Norm
PVG §28 Abs1Schlagworte
Antragsberechtigung Dienstvorgesetzte; dienstrechtliche Verantwortung von PV; Behandlung von Anträgen auf Zustimmung zur disziplinären Verantwortung; Ausübung der PersonalvertretungsfunktionText
A 34-PVAB/21
Bescheid
Die Personalvertretungsaufsichtsbehörde (PVAB) hat durch ihre Mitglieder Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI als Vorsitzende sowie Dr.in Anita PLEYER als Vertreterin des Dienstgebers und Mag. Walter HIRSCH als Vertreter der Dienstnehmer:innen über den Antrag der Leitung (DL) der Justizanstalt *** (Antragstellerin) vom 16.10.2021, die Geschäftsführung des Dienststellenausschusses bei dieser Justizanstalt für die Bediensteten des Exekutivdienstes (DA) wegen dessen neuerlicher Untätigkeit in der Angelegenheit der Freigabe des stellvertretenden DA-Vorsitzenden A zur disziplinären Verantwortung auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen, entschieden:
Gemäß § 41 Abs. 1 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (PVG) in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und 2 PVG wird dem Antrag stattgegeben und festgestellt, dass der DA die DL in gesetzwidriger Geschäftsführung nicht umgehend von seinem Beschluss auf Freigabe vom 15.09.2021 verständigt und dadurch die disziplinäre Verantwortung seines stellvertretenden Vorsitzenden A rechtswidrig verzögert hat.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 16.10.2021 beantragte die Dienststellenleitung (DL) der Justizanstalt (JA) ***, die Geschäftsführung des DA wegen dessen neuerlicher Untätigkeit in der Angelegenheit der Freigabe seines stellvertretenden Vorsitzenden A zur disziplinären Verantwortung auf ihre Gesetzmäßigkeit zu überprüfen.
Aufgrund des Antragsvorbringens und der Stellungnahme des DA vom 4. November 2021 erachtete die PVAB folgenden Sachverhalt als erwiesen:
1. Die DL stellte an den DA am 1. Mai 2021 das Verlangen, die Freigabe von A zur dienstrechtlichen Verfolgung wegen eines Arztbesuches während der Dienstzeit zu erteilen.
2. Mit Beschluss vom 30.06.2021 verweigerte der DA seine Zustimmung zur disziplinären Verfolgung von A.
3. Auf Antrag der DL entschied die PVAB mit Bescheid vom 9. August 2021, dass dem Antrag stattgegeben werde und der DA in gesetzwidriger Geschäftsführung seine Zustimmung zur disziplinären Verfolgung seines stellvertretenden Vorsitzenden A verweigert hatte, weshalb der Beschluss des DA vom 30.06.2021 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben wurde.
4. Dieser Bescheid der PVAB wurde dem DA am 07.09.2021 zugestellt.
5. In seiner darauffolgenden nächsten Sitzung vom 15.09.2021 beschloss der DA, der Freigabe von A zuzustimmen.
6. Am 27.09.2021 richtete A ein E-Mail an die DL mit dem Betreff „Info an die DL Sitzung vom 15.09.2021“, das nur zwei Punkte (Versetzung B und einmalige Geldaushilfe C) aus dieser DA-Sitzung enthielt, mitten im Text abgebrochen wurde und von A auch nicht mit seinem Namen und seiner Paraphe abgeschlossen bzw. gezeichnet wurde.
7. Lt. E-Mail von A an die DL vom 20.10.2021 habe er das E-Mail am 27.09.2021 aus ihm nicht erklärbaren Gründen nur unvollständig abgeschickt, wofür er sich entschuldigte. Dieses E-Mail an die DL enthielt folgende Angaben:
? Kollege D, Freigabe nach § 28 PVG (Protokoll vom 15.09.2021)
? Kollege A, Freigabe nach § 28 PVG (Protokoll vom 15.09.2021).
8. Mit E-Mail vom selben Tag (20.10.2021) fragte die DL, ob es sich dabei um die für beide Personen erteilte Freigabe handle, was leider aus dem Text des E-Mails nicht erkennbar wäre.
9. Mit E-Mail vom selben Tag (20.10.2021) an die DL stellte A klar, dass es sich bei D, der kein DA-Mitglied sei, nur um eine Mitteilung handle, während er (A) vom DA zur disziplinären Verfolgung freigegeben worden sei.
