Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch Mag. Wolfgang N. Zacherl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Marschall & Heinz Rechtsanwalts-Kommanditpartnerschaft in Wien, wegen 35.461,33 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse [richtig]: 14.378,30 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2021, GZ 11 R 150/21s-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Juni 2021, GZ 53 Cg 23/19w-34, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.017,90 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 169,65 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrt mit ihrer am 29. 3. 2019 eingebrachten und dem Beklagten am 10. 4. 2019 zugestellten Pflichtteilsklage die Zahlung von 35.461,33 EUR sA.
[2] Der Beklagte bestreitet und wendet mit am 9. 9. 2019 vorgetragenem Schriftsatz vom 18. 6. 2019 einen ihm aus einem Vorprozess gegen die Klägerin zustehenden Kostenersatzanspruch von 10.600 EUR compensando gegen eine allenfalls zu Recht bestehende Klageforderung ein. Er bringt weiters vor, dass die Klägerin wegen exekutiver Pfändung ihres Pflichtteilsanspruchs nicht mehr berechtigt sei, über die Klageforderung zu verfügen.
[3] Mit Antrag vom 10. 9. 2019 beantragte der Beklagte zur Hereinbringung seiner Kostenforderung die Exekution durch Pfändung des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin. Das Exekutionsgericht bewilligte am 19. 9. 2019 die Exekution durch (das am 30. 9. 2019 zugestellte) Zweitverbot hinsichtlich einer vollstreckbaren Forderung von 10.647,20 EUR.
[4] Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 24.978,30 EUR und die Gegenforderung mit 10.600 EUR zu Recht besteht. Es gab dem Klagebegehren daher mit 14.378,30 EUR sA statt – wobei es im Umfang von 47,20 EUR nicht zur Zahlung, sondern zum gerichtlichen Erlag verurteilte – und wies ein Mehrbegehren von 10.483,03 EUR sA unbekämpft ab (rechnerisch richtig wäre die Abweisung eines Mehrbegehrens von 21.083,03 EUR sA gewesen).
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Die Zustellung der Exekutionsbewilligung sei erst nach Einklagung der (später) gepfändeten Forderung erfolgt. In einem solchen Fall sei die Rechtslage umstritten, wobei das Berufungsgericht der Ansicht folge, dass § 234 ZPO anzuwenden sei. Der Einwand fehlender Aktivlegitimation gehe daher ins Leere.
[6] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur umstrittenen Frage fehle, ob der Verpflichtete, dessen Forderung gepfändet und überwiesen worden sei und der noch vor Zustellung des Zahlungs- bzw Zweitverbots die Forderung eