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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §167 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom 24. Juni 1993, GZ 6/3-3113/93-05, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für 1984 bis 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war in den Streitjahren Inhaber einer Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte. Anläßlich einer diese Jahre umfassenden Betriebsprüfung wurde vom Prüfer beanstandet, daß die "Reparaturarbeitskarten", in die von den einzelnen Arbeitnehmern Dauer und Art der Tätigkeit an einem Kraftfahrzeug eingetragen wurden und die zur Erstellung der Ausgangsrechnungen dienten, nicht aufbewahrt worden seien. Der Prüfer nahm eine Kalkulation auf der Grundlage der Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer vor. Dabei ging der Prüfer von jährlich 250 Arbeitstagen zu acht Stunden unter Abzug von "Nichtleistungszeiten" aus. Hilfsarbeiter wurden mit 80 %, Lehrlinge im ersten Lehrjahr mit 20 % und Lehrlinge im
2. Lehrjahr mit 40 % der errechneten Anwesenheitszeit angesetzt. Büroangestellte und der Unternehmer blieben außer Ansatz. Weiters wurde eine Stehzeit von 25 % berücksichtigt. Die Kalkulationsdifferenz wurde den erklärten Umsätzen und Gewinnen zugerechnet.
Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Bescheide über Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer für 1984 bis 1986.
In der Berufung wurde - soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren maßgeblich ist - vorgebracht, die Mitarbeiter des Beschwerdeführers bestätigten "einstimmig", daß weder die Arbeitszeiten der Hilfsarbeiter noch der Lehrlinge auf den Reparaturarbeitskarten vermerkt oder verrechnet worden seien. Der Berufung waren schriftliche Erklärungen von vier Arbeitnehmern des Beschwerdeführers angeschlossen. Peter S. gab an, er sei für die Fakturierung im Unternehmen des Beschwerdeführers zuständig gewesen. Es seien im Unternehmen nur die Arbeitszeiten der Facharbeiter erfaßt worden. Die Tätigkeiten der Lehrlinge seien unter direkter und dauernder Aufsicht eines Facharbeiters durchgeführt worden. Die Tätigkeiten der Hilfsarbeiter seien Aufräum-, Besorgungs-, Reinigungs- und Handlangertätigkeiten gewesen. Über die Tätigkeit der Lehrlinge und Hilfsarbeiter äußerten sich in wörtlich gleichlautenden Äußerungen die Arbeitnehmer Josef E., Josef K. und Eduard H.
In einer Stellungnahme vom 22. Juni 1989 führte der Prüfer aus, es gehöre durchaus zu den branchenüblichen Gepflogenheiten, in Kfz-Werkstätten kleinere Service-Arbeiten auch von Lehrlingen und diverse Reparaturarbeiten von Hilfsarbeitern ausführen zu lassen, wobei der Facharbeiter nur eine Endkontrolle der Arbeiten vornehme. Bei den Hilfsarbeitern habe es sich um erfahrene und durchaus sachkundige Arbeiter gehandelt.
Hierauf brachte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers in einer am 31. Jänner 1990 bei der belangten Behörde eingelangten Eingabe vor, von den Hilfsarbeitern würden folgende, nicht weiter verrechnete Arbeiten ausgeführt:
"Hilfsdienste (Kfz-Reinigung, Werkstättenreinigung, Abschleppdienst, Einkauf und Betreuung, Ersatzteillager), Betreuung der Kfz-Abstellplatzes, Be- und Entladetätigkeiten für Ersatzteillager, in den Jahren 1985 bis 1986 Mitwirkung bei der Errichtung der Lackierbox." Mit Ausnahme der Lehrlinge B., der 1986 sein 3. Lehrjahr absolviert habe, und L., der im Juli 1985 eingetreten sei, hätten alle übrigen Lehrlinge im Prüfungszeitraum das erste Ausbildungsjahr wegen Austritts oder späteren Eintritts nicht vollendet. Für die Lehrlinge seien keine Stunden verrechnet worden, weil im ersten Lehrjahr überwiegend Hilfs- und Botendienste ausgeübt würden, die den Kunden nicht angelastet werden könnten.
Auf entsprechende Weisung der belangten Behörde wurde im Mai 1990 im Unternehmen des Beschwerdeführers eine Nachschau durchgeführt, die sich auf die Ausgangsrechnungen des Monats April 1990 erstreckte. Im Nachschaubericht wurde festgestellt, daß auf den Rechnungen nur eine Arbeitsleistung als Gesamtbetrag ohne Angaben über die aufgewendete Arbeitszeit ausgewiesen worden sei. Bei einem Vergleich mit den Arbeitskarten sei festgestellt worden, daß neben den drei Gesellen die beiden Lehrlinge voll verrechnet worden seien, da deren Zeit ebenfalls auf den Arbeitskarten vermerkt worden sei. Im Nachschauzeitraum sei nur ein Hilfsarbeiter beschäftigt gewesen; dieser scheine auf den Arbeitskarten nicht auf. Es werde jedoch nicht in allen Fällen der Name des Arbeitnehmers auf den Zeitkarten, sondern nur Beginn und Ende der Arbeitszeit ausgewiesen. Es sei festgestellt worden, daß Motorwäschen, Karosserieschutzarbeiten und Rädermontagen, wie sie den im Streitzeitraum beschäftigten beiden Hilfsarbeitern zugeordnet worden seien, in den Leistungsangaben der Ausgangsrechnungen aufschienen.