10. Der Antrag der DL vom 16.10.2021 bezog sich nur auf die neuerlich verweigerte Freigabe von A. Zur Freigabe von D langte am 28.10.2021 ein eigener Antrag der DL bei der PVAB ein, der unter einer eigenen Geschäftszahl in Bearbeitung genommen wurde.
Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen wurden den Parteien des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2021 zur Kenntnisnahme übermittelt und ihnen Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen. Unter einem wurde darauf hingewiesen, dass für den Fall keiner Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist angenommen werde, es bestünden keine Einwände gegen den festgestellten Sachverhalt.
Die Antragstellerin hat in ihrer fristgerecht eingebrachten Stellungnahme vom 14. Dezember 2021 die Sachverhaltsfeststellungen der PVAB nicht bestritten. Zu Pkt. 5 des Sachverhalts ergänzte sie, dass der DA bereits am 26.08.2021 den Bescheid der PVAB vom 9. August 2021, mit dem der die Freigabe verweigernde Beschluss des DA aufgehoben wurde, zur Kenntnis nehmen (sowohl A als auch E waren im Dienst) und sofort eine Sitzung zur Freigabe von A abhalten hätte müssen. Dazu ist festzustellen, dass lt. Rückschein der Bescheid der PVAB erst am 07.09.2021 vom DA übernommen wurde, was auch von der DL in ihrer Stellungnahme festgehalten wurde, also der DA erst ab diesem Zeitpunkt rechtlich dazu verpflichtet war, den der Rechtsansicht der PVAB entsprechenden Zustand ohne Aufschub herzustellen.
Der DA hat innerhalb der ihm gesetzten Frist keine Stellungnahme zu den Sachverhaltsfeststellungen übermittelt, weshalb davon auszugehen ist, dass aus seiner Sicht keine Einwände dagegen bestehen.
Der Sachverhalt steht somit fest.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 41 Abs.1 PVG sind antragsberechtigt an die PVAB u.a. Personen, die die Verletzung ihrer Interessen durch gesetzwidrige Geschäftsführung eines PVO behaupten.
Nach ständiger Rechtsprechung der Personalvertretungsaufsicht gehören auch die unmittelbar oder mittelbar zur Dienstaufsicht berufenen Vorgesetzten, die an der Erstattung einer Disziplinaranzeige gehindert sind, weil das PVO seine Zustimmung nach § 28 Abs. 2 PVG verweigert, zu jenen Personen, deren Rechte durch gesetzwidrige Geschäftsführung des zuständigen PVO verletzt sein können (Schragel, PVG, § 41, Rz 21; PVAK 17.02.1981, A 41-PVAK/80; PVAB 07.05.2019, A 13-PVAB/19, jeweils mwN).
Der stellvertretende DA-Vorsitzende A ist Bediensteter der JA und die DL beabsichtigte, ihn wegen des Verdachts auf Dienstpflichtverletzung seiner dienstrechtlichen Verantwortung zuzuführen. Die Antragslegitimation der Dienststellenleitung ist gegeben.
Gemäß § 28 Abs. 1 PVG dürfen Personalvertreter:innen wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Ausschusses, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Gemäß § 28 Abs. 2 PVG hat der Ausschuss die Zustimmung zu erteilen, wenn die seinem Mitglied vorgeworfenen Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung der Funktion als Personalvertreter:in erfolgt sind.
Die Prüfung durch das zuständige PVO hat sich auf die Frage zu beschränken, ob das den betroffenen Personalvertreter:innen vorgeworfene Verhalten, die Wahrheit des jeweiligen Vorwurfs vorausgesetzt, in Ausübung der Funktion als Personalvertreter:in gesetzt wurde oder nicht. Die anderen Umstände zu beurteilen ist allein Aufgabe der zuständigen Dienstgeberorgane (PVAK 17.04.2001, A 21-PVAK/01; PVAB 26.08.2014, A 11-PVAB/14; PVAB 8.03.2016, A 6-PVAB/16, jeweils mwN).
Über die Zustimmung zur dienstrechtlichen Verfolgung oder deren Verweigerung haben allein die PVO Beschluss zu fassen, denen die betroffenen Personalvertreter:innen angehören. Verweigern diese Ausschüsse die Zustimmung und halten die DL diese Weigerung für gesetzwidrig, kann die Aufhebung des Beschlusses durch die PVAB beantragt werden.
