederholter Alkoholdelikte die Lenkberechtigung mehrmals, und zwar für drei Monate, neun Monate, achtzehn Monate, 48 Monate und sodann für acht Jahre, entzogen worden. Nachdem der Revisionswerber jeweils einmal in den Jahren 2002 und 2003 sowie jeweils zweimal in den Jahren 2005 und 2006 trotz entzogener bzw. ohne Lenkberechtigung ein Fahrzeug, davon darüber hinaus fünfmal in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, gelenkt habe und in den Jahren 2011 und 2012 zwei Anträge auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung abgewiesen worden seien und die Wiedererteilung der Lenkberechtigung erst am 28. Februar 2013 (befristet bis 17. Februar 2016) erfolgt sei, habe der Revisionswerber am 10. August 2014 neuerlich ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960), weshalb ihm die Lenkberechtigung für die Dauer von achtzehn Monaten unter Anordnung begleitender Maßnahmen entzogen worden sei. Am 12. Februar 2016 sei dem Revisionswerber zunächst eine befristete Lenkberechtigung erteilt worden. Seit 2. Februar 2017 verfüge er über eine unbefristete Lenkberechtigung.
3 Der Revisionswerber habe somit bereits zwölfmal ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand teils trotz entzogener sowie teils ohne Lenkberechtigung gelenkt. Aus diesem Grund sei ihm die Lenkberechtigung für insgesamt sechzehn Jahre entzogen worden. Weder der zuletzt genannte Umstand noch die Abweisung von zwei Anträgen auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung, die neuerliche Ablegung der praktischen Fahrprüfung, die Absolvierung von Nachschulungen, die Durchführung von verkehrspsychologischen und amtsärztlichen Untersuchungen, die Befristung der Lenkberechtigung, die Verpflichtung zur Beibringung von Blutbefunden, die mit den absolvierten Maßnahmen einhergehenden Kosten oder die Bestrafungen wegen Lenkens eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand hätten den Revisionswerber zu einem verkehrsangepassten Verhalten bewegen können. Dieser sei als Wiederholungstäter mit einer tief verwurzelten Neigung zur Begehung von Alkoholdelikten anzusehen, sodass sich die erneut gesetzte strafbare Handlung als umso verwerflicher erweise, zumal eine Wiederholungstendenz sowie eine Rückfallsneigung eindeutig erkennbar seien. Daher sei davon auszugehen, dass die Verkehrszuverlässigkeit des Revisionswerbers nicht vor Ablauf von 36 Monaten wiedererlangt werden werde.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Landesverwaltungsgericht Kärnten aus, dass der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers insoweit Folge gegeben werde, als diesem vor Ablauf von zwei Jahren, gerechnet ab der Anlasstat am 13. Mai 2020, keine „neue“ Lenkberechtigung erteilt werden dürfe. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
5 Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen dahin, dass infolge der gegenständlichen Anlasstat vom 13. Mai 2020 gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG eine Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens sechs Monaten zu erfolgen habe. Die weiteren Vorfälle der Vergangenheit seien gemäß § 7 Abs. 5 FSG bei der Wertung grundsätzlich zu berücksichtigen. Eine einschlägige Übertretung liege fast sechs Jahre vor der Anlasstat. Die übrigen zahlreichen einschlägigen Übertretungen lägen zumindest vierzehn Jahre zurück. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei insbesondere zu berücksichtigen, wie lange Alkoholdelikte bzw. die Entziehung der Lenkberechtigung zurücklägen. Weiters sei auf die Schwere des Alkoholdelikts sowie auf die Dauer vorangegangener Entziehungen der Lenkberechtigung Bedacht zu nehmen. Wenn man gegenständlich von den Vorfällen in den Jahren von 1990 bis 2001 absehe, käme „in etwa“ § 26 Abs. 2 Z 6 FSG in Betracht, der eine Mindestentziehungsdauer von acht Monaten vorsehe. Die gegenständliche Anlasstat wiege zwar schwerer als die in dieser Bestimmung genannte Tat; andererseits lägen frühere Delikte schon mehr als fünf Jahre zurück und seien „leichter“ als das in § 26 Abs. 2 Z 6 FSG angeführte Delikt zu gewichten. Die übrigen Taten des Revisionswerbers könnten wegen des Umstands, dass sie zumindest 14 Jahre zurücklägen, nicht mehr übermäßig ins Gewicht fallen. Dies sei auch schon im Jahr 2014 so „gehandhabt“ worden, weil damals die Mindestentziehungsdauer des § 26 Abs. 1 FSG von einem Monat um 17 Monate überschritten worden sei. Zum damaligen Zeitpunkt sei jedoch zu berücksichtigen gewesen, dass es knapp eineinhalb Jahre nach Erteilung der Lenkberechtigung im Jahr 2013 wieder zu einem Alkoholdelikt im August 2014 gekommen sei. Seit der neuerlichen Ausstellung einer befristeten Lenkberechtigung im Jahr 2016 habe sich der Revisionswerber nunmehr gut vier Jahre wohlverhalten. Unter Berücksichtigung der besonderen Verwerflichkeit des Lenkens eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand sowie der dargelegten Erwägungen und unter Annahme nicht besonders gefährlicher Verhältnisse erweise sich eine Entziehungsdauer von zwei Jahren als angemessen. Dem Revisionswerber gelinge es offensichtlich nicht, dauerhaft die Bestimmungen betreffend Alkohol im Straßenverkehr einzuhalten.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, auch die vom Verwaltungsgericht herabgesetzte Entziehungsdauer von zwei Jahren sei u.a. im Hinblick auf § 27 Abs. 1 Z 1 FSG als unverhältnismäßig zu erachten, weil sie den Zeitraum von sechs Jahren, der seit der im Jahr 2014 begangenen Verwaltungsübertretung (nach § 99 Abs. 1b StVO 1960) verstrichen sei, und das zwischenzeitliche Wohlverhalten des Revisionswerbers nicht gebührend berücksichtige.
7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen erweist sich die Revision als zulässig und begründet.
9 Das FSG in der im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses am 15. Jänner 2021 an den Revisionswerber sowie die belangte Behörde) maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 169/2020 lautet (auszugsweise):
„Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
...
(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.
(5) Strafbare Handlungen gelten jedoch dann nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1, wenn die strafbare Handlung vor mehr als fünf Jahren begangen wurde. Für die Frage der Wertung bestimmter Tatsachen gemäß Abs. 3 sind jedoch strafbare Handlungen auch dann heranzuziehen, wenn sie vor mehr als fünf Jahren begangen wurden.
...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. Sind für die Person, der die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist, zum Zeitpunkt der Entziehung im Vormerksystem (§ 30a) Delikte vorgemerkt, so ist für jede dieser im Zeitpunkt der Entziehung bereits eingetragenen Vormerkungen die Entziehungsdauer um zwei Wochen zu verlängern; davon ausgenommen sind Entziehungen auf Grund des § 7 Abs. 3 Z 14 und 15.
...
Sonderfälle der Entziehung
§ 26. (1) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt und zuvor keine andere der in § 7 Abs. 3 Z 1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde, die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat zu entziehen.
...
§ 25 Abs. 3 zweiter Satz ist in allen Fällen sinngemäß anzuwenden.
(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges
1. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen,
2. ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, ist die Lenkberechtigung auf mindestens zwölf Monate zu entziehen,
3. ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1a oder 1b StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, ist die Lenkberechtigung auf mindestens acht Monate zu entziehen,
4. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen,
5. ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, ist die Lenkberechtigung auf mindestens zehn Monate zu entziehen,
6. ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, ist die Lenkberechtigung auf mindestens acht Monate zu entziehen,
7. ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, ist die Lenkberechtigung auf mindestens sechs Monate zu entziehen. § 25 Abs. 3 zweiter Satz ist sinngemäß anzuwenden.
...
(5) Eine Übertretung gemäß Abs. 1 oder 2 gilt als erstmalig, wenn eine vorher begangene Übertretung der gleichen Art zum Zeitpunkt der Begehung bereits länger als fünf Jahre zurückliegt.
...
Erlöschen der Lenkberechtigung
§ 27. (1) Eine Lenkberechtigung erlischt:
1. nach Ablauf einer Entziehungsdauer von mehr als 18 Monaten;
...