In einer bei der belangten Behörde am 27. Juni 1990 eingelangten Eingabe des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers wurde ausgeführt, Lehrlinge seien nur deshalb verrechnet worden, weil der Beschwerdeführer seine Arbeitskraft in letzter Zeit voll eingesetzt habe und die beschäftigten Lehrlinge lückenlos beaufsichtigt habe. Die Arbeit sei daher praktisch nicht von den Lehrlingen, sondern von ihm selbst durchgeführt worden. In der Eingabe wurde beantragt, Peter S., Josef E., Josef K., Eduard H. und den Hilfsarbeiter Milia D. als Zeugen zu vernehmen.
In einer weiteren Eingabe vom 29. Oktober 1990 wurde nach einem entsprechenden Vorhalt der belangten Behörde ausgeführt, die namhaft gemachten Zeugen könnten "wahrscheinlich nichts über das von ihnen bisher Ausgesagte hinaus bezeugen".
In der Folge wurde eine dem Beschwerdeführer gegenüber abgegebene Äußerung der Landesinnung der Kraftfahrzeugmechaniker Wien der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 24. Oktober 1990 der belangten Behörde vorgelegt. Danach sei es im allgemeinen üblich, daß Arbeitnehmer ohne Zweckausbildung zu solchen Tätigkeiten herangezogen werden, die für den reibungslosen Ablauf der Betriebstätigkeit notwendig sind, aber in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Instandsetzung von Kraftfahrzeugen stehen. Tätigkeiten, die in den Berechtigungsumfang des Kraftfahrzeugmechanikers fallen, würden normalerweise von Personen (zumindest) mit der Qualifikation eines Facharbeiters durchgeführt. Wartungsarbeiten an Fahrzeugen würden aber auch von Mitarbeitern ausgeführt, die die Facharbeiterqualifikation nicht erworben haben, die aber auch keine Hilfsarbeiter im herkömmlichen Sinne seien.
In einer weiteren Äußerung der Landesinnung Wien für Kraftfahrzeugmechaniker vom 17. Dezember 1990 wurde ausgeführt, unter Berücksichtigung des Berufsbildes und unter Bedachtnahme auf das Leistungsniveau des einzelnen Lehrlings scheine ein Ansatz von 0 bis 20 % im ersten Lehrjahr, von 20 bis 40 % im zweiten, von 40 bis 60 % im dritten und von 60 bis 80 % des Stundensatzes im letzten Lehrjahr realistisch. Es könne möglich sein, daß ein Lehrling diesen Richtwert übertreffe oder nicht einmal annähernd erreiche.
In der am 7. Februar 1991 von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung wurden entsprechend einem Beweisantrag des Beschwerdeführers die Funktionäre der Landesinnung der Mechanikermeister Peter D. und Ewald P. als Zeugen vernommen. Peter D. gab dabei an, von Hilfsarbeitern in einem Kfz-Betrieb würden normalerweise Hilfs- und Reinigungsarbeiten durchgeführt. Die Fragen, ob es branchenspezifische Erfahrung oder Tatsache sei, daß Hilfsarbeiter Reparatur- oder Servicearbeiten an einem Kfz durchführen sowie ob Rädermontagen, Motorwäschen und Karosseriearbeiten zu den Tätigkeiten eines Hilfsarbeiters gehörten, wurden von Peter D. verneint.
Ewald P. gab an, im Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe seien Arbeitnehmer in Facharbeiter, besonders qualifizierte Arbeitnehmer, qualifizierte Arbeitnehmer, Arbeitnehmer mit Zweckausbildung und Arbeitnehmer ohne Zweckausbildung gegliedert. "Hilfsarbeiter im nichtherkömmlichen Sinne" seien demnach die qualifizierten Arbeitnehmer und Arbeitnehmer mit Zweckausbildung.
Der Spruch der sodann ergangenen Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 28. Februar 1991 lautete auf Abänderung der angefochtenen Bescheide.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde unter anderem vorgebracht, der Beschwerdeführer und sein Vertreter hätten die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung so verstanden, daß der Berufung des Beschwerdeführers Folge gegeben und seine in der Berufungsschrift dargestellte Kalkulation übernommen würde.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1993, 91/13/0149, wurde die genannte Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. Der Gerichtshof ging - mit näherer Begründung - von einer mündlich verkündeten Stattgabe der Berufung aus, während die schriftliche Ausfertigung von der mündlichen Verkündung abgewichen ist.
Der Vertreter des Beschwerdeführers stellte in der Folge am 25. Mai 1993 einen "Antrag auf schriftliche Ausfertigung des in der mündlichen Berufungsverhandlung am 7. Februar 1991 verkündeten Bescheides".
