Index
000Norm
AktG 1965 §220 Abs1 Z5Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. Mai 2021, Zl. RV/7101072/2013, betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2011 (mitbeteiligte Parteien: 1. B GmbH in W, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in Wien, Renngasse 1, und 2. P GmbH in W, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die erstmitbeteiligte Partei war im Streitzeitraum Gruppenträgerin, die zweitmitbeteiligte Partei Gruppenmitglied derselben Unternehmensgruppe iSd § 9 KStG 1988.
2 In einer Beilage zu Abgabenerklärungen der Zweitmitbeteiligten für das Jahr 2011 wurde darauf verwiesen, dass per 31. Dezember 2011 eine Verschmelzung der H GmbH auf die Zweitmitbeteiligte erfolgt sei. Damit seien Vorgruppenmindestkörperschaftsteuern der übertragenden Gesellschaft (in Höhe von ca. 12.000 €) noch im Veranlagungsjahr 2011 auf die Zweitmitbeteiligte übergegangen.
3 Mit Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2011 vom 21. September 2012 stellte das Finanzamt das Einkommen der Zweitmitbeteiligten fest; die geltend gemachte Mindestkörperschaftsteuer wurde dabei nicht angerechnet. In der Begründung führte das Finanzamt aus, die H GmbH sei per 31. Dezember 2011 auf die Zweitmitbeteiligte verschmolzen worden. Die übernehmende Körperschaft könne bei einer Verschmelzung die verrechenbare Mindestkörperschaftsteuer der übertragenden Körperschaft bereits in jenem Veranlagungszeitraum geltend machen, in welchem der Verschmelzungsstichtag liege. Da der Verschmelzungsstichtag der 31. Dezember 2011 sei und das Veranlagungsjahr 2011 der übernehmenden Zweitmitbeteiligten bereits am 31. Oktober 2011 geendet habe, liege der Verschmelzungsstichtag nicht im Veranlagungsjahr 2011. Die verrechenbare Mindestkörperschaftsteuer könne somit erst im Veranlagungsjahr 2012 angerechnet werden.
4 Die Mitbeteiligten erhoben gegen diesen Bescheid Berufung.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde Folge und änderte den angefochtenen Bescheid dahin ab, dass die Mindestkörperschaftsteuer (wie beantragt) angerechnet werde. Es sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
6 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht insbesondere aus, die Zweitmitbeteiligte weise als Bilanzstichtag den 31. Oktober auf. Betreffend die H GmbH (Bilanzstichtag 31. Dezember) sei im Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2008 darauf hingewiesen worden, dass für die nächsten Veranlagungsjahre ein Betrag von (ca.) 12.000 € als verrechenbare Mindestkörperschaftsteuer zur Verfügung stehe. Ab der Veranlagung 2009 sei die H GmbH ebenso wie die Zweitmitbeteiligte ein Gruppenmitglied der Unternehmensgruppe mit der Erstmitbeteiligten (Bilanzstichtag: 31. Dezember) als Gruppenträgerin gewesen. Da die H GmbH in den Jahren 2009 und 2010 jeweils negative Einkünfte an den Gruppenträger weitergeleitet habe, habe die Mindestkörperschaftsteuer nicht verrechnet werden können. Die H GmbH sei mit Verschmelzungsvertrag vom 24. April 2012 (Stichtag: 31. Dezember 2011) auf die Zweitmitbeteiligte verschmolzen worden; die Firmenbucheintragung sei am 16. Mai 2012 erfolgt. Dem mit 21. September 2012 datierten Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2011 betreffend die H GmbH (gerichtet an die Zweitmitbeteiligte als deren Rechtsnachfolgerin) sei wiederum ein negatives, dem Gruppenträger im Jahr 2011 zuzurechnendes Einkommen zu entnehmen; auch darin werde ausgeführt, dass für die nächsten Veranlagungsjahre ein Betrag von (ca.) 12.000 € als verrechenbare Mindestkörperschaftsteuer zur Verfügung stehe.
7 Hingewiesen werde noch darauf, dass die Unternehmensgruppe mit der Veranlagung 2011 geendet habe.
8 Unstrittig gingen bei einer Verschmelzung die von der übertragenden Körperschaft angesammelten und noch nicht nach § 24 Abs. 4 KStG 1988 verrechneten Beträge an Mindestkörperschaftsteuer über.
9 Die Mindestkörperschaftsteuer sei zum Verschmelzungsstichtag 31. Dezember 2011 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Zweitmitbeteiligte als übernehmende Gesellschaft übergegangen. Der Veranlagungszeitraum entspreche dem Kalenderjahr. Auch wenn der Bilanzstichtag der Zweitmitbeteiligten vom Ende des Kalenderjahrs abweiche, liege der Verschmelzungsstichtag (31. Dezember 2011) im Veranlagungszeitraum 2011. Das Mindestkörperschaftsteuerguthaben könne somit bereits im Rahmen der Veranlagung des Jahres 2011 verrechnet werden.