Die PVAB kann einen gesetzwidrigen Beschluss beheben, nicht aber die gesetzwidrige Verweigerung der Zustimmung ersetzen. An die rechtskräftige Rechtsansicht der PVAB ist das PVO aber gebunden; es hat sodann umgehend einen Beschluss in diesem Sinn zu fassen und der:dem DL mitzuteilen. Das PVO verhält sich gesetzwidrig, wenn es einen solchen Beschluss nicht fasst (Schragel, PVG, § 41 Rz 28; PVAK 17.04.2001, A 21-PVAK/01; PVAB 07.05.2019, A13-PVAB/19, jeweils mwN).
Im vorliegenden Fall gab die PVAB dem Antrag der DL mit Bescheid vom 9. August 2021 statt und stellte fest, dass der DA in gesetzwidriger Geschäftsführung seine Zustimmung zur disziplinären Verfolgung seines stellvertretenden Vorsitzenden A verweigert hatte, weshalb der die Freigabe verweigernde Beschluss des DA vom 30.06.2021 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben wurde.
Dieser Bescheid der PVAB wurde dem DA am 07.09.2021 zugestellt. In seiner darauffolgenden nächsten Sitzung vom 15.09.2021 beschloss der DA, der Freigabe von A zuzustimmen. Nach der Rechtsprechung der Personalvertretungsaufsicht hat das PVO, das um Freigabe eines Mitglieds zur disziplinären Verantwortung ersucht wird, die Erklärung iSd § 28 PVG ohne Aufschub abzugeben.
Der Vorsitzende des DA hat die Angelegenheit demnach auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen bzw. wenn eine solche nicht bevorsteht, ehestens eine eigene Sitzung einzuberufen (Schragel, PVG, § 28 Rz 10, mwN; PVAK 11.12.2008, A 12-PVAK/08).
Diesen rechtlichen Vorgaben entsprach der DA, indem er nach Erhalt der Entscheidung der PVAB (zugestellt am 07.09.2021) in seiner darauffolgenden nächsten Sitzung (15.09.2021) binnen acht Kalendertagen die Freigabe seines stellvertretenden Vorsitzenden A zur disziplinären Verantwortung entsprechend der Rechtsansicht der PVAB beschloss.
Dass A die DL von diesem Freigabebeschluss des DA aber erst am 20.10.2021, also fünf Wochen später, in Kenntnis setzte, erfolgte ohne Zweifel nicht ohne Aufschub, sondern in gesetzwidriger Geschäftsführung deutlich später.
Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass A am 27.09.2021 versehentlich ein nur unvollständiges E-Mail an die DL abschickte (das im Übrigen selbst vollständig abgeschickt auch schon verspätet gewesen wäre), wofür er sich bei der DL im Nachhinein entschuldigte, weil die PVAB zu prüfen hat, ob objektive Rechtsverletzungen die Geschäftsführung von Personalvertretungsorganen (PVO) belasten.
Nach § 41 Abs. 1 PVG ist die PVAB für die Aufsicht über die Geschäftsführung der PVO und nicht für die Aufsicht über die Geschäftsführung einzelner Personalvertreter:innen zuständig.
Für die Prüfung der Geschäftsführung einzelner Personalvertreter:innen ist die PVAB aber dann zuständig, wenn der:die Personalvertreter:in für das Kollegialorgan zu handeln hatte oder gehandelt hat, weil diese Handlungen für das PVO dem PVO als Kollegialorgan zuzurechnen sind. Es steht außer Zweifel, dass der stellvertretende DA-Vorsitzende A die Information der DL über den Freigabebeschluss des DA vom 15.09.2021 für das Kollegialorgan abzugeben hatte, weshalb diese Handlung bzw. Unterlassung dem DA zurechenbar ist und das Verhalten von A der Prüfung durch die PVAB unterliegt.
Im hier zu beurteilenden Fall hat der DA nach der Entscheidung der PVAB zwar ohne Aufschub den Beschluss gefasst, der disziplinären Verantwortung seines stellvertretenden Vorsitzenden A zuzustimmen, aber A diese Entscheidung des DA der DL nicht ohne Aufschub der DL kommuniziert, sondern erst fünf Wochen nach der entsprechenden Beschlussfassung des DA. Mit dieser Geschäftsführung, die dem DA als Kollegialorgan zuzurechnen ist, hat A als stellvertretender DA-Vorsitzender die disziplinäre Verantwortung seiner Person entgegen den Vorgaben des PVG verzögert und damit die Geschäftsführung des DA als Kollegialorgan mit Gesetzwidrigkeit belastet.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 22. Dezember 2021
Die Vorsitzende:
Sektionschefin i.R. Prof.in Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:PVAB:2021:A34.PVAB.21Zuletzt aktualisiert am
04.05.2022