Nach einer neuerlichen mündlichen Verhandlung wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid über die Berufung entschieden und es wurden dabei die Abgabenbescheide abgeändert. Die belangte Behörde ging bei der Umsatzermittlung unverändert von der vom Prüfer ermittelten Stundenanzahl aus, erhöhte aber in den Jahren 1984 und 1986 den Anteil an Stehzeiten von 25 % auf 32,79 % und 28,11 %, während sie für 1985 eine Stehzeit von 24,98 % annahm.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid, deren Behandlung vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 4. Oktober 1993, B 1376/93-3, abgelehnt wurde, werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, er habe im vorhergehenden Verfahren zu hg. Zl. 91/13/0149 nicht den am 7. Februar 1991 mündlich verkündeten Bescheid, sondern (lediglich) den Spruch der schriftlichen Bescheidausfertigung vom 28. Februar 1991 angefochten. Die belangte Behörde sei nach wie vor an ihren mündlich verkündeten Bescheid gebunden. Damit verkennt der Beschwerdeführer aber, daß es sich im Falle einer gemäß § 287 Abs. 4 BAO verkündeten Berufungsentscheidung und ihrer daran anschließenden schriftlichen Ausfertigung nicht um zwei verschiedene Erledigungen der Behörde handelt. Vielmehr ist von einer einheitlich zu betrachtenden bescheidmäßigen Erledigung der Berufungssache auszugehen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte somit im genannten Verfahren 91/13/0149 nicht über zwei unterschiedliche Bescheide zu entscheiden, sondern vielmehr über einen Bescheid, der - nach dem vom Gerichtshof festgestellten Sachverhalt - in sich widersprüchlich und damit rechtswidrig gewesen ist. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof daher auch im Erkenntnis vom 24. Februar 1993 nicht, wie der Beschwerdeführer meint, die schriftliche Ausfertigung (allein), sondern überhaupt den von der belangten Behörde erlassenen Berufungsbescheid als solchen aufgehoben. Der Einwand des Beschwerdeführers, es liege nunmehr res iudicata vor, ist somit nicht zutreffend.
In der Sache selbst wendet sich der Beschwerdeführer (ausschließlich) dagegen, daß die Abgabenbehörden im Rahmen der vorgenommenen Schätzung - deren Berechtigung vom Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht bestritten wird - von produktiven Stunden des Hilfsarbeiters im Ausmaß von 80 % und eines Lehrlings im ersten Lehrjahr im Ausmaß von 20 % der Arbeitszeit ausgegangen ist. Der Beschwerdeführer ist dabei nicht im Recht, wenn er meint, diese Sachverhaltsannahmen hätte die belangte Behörde nur auf Grund konkreter Beweise treffen können. Gerade deswegen, weil die Grundaufzeichnungen nicht aufbewahrt worden waren, waren solche Sachbeweise nicht möglich. Die Abgabenbehörde war somit zur Schätzung der Bemessungsgrundlagen berechtigt. Zu den einzelnen Elementen einer solchen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gehört aber auch die Schätzung der produktiven Stunden der einzelnen Arbeitnehmer. Daß die belangte Behörde nach dem von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahren davon ausgegangen ist, eine als "Hilfsarbeiter" bezeichnete Person, also ein Arbeitnehmer, der die Ausbildung zum Facharbeiter nicht besitzt, verrichtete im Kfz-Betrieb durchaus produktive Arbeiten im überwiegenden Ausmaß, ist nicht unschlüssig. Es widerspricht nicht der Lebenserfahrung, daß in einem Kfz-Betrieb mit drei Gesellen und zwei Lehrlingen zusätzlich nicht noch ein Hilfsarbeiter ausschließlich mit Reinigungsarbeiten und der Betreuung des Ersatzteillagers beschäftigt wird. Auch die Annahme einer 20 %igen Produktivität eines Lehrlings im ersten Lehrjahr entspricht dem Erhebungsergebnis.
Wenn vom Beschwerdeführer gerügt wird, die belangte Behörde habe die in der Eingabe vom 27. Juni 1990 namhaft gemachten Zeugen - das waren diejenigen Personen, die völlig gleichlautende maschinschriftlich hergestellte Erklärungen unterfertigt hatten - nicht vernommen, so ist dem entgegenzuhalten, daß Beweisanträge das Beweisthema anzugeben haben. Demgegenüber wurde über einen Vorhalt nach dem Beweisthema mit Eingabe vom 29. Oktober 1990 ausgeführt, die angeführten Personen könnten (über die schriftlichen Erklärungen hinaus) "wahrscheinlich" nichts bezeugen. Ein Verfahrensmangel, bei dessen Vermeidung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, liegt daher nicht vor.
Wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dieser Verfahrensrüge meint, die belangte Behörde habe bei der von ihr vorgenommenen Schätzung "aus geheimen Beweismitteln geschöpft", so ist dem entgegenzuhalten, daß hiefür weder aus dem angefochtenen Bescheid noch dem Inhalt der Verwaltungsakten ein Anhaltspunkt besteht.
Die Bescheide war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1993130255.X00Im RIS seit
20.11.2000