TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/30 96/06/0047

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Veröffentlicht am 30.05.1996
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Tir 1989 §30 Abs1;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §4 Abs2;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft Z in X, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. August 1995, Zl. Ve1-550-2329/1-1, betreffend Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. J in I, 2. Gemeinde Scharnitz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhalt mit dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 23. Jänner 1994 wurde dem Erstmitbeteiligten die Baubewilligung für ein Gebäude auf dem Grundstück Nr. 793, KG X, erteilt. Es handelt sich dabei um die nachträgliche Baubewilligung für ein ebenerdiges Kleinwohngebäude, das eine Höhe von 2,70 m und an den Seiten eine Höhe von 1,90 m aufweist. Die Entfernung zur Grenze des Grundstückes Nr. 755/2 der Beschwerdeführerin beträgt zwischen 65 m und 110 m.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß ihr als Nachbar Parteistellung zukomme und ihre Rechte auf Vorhandensein einer rechtlich gesicherten Verbindung mit der öffentlichen Verkehrsfläche sowie auf entsprechende Wasser- und Abwasserbeseitigung samt Energieversorgung verletzt würden. Weiters wurde auf ein laufendes Baupolizeiverfahren, Mängel in der Flächenwidmung sowie auf die exponierte Lage im Freiland (Naturschutzgebiet Karwendel) hingewiesen. Behauptet wurde auch eine Verfassungswidrigkeit der nachträglichen Genehmigung auf Grundlage des herangezogenen Gesetzes über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Gebäuden im Freiland, LGBl. Nr. 11/1994. Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Scharnitz vom 11. Mai 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Baubewilligungsbescheid vom 23. Jänner 1994 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, daß sowohl aufgrund des Wortlautes des § 35 Abs. 7 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes (TFLG) als auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen sei, daß für eine zulässige Berufung ein entsprechender Beschluß des hieführ zuständigen Kollegialorganes der Agrargemeinschaft innerhalb der Berufungsfrist hätte gefaßt werden müssen. Da ein derartiger Beschluß trotz ausdrücklicher Aufforderung und neuerlicher Fristerstreckung nicht vorgelegt worden sei, sei davon auszugehen, daß ein entsprechender Beschluß nicht vorliege. Zudem sei das Vorliegen eines derartigen Beschlusses in der Berufung auch gar nicht behauptet worden. Überdies müsse die Baubehörde auch bei materieller Beurteilung der Berufung zu dem Ergebnis kommen, daß einerseits die zur Begründung der Parteistellung als Nachbar erforderlichen räumlichen Naheverhältnisse im Sinne des § 30 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung nicht gegeben seien und zudem Fragen der rechtlich gesicherten Verbindung mit der öffentlichen Verkehrsfläche, der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung kein Mitspracherecht der Nachbarn begründeten.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 4. August 1995 abgewiesen und im wesentlichen dieselbe Rechtsansicht wie die Berufungsbehörde geäußert, wonach einerseits die Beschlußfassung über die Einbringung der Berufung nicht vorgelegen sei und andererseits eine Nachbarstellung wegen der großen Entfernung des Bauvorhabens zur Grenze des Grundstückes der Beschwerdeführerin

(65 m - 110 m) nicht in Betracht komme.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 28. November 1995, B 2969/95-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob der Beschluß, den die Beschwerdeführerin im Jahre 1981 gefaßt hat, einen Rechtsvertreter zu beauftragen, auf "den Abbruch" (des nunmehr verfahrensgegenständlichen Kleingebäudes) "zu dringen" auch als Beschluß im Sinne des § 35 Abs. 7 TFLG zu werten ist, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Jänner 1994 betreffend die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung für dieses Gebäude die Berufung einzubringen. Schon die Gemeinde hat die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Baubewilligungsbescheid aus zwei Gründen zurückgewiesen, einerseits wegen des mangelnden Beschlusses betreffend die Erhebung der Berufung und andererseits wegen der mangelnden Parteistellung im Hinblick auf die Entfernung des Bauvorhabens zum Grundstück der Beschwerdeführerin.

Unbestritten ist, daß die Entfernung zur Grenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin zwischen 65 m und 110 m beträgt und es sich um ein Kleinwohngebäude mit einer Höhe von 2,70 m an der dem Grundstück der Beschwerdeführerin zugewandten Gebäudefront handelt, das an den Seiten sogar nur eine Höhe von 1,90 m aufweist.

Gemäß § 30 Abs. 1 Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Dem Grundeigentümer ist der Bauberechtigte bleichgestellt.

Bei der Beurteilung der Parteistellung ist wesentlich, ob je nach Größe und Art des Bauvorhabens Auswirkungen auf das Nachbargrundstück zu erwarten sind, wobei die Entfernung, welche noch eine Stellung als Nachbar einräumt, unter anderem von der Höhe des Gebäudes und von den vom Projekt zu erwartenden Immissionen abhängt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 15. September 1983, Zl. 83/06/0093, BauSlg. Nr. 89, ausgesprochen, daß auch ein 30 m vom Bauprojekt entferntes Grundstück bei einer entsprechenden Höhe des Bauvorhabens oder entsprechenden Immissionen noch die Parteistellung des Grundeigentümers als Nachbar verschaffen könne. In seinem Erkenntnis vom 30. April 1992, Zl. 92/06/0042, hat der Verwaltungsgerichtshof die Nachbarstellung von Beschwerdeführern, deren Grundstück vom Bauobjekt 40 m entfernt war, wobei das Objekt eine Baumasse von 48 m3 umfaßte und eine Giebelhöhe von 5,40 m aufwies, aufgrund der Baumasse und Gebäudehöhe verneint; daß durch diese bauliche Anlage oder deren Benützung mit Immissionen auf das Grundstück der Beschwerdeführer zu rechnen sei, haben diese im damaligen Beschwerdefall nicht vorgebracht, derartige Rückwirkungen waren aber auch fallbezogen auszuschließen.

Im gegenständlichen Fall handelt es sich ebenfalls um ein kleines Gebäude, das vom Grundstück der Beschwerdeführerin aber noch weiter entfernt ist, als jenes, das dem Erkenntnis vom 30. April 1992 zugrundelag. Daß aus der Benützung des Bauobjektes Immissionen auf das Grundstück der Beschwerdeführerin zu erwarten seien, hat diese nicht einmal behauptet.

Frei von Rechtsirrtum ist daher schon die Gemeindebehörde davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführerin die Parteistellung im verfahrensgegenständlichen Bauverfahren nicht zugekommen ist. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß den Nachbarn aus den Bestimmungen des § 4 Abs. 2 TBO keine subjektiv-öffentlichen Rechte erwachsen (vgl. die bei Hauer, Tiroler Baurecht, 2. Auflage auf Seite 74 E 11 zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Da somit schon die Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Baurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996060047.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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