TE Vwgh Beschluss 2022/4/5 Ra 2021/14/0409

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Veröffentlicht am 05.04.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Bayer als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A F, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 2021, W203 2219837-3/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 8. November 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), welcher vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 7. Mai 2020 - im Beschwerdeverfahren - vollinhaltlich abgewiesen wurde.

2        Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21. September 2020, E 2101/2020-8, wurde die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt.

3        Am 29. Oktober 2020 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005, mit welchem er erstmalig vorbrachte, er habe sich entschieden, Christ zu werden und ihm drohe aufgrund dessen bei einer Rückkehr in den Iran die Todesstrafe.

4        Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 17. März 2021 wurde der Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei. Es wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und ein zweijähriges Einreiseverbot erlassen.

5        Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. April 2021 wurde der Beschwerde des Revisionswerbers stattgegeben und die Rechtssache zur inhaltlichen Entscheidung an das BFA zurückverwiesen. In Folge wurde der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz mit Bescheid des BFA vom 28. Mai 2021 abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei, keine Frist für die Ausreise gesetzt, ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

6        Mit Erkenntnis vom 22. November 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer ordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Begründend führte es zusammengefasst aus, dass der Revisionswerber in seinem Herkunftsstaat keiner asylrelevanten individuellen Verfolgung ausgesetzt sei und eine solche bei seiner Rückkehr auch nicht zu erwarten habe. Betreffend eine Hinwendung zum christlichen Glauben sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber einen solchen im Iran nicht ausleben werde, weil er nicht aus innerer Überzeugung konvertiert sei. Zudem würde der Revisionswerber bei einer Rückkehr in keine ausweglose oder existenzbedrohende Lage geraten und keiner Verletzung seiner nach Art. 2 oder 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt sein. Außerdem überwögen die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes des Revisionswerbers.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich gegen die vorgenommene Beweiswürdigung und die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung wendet.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und unvertretbaren Weise vorgenommen. Insbesondere habe sich das Bundesverwaltungsgericht keinen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber im Rahmen einer mündlichen Verhandlung verschafft. Der Revisionswerber habe regelmäßig den Taufvorbereitungskurs beim Abt des Stiftes Lilienfeld besucht. Dieser habe vor dem BFA auf die Frage, ob der Revisionswerber aus innerer Überzeugung konvertiert sei, ausgesagt, dass eine zweifelsfreie Beurteilung eines längeren Zeitraumes bedürfe. Da die Befragung etwa neun Monate vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stattgefunden habe, läge ein entsprechend langer Beobachtungszeitraum vor, weswegen das Bundesverwaltungsgericht diesen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätte befragen müssen.

13       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation sowie des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 5.3.2021, Ra 2021/14/0038, mwN).

14       Weiters entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 23.11.2021, Ra 2021/14/0278, mwN).

15       Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers legte das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung nachvollziehbar und vertretbar dar, weshalb dem Vorbringen der Hinwendung zum Christentum keine Glaubwürdigkeit zukomme und gelangte ausführlich begründet zu dem Ergebnis, dass nicht von einer tatsächlichen, ernsthaften Konversion des Revisionswerbers ausgegangen werden könne. Der Revision gelingt es nicht darzulegen, dass die dieser Beurteilung zugrundeliegende Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.

16       Weiters macht die Revision die unterlassene nochmalige Einvernahme des Abtes geltend, bei welchem der Revisionswerber den Taufvorbereitungskurs besuchte. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein „ausreichend ermittelter Sachverhalt“ vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. VwGH 30.7.2020, Ra 2019/20/0383, mwN). Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass dem Bundesverwaltungsgericht bei dieser Beurteilung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen wäre, umso mehr, als die Revision keine Ausführungen dazu enthält, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. etwa VwGH 26.2.2021, Ra 2021/14/0044, mwN).

17       Soweit die Revision die Verletzung der Verhandlungspflicht im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung des BFA und des Bundesverwaltungsgerichts zum Fluchtvorbringen des Revisionswerbers rügt, zeigt sie nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht von den rechtlichen Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Abstandnahme von einer Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG abgewichen wäre (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 11.5.2021, Ra 2020/14/0449, mwN).

18       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021140409.L00

Im RIS seit

05.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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