10 Der Umstand, dass hier eine Unternehmensgruppe vorliege, sei nicht von Bedeutung, habe doch auch ein Gruppenmitglied gemäß § 9 Abs. 6 Z 1 KStG 1988 zunächst individuell und unabhängig von der Unternehmensgruppe sein eigenes Einkommen zu ermitteln. Da überdies angesichts der Höhe des von der Zweitmitbeteiligten im Jahr 2011 erzielten Einkommens auch nach der Bestimmung des § 24a Abs. 4 Z 2 KStG 1988 keine Bedenken gegen die Zuleitung dieser aus Zeiträumen vor dem Wirksamwerden der Unternehmensgruppe stammenden Mindeststeuer an den Gruppenträger bestünden, sei der Beschwerde Folge zu geben gewesen.
11 Da zur maßgeblichen Frage des Anrechnungszeitpunkts einer verschmelzungsbedingt übergegangenen Mindestkörperschaftsteuer höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle, werde die ordentliche Revision zugelassen.
12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.
13 Die erstmitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht, die zweimitbeteiligte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Die Revision ist aus dem vom Bundesfinanzgericht aufgezeigten Grund zulässig, sie ist auch begründet.
16 Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über.
17 Nach § 96 Abs. 1 GmbH-Gesetz können Gesellschaften mit beschränkter Haftung unter Ausschluss der Abwicklung verschmolzen werden. Die Verschmelzung kann insbesondere durch Übertragung des Vermögens einer Gesellschaft oder mehrerer Gesellschaften (übertragende Gesellschaften) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere bestehende Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von Geschäftsanteilen dieser Gesellschaft (Verschmelzung durch Aufnahme) erfolgen (Z 1 leg. cit.).
18 Wenn auch zivilrechtlich die Gesamtrechtsnachfolge vorgesehen ist, so ist für die Frage des (möglichen) Überganges einer steuerrechtlichen Position aber entscheidend, ob diese Position nach Bestimmungen des materiellen Steuerrechts übertragbar ist (vgl. VwGH 15.9.2016, Ra 2015/15/0003; 20.1.2021, Ra 2020/15/0076).
19 Es ist im vorliegenden Verfahren unstrittig, dass die bisher noch nicht verrechneten Mindeststeuern iSd § 24 Abs. 4 KStG 1988 im Zuge einer dem UmgrStG unterliegenden Verschmelzung auf den Rechtsnachfolger übergehen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Rechtsansicht:
20 Zunächst ist zu bemerken, dass das UmgrStG die hier strittige Mindeststeuer nach § 24 Abs. 4 KStG 1988 nur im Rahmen der Umwandlung (Artikel II UmgrStG) behandelt. Die mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, eingefügte Bestimmung des § 9 Abs. 8 UmgrStG regelt den Zeitpunkt des Übergangs der Mindeststeuern auf die Rechtsnachfolger im Falle einer Umwandlung. Wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (72 BlgNR 20. GP 276) abzuleiten ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Mindeststeuerbeträge nach § 24 Abs. 4 KStG 1988 im Rahmen einer dem UmgrStG unterliegenden Gesamtrechtsnachfolge (bei Untergang des Rechtsvorgängers) auf den jeweiligen Rechtsnachfolger übergehen. Eine gesonderte Regelung betreffend Umwandlungen erfolgte nur deswegen, weil bei Umwandlungen auch natürliche Personen, auf die § 24 Abs. 4 KStG 1988 an sich nicht anwendbar wäre (vgl. dazu auch VwGH 31.5.2017, Ro 2016/13/0001), Rechtsnachfolger sein können (vgl. dazu näher Hohenwarter-Mayr, Rechtsnachfolge im Unternehmenssteuerrecht, 927).
21 Strittig ist im vorliegenden Verfahren, ab welchem Zeitraum diese Mindeststeuern beim Rechtsnachfolger zu berücksichtigen sind.
22 Im Falle einer Umwandlung sind diese Mindeststeuern ab dem dem Umwandlungsstichtag folgenden Wirtschaftsjahr zuzurechnen (§ 9 Abs. 8 UmgrStG).
23 Betreffend die hier vorliegende Verschmelzung enthält das Gesetz - wie bereits erwähnt - keine Regelung.
24 Gesellschaftsrechtlich geht das Vermögen der übertragenden Gesellschaft (erst) mit der Eintragung der Verschmelzung bei der übernehmenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft über (§ 225a Abs. 3 Z 1 Aktiengesetz; § 96 Abs. 2 GmbHG). Der Verschmelzungsstichtag ist (lediglich) der Tag, von dem an die Handlungen der übertragenden Gesellschaften als für Rechnung der übernehmenden Gesellschaft vorgenommen gelten (§ 220 Abs. 1 Z 5 Aktiengesetz; § 96 Abs. 2 GmbHG). Dieser Zeitpunkt ist nur im Verhältnis zwischen den beteiligten Gesellschaften von Bedeutung und entfaltet ausschließlich obligatorische Wirkung (vgl. Schindler/Brix in Straube/Ratka/Rauter, Wiener Kommentar zum GmbHG, § 96 Tz 48). Diese Bestimmung wird in dem Sinn verstanden, dass (erst) ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Tag die Geschäfte und Maßnahmen der übertragenden Gesellschaft als für Rechnung der übernehmenden Gesellschaft erfolgt gelten (vgl. neuerlich Schindler/Brix, aaO, Tz 48; vgl. auch Kofler/Six in Kofler, UmgrStG10, § 2 Tz 44: mit der Wortfolge „von dem an“ sei im Ergebnis „nach dem“ gemeint).