Ablauf der Entziehungsdauer
§ 28. (1) Der Führerschein ist nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn
1. die Entziehungsdauer nicht länger als 18 Monate war und
2. keine weitere Entziehung der Lenkberechtigung angeordnet wird.
(2) Vor Wiederausfolgung des Führerscheines ist das Lenken von Kraftfahrzeugen unzulässig.“
10 Vorauszuschicken ist, dass der Spruch des (den Bescheid der belangten Behörde mit einer Maßgabeentscheidung bestätigenden) angefochtenen Erkenntnisses, wonach dem Revisionswerber die Lenkberechtigung entzogen und diesem vor Ablauf von zwei Jahren, gerechnet ab der Anlasstat am 13. Mai 2020, keine „neue“ Lenkberechtigung erteilt werden dürfe, schon aus folgenden Erwägungen in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig ist.
11 Zunächst ist bei der Entziehung der Lenkberechtigung bestimmt auszusprechen, für welche Dauer die Entziehung erfolgt (§ 25 Abs. 1 erster Satz FSG; siehe etwa auch VwGH 22.10.2002, 2001/11/0108). Dieser Anforderung genügt der verwaltungsgerichtliche Spruch, der (den Aufbau des behördlichen Spruches übernehmend) keine ausdrückliche Festlegung der Entziehungsdauer enthält, nicht.
12 Zwar erlaubt der Ausspruch des Verwaltungsgerichts bei gesamtheitlicher Betrachtung aufgrund des Zusatzes betreffend die zweijährige Dauer, während der dem Revisionswerber keine Lenkberechtigung erteilt werden dürfe, den Schluss, dass mit dieser Spruchgestaltung nur in unzweckmäßiger Weise zum Ausdruck gebracht wurde, dass (wovon die Verfahrensparteien auch ausgehen) dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für den Zeitraum der angenommenen Verkehrsunzuverlässigkeit von zwei Jahren (von 13. Mai 2020 bis 13. Mai 2022) entzogen wurde (vgl. VwGH 26.2.2002, 2000/11/0053 [Slg. Nr. 15939/A]).
13 Nichtsdestotrotz ist festzuhalten, dass vorliegend der Ausspruch betreffend die Unzulässigkeit der Wiedererteilung der Lenkberechtigung für einen bestimmten Zeitraum einer gesetzlichen Grundlage entbehrt. In diesem Zusammenhang sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zudem zu folgender Klarstellung veranlasst:
14 § 25 Abs. 1 dritter Satz FSG betrifft nur befristete Lenkberechtigungen, deren Gültigkeitsdauer (aufgrund ihrer Befristung) vor Ablauf der Entziehungsdauer endet, nicht aber Konstellationen wie die vorliegende, in denen das Verstreichen der im Entziehungsbescheid vorgesehenen, mehr als achtzehnmonatigen Entziehungsdauer zum Erlöschen der (unbefristeten) Lenkberechtigung gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 FSG führen würde.
15 Dies findet auch in den Materialien zur 5. FSG-Novelle, BGBl. I Nr. 81/2002, Bestätigung. In diesen wird auszugsweise wie folgt ausgeführt (RV 1033 BlgNR 21. GP, 30; vgl. in diesem Zusammenhang auch VwGH 22.4.2008, 2008/11/0043):
„Bei den Behörden bestehen seit In-Kraft-Treten des FSG Unsicherheiten, wie vorzugehen ist, wenn die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem [...] Ablauf der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer endet. Erlassmäßig wurde für diesen Fall angeordnet, dass die seinerzeitige im § 73 Abs. 2 KFG 1967 enthaltene Regelung, wonach die Lenkberechtigung nur bis zum Ende der Befristung zu entziehen ist und gleichzeitig auszusprechen ist, für welchen (weiteren) Zeitraum eine Lenkberechtigung nicht erteilt werden darf, weiterhin anzuwenden ist. Dies wird nun ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen.“
16 Bei einer unbefristeten Lenkberechtigung (sowie bei einer befristeten Lenkberechtigung, deren Befristung nicht vor Ablauf der Entziehungsdauer endet) besteht auch rechtlich kein Bedarf für den Ausspruch eines Verbots der Wiedererteilung der Lenkberechtigung für einen bestimmten Zeitraum. Vielmehr ergibt sich in solchen Fällen die vom Verwaltungsgericht und der belangten Behörde intendierte Rechtsfolge (Unzulässigkeit der Wiedererteilung einer Lenkberechtigung vor Ablauf der Entziehungsdauer) aus § 3 Abs. 2 FSG (zur Rechtslage vor der 5. FSG-Novelle siehe VwGH 13.12.2001, 2001/11/0298).
17 Das Bedürfnis nach einer Sonderregelung im Zusammenhang mit befristeten Lenkberechtigungen (vgl. § 25 Abs. 1 dritter Satz FSG) erklärt sich daraus, dass bei einer befristeten Lenkberechtigung der Entziehungsausspruch (für sich betrachtet) für den die Befristung überschreitenden Teilzeitraum rechtlich ins Leere laufen würde; dies trifft auf unbefristete Lenkberechtigungen sowie auf befristete Lenkberechtigungen, deren Gültigkeitsdauer die festgesetzte Entziehungsdauer überschreitet, nicht zu. Da es sich vorliegend um eine unbefristete Lenkberechtigung handelte, hatte somit kein Ausspruch über die Unzulässigkeit der Wiedererteilung der Lenkberechtigung während der Entziehungsdauer zu ergehen.
18 Darüber hinaus ist dem Verwaltungsgericht vorzuwerfen, dass es mit der „Vorverlegung“ des Entziehungszeitraums, dessen Beginn das Verwaltungsgericht erstmals mit 13. Mai 2020 festlegte, hinsichtlich des Zeitraums von 13. bis 26. Mai 2020 (eine vorläufige Abnahme des Führerscheins ist nicht erfolgt) unzulässiger Weise eine rückwirkende Entziehung der Lenkberechtigung anordnete (vgl. etwa VwGH 28.1.2016, Ra 2015/11/0101).
19 Den nachstehenden Erwägungen ist weiters voranzustellen, dass fallbezogen ausschließlich die Frage der Verkehrszuverlässigkeit des Revisionswerbers bzw. die Dauer von dessen Verkehrsunzuverlässigkeit und nicht die Frage zu beurteilen ist, ob die offenbar im Jahr 2017 erfolgte Bejahung von dessen unbedingter gesundheitlicher Eignung zutreffend war.
20 Die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung hat nach dem Gesetz eine begründete Prognose über die Dauer des Mangels der Verkehrsunzuverlässigkeit des von der Maßnahme Betroffenen widerzuspiegeln, weil die Entziehung der Lenkberechtigung nur für einen solchen Zeitraum zulässig und geboten ist, für den schlüssig begründet werden kann, dass auf Grund bestimmter Tatsachen im Sinne des § 7 FSG der Betreffende nicht verkehrszuverlässig ist (vgl. etwa VwGH 23.2.2011, 2010/11/0142, mwN).
21 Bei der danach zu treffenden Entscheidung handelt es sich um das Ergebnis einer Gesamtabwägung unterschiedlicher, allenfalls gegenläufiger Faktoren, das damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Zwar ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht erfolgreich mit Revision bekämpfbar (vgl. VwGH 10.5.2017, Ra 2017/11/0042, mwN). Allerdings erweist sich die im angefochtenen Erkenntnis erstellte Prognose über die Dauer der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit des Revisionswerbers auf Basis der verwaltungsgerichtlichen Feststellungen als verfehlt:
22 Unstrittig ist im Revisionsfall die Begehung eines Alkoholdelikts gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 (Alkoholgehalt der Atemluft höher als 0,8 mg/l). Damit sind, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannte, gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG die Voraussetzungen für eine Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens sechs Monaten gegeben.
23 Nach der ständigen hg. Judikatur stehen die in § 26 Abs. 1 und 2 FSG normierten Mindestentziehungszeiten dem Ausspruch einer Entziehung für einen längeren Zeitraum dann nicht entgegen, wenn Umstände vorliegen, die auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen. Die Festsetzung einer über die jeweilige Mindestzeit nach § 26 FSG hinausreichenden Entziehungsdauer hat nach der allgemeinen Regel des § 25 Abs. 3 FSG zu erfolgen, d.h. die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht darf über eine solche Mindestentziehungszeit nur insoweit hinausgehen, als der Betreffende für einen die Mindestentziehungsdauer überschreitenden Zeitraum verkehrsunzuverlässig ist (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/11/0231, mwN).