25 § 2 Abs. 3 UmgrStG fingiert, dass das Einkommen der übertragenden Körperschaft so zu ermitteln ist, als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des Verschmelzungsstichtages erfolgt wäre. Nach § 3 Abs. 1 Z 4 UmgrStG gilt für die übernehmende Körperschaft § 2 Abs. 3 leg. cit. mit dem Beginn des auf den Verschmelzungsstichtag folgenden Tages. Diese Regelungen für die übertragende und die übernehmende Körperschaft gewährleisten einen nahtlosen Übergang in körperschaftsteuerlicher Hinsicht (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum UmgrStG in der Stammfassung, BGBl. Nr. 699/1991, 266 BlgNR 18. GP 16 f; vgl. weiters Zöchling/Tüchler in Wundsam u.a., UmgrStG5, § 3 Tz 21). Das unter Einsatz des übergehenden Vermögens erzielte Einkommen ist somit (erst) mit dem Beginn des auf den Verschmelzungsstichtag folgenden Tages der übernehmenden Körperschaft zuzurechnen (vgl. Kofler/Six in Kofler, UmgrStG10, § 2 Tz 41). Das Vermögen wird ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Tag dem Rechtsnachfolger zugerechnet (vgl. Brandstätter/Puchner, SWK 2007, 1311 ff [1312]; vgl. weiters Hirschler/Sulz/Oberkleiner, BFGj 2018, 443 ff [446 f]: Grundsatz des Umgründungssteuerrechts, wonach der Rechtsnachfolger die übernommenen Rechtspositionen mit Beginn des dem Umgründungsstichtag folgenden Tages erwirbt).
26 Für den Übergang des vermögenswerten Anspruchs betreffend Mindeststeuern kann nichts anderes gelten. Diese Mindeststeuern standen bis zum Ablauf des Verschmelzungsstichtags der H GmbH zu. Für das mit dem Verschmelzungsstichtag endende Wirtschaftsjahr der H GmbH (§ 2 Abs. 1 UmgrStG) war eine Veranlagung nach § 24 KStG 1988 oder - wie im vorliegenden Fall - eine Feststellung nach § 24a KStG 1988 vorzunehmen, in deren Rahmen (letztmals für die H GmbH) auch eine Anrechnung der Mindeststeuern nach § 24 Abs. 4 Z 4 KStG 1988 (oder Zurechnung an das beteiligte Gruppenmitglied oder Gruppenträger nach § 24a Abs. 4 Z 2 KStG 1988) erfolgen konnte. Erst mit Beginn des auf den Verschmelzungsstichtag folgenden Tages standen diese (allenfalls durch die Anrechnung oder Zurechnung mit dem letzten Wirtschaftsjahr der H GmbH reduzierten) Mindeststeuern der Rechtsnachfolgerin (der Zweitmitbeteiligten) zu. Bei dieser waren diese Mindeststeuern daher erst im Rahmen der Veranlagung (Feststellung Gruppenmitglied) jenes Veranlagungszeitraums zu berücksichtigen, in dem jenes Wirtschaftsjahr endete (§ 7 Abs. 5 KStG 1988), in welches der Tag nach dem Verschmelzungsstichtag fiel. Im Rahmen der Veranlagung (Feststellung Gruppenmitglied) des Kalenderjahres 2011 konnten die von der H GmbH stammenden Mindeststeuern sohin bei der Zweitmitbeteiligten nicht berücksichtigt werden.
27 Soweit die Erstmitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung für ihren Standpunkt auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Dezember 1987, 87/13/0080, verweist, ist zu bemerken, dass jenes Erkenntnis noch zum Strukturverbesserungsgesetz (insoweit betreffend Verlustvorträge) ergangen ist; die dort zu behandelnde Rechtslage wurde bereits mit der Stammfassung des UmgrStG geändert (vgl. z.B. VwGH 27.6.2018, Ro 2017/15/0044, mit Hinweis auch auf die Gesetzesmaterialien). Für die hier strittige Frage des Zeitpunkts des Übergangs des Guthabens aus Mindeststeuern kann daraus nichts gewonnen werden.
28 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 8. April 2022
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021130015.J00Im RIS seit
05.05.2022Zuletzt aktualisiert am
01.06.2022