24 Ungeachtet dessen, dass es sich fallbezogen gemäß § 26 Abs. 5 FSG rechtlich betrachtet um die „erstmalige“ Begehung eines Alkoholdelikts im Sinn von § 26 Abs. 1 und 2 FSG handelte, sind auch die vor mehr als fünf Jahren verwirklichten Alkoholdelikte des Revisionswerbers gemäß § 7 Abs. 5 zweiter Satz FSG in die Prognosebeurteilung miteinzubeziehen (vgl. VwGH 16.10.2012, 2009/11/0245).
25 Dabei ist allerdings nicht nur zu beachten, dass der Gesetzgeber selbst in § 26 Abs. 2 FSG für die wiederholte Begehung von Alkoholdelikten Mindestentziehungszeiten vorgegeben hat, die auch für die Prognose der Dauer der Verkehrszuverlässigkeit im Falle der erstmaligen Begehung von Bedeutung sind (siehe erneut VwGH 23.1.2019, Ra 2018/11/0231).
26 Die in § 26 Abs. 2 FSG normierten Mindestentziehungszeiten für eine erstmalige Begehung sowie für eine neuerliche Begehung einschlägiger Alkoholdelikte innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren geben vielmehr auch insofern Anhaltspunkte für die Wertung eines länger zurückliegenden Alkoholdelikts, als dem Gesetz zu entnehmen ist, dass einem solchen Alkoholdelikt im Rahmen einer Prognosebeurteilung und der nach § 7 Abs. 4 und 5 FSG vorzunehmenden Wertung jedenfalls nicht mehr dasselbe Gewicht beizumessen ist wie einem rezenten Alkoholdelikt. Andernfalls hätte der Gesetzgeber den Zeitraum, innerhalb dessen ein Alkoholdelikt ein späteres Alkoholdelikt zu einem im Hinblick auf § 26 Abs. 2 FSG relevanten Folgedelikt macht, länger gewählt. Demnach aktualisiert die neuerliche Begehung eines Alkoholdelikts die auf eine Wiederholungsneigung zurückzuführende, bereits vor mehr als fünf Jahren zu Tage getretene Gefahr im Sinn des § 7 Abs. 1 FSG nicht in derselben Weise wie dies bei einem Alkoholdelikt der Fall ist, das innerhalb von fünf Jahren begangen wurde.
27 Andererseits ist die Begehung mehrerer Alkoholdelikte bei der Erstellung der Gefährdungsprognose sehr wohl zu Lasten des Betreffenden zu berücksichtigen. Mit Fällen gehäuft aufgetretener Alkoholdelinquenz sowie mehrfacher Vorentziehungen und der Frage der Wertung der daraus resultierenden Verkehrsunzuverlässigkeit hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits befasst (siehe z.B. VwGH 29.5.1990, 89/11/0217; 9.10.1990, 90/11/0061; 24.8.1999, 99/11/0216; 20.3.2001, 2000/11/0089; 24.4.2001, 2001/11/0101; 30.5.2001, 2001/11/0081; 4.7.2002, 2002/11/0117; 23.4.2002, 2000/11/0182; 21.1.2003, 2002/11/0227; aus jüngerer Zeit insbesondere VwGH 29.3.2011, 2011/11/0039; 6.10.2012, 2009/11/0245; 23.1.2019, Ra 2018/11/0231). Angesichts der gegenständlich über mehrere Jahrzehnte erstreckten Zeitspannen sowie hinsichtlich der zum Teil sehr lange zurückliegenden einschlägigen Taten des Revisionswerbers ist der vorliegende Fall jedoch nicht mit jenen Ausgangsverfahren vergleichbar, die vom Verwaltungsgerichtshof in den soeben genannten Entscheidungen beurteilt wurden.
Im Revisionsfall ergibt sich Folgendes:
28 Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entziehungsdauer von zwei Jahren entspricht dem Vierfachen der in § 26 Abs. 2 Z 1 FSG normierten Mindestentziehungszeit und überschreitet diese um 18 Monate.
29 Legt man die Gewichtung des Verwaltungsgerichts zugrunde, so müssten die in den Jahren von 1990 bis 2006 sowie im Jahr 2014 (Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960) begangenen Übertretungen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die Überschreitung der Mindestentziehungsdauer (von sechs Monaten; § 26 Abs. 2 Z 1 FSG) um achtzehn Monate und damit für einen Gesamtentziehungszeitraum rechtfertigen, der bei seinem Verstreichen gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 FSG ex lege das Erlöschen der Lenkberechtigung zur Folge hätte. Der die Mindestentziehungszeitdauer von sechs Monaten überschreitende Zeitraum ist bei dieser Gewichtung gleich lang wie der Zeitraum, für den aufgrund ebendieser Übertretungen die Lenkberechtigung des Revisionswerbers im Jahr 2014 entzogen worden war.
30 Wenn das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis eine im Jahr 2014 erstellte Beurteilung unverändert der aktuell zu erstellenden Prognose zugrunde legt, trägt es der § 26 Abs. 1, 2 und 5 FSG sowie § 7 Abs. 5 FSG zu entnehmenden gesetzgeberischen Wertung nicht Rechnung. Die Begründung des Verwaltungsgerichts, die sich im Wesentlichen auf die im Jahr 2014 festgelegte Entziehungsdauer von achtzehn Monaten stützt, erweist sich daher als rechtlich verfehlt.
31 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zählen Alkoholdelikte zu den schwersten Verstößen gegen Verkehrsvorschriften. Die besondere Verwerflichkeit der Wiederholung solcher Delikte fällt daher im Rahmen der Bemessung der Entziehungszeit besonders ins Gewicht (siehe etwa VwGH 23.4.2002, 2000/11/0182).
32 Das Verwaltungsgericht durfte im Revisionsfall angesichts der in Rede stehenden Vorgeschichte, in die sich das im Mai 2020 verübte gravierende Alkoholdelikt einreihte, von einer beträchtlichen Gefahr im Zusammenhang mit Alkoholdelikten ausgehen. Es steht zudem außer Zweifel, dass sich dieser für die Prognosebeurteilung wesentliche Gesichtspunkt bei der Festlegung der Entziehungsdauer entsprechend niederzuschlagen hatte.
33 Bei Begehen zweier gravierender Alkoholdelikte nach § 99 Abs. 1 StVO innerhalb von fünf Jahren sieht das Gesetz eine zwölfmonatige Mindestentziehungsdauer vor (§ 26 Abs. 2 Z 2 FSG).
34 Auch wenn gegenständlich die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Z 2 FSG zufolge Abs. 5 nicht erfüllt sind, kann man im Revisionsfall annehmen, dass die insbesondere bis 2006 begangenen Vortaten, auch wenn sie lange Zeit zurückliegen, insgesamt im Sinn einer bis in die Gegenwart reichenden Gefahr zu gewichten sind, die durch die im Mai 2020 verübte Tat wieder aktiviert wurde und zu dieser aktuell hinzutritt. Folglich kann in der vorliegenden Konstellation § 26 Abs. 2 Z 2 FSG als Orientierungsmaßstab herangezogen werden.
35 Nun vermag die in der Vergangenheit (überwiegend vor mehr als fünfzehn Jahren) besonders verdichtete einschlägige Delinquenz des Revisionswerbers ein Überschreiten einer zwölfmonatigen Entziehungsdauer zu begründen. Jedoch erweist sich auf Basis der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen die Beurteilung, dass fallbezogen von einer für die Dauer von zwei Jahren zu prognostizierenden Verkehrsunzuverlässigkeit des Revisionswerbers auszugehen sei, als nicht vertretbar.
36 Folglich ist das angefochtene Erkenntnis in Ansehung des Entziehungsausspruchs mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet und daher aus diesem Grund aufzuheben. Mit dem Wegfall des Ausspruchs über die Entziehung verliert auch der Ausspruch über die Anordnung begleitender Maßnahmen seine Grundlage (vgl. VwGH 17.11.2009, 2009/11/0023).
37 Aus diesen Erwägungen war das angefochtene Erkenntnis zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
38 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Da das Kostenmehrbegehren des Revisionswerbers in den zitierten Bestimmungen keine Deckung findet, war es abzuweisen.
Wien, am 17. März 2022
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021110059.L00Im RIS seit
05.05.2022Zuletzt aktualisiert am
16.05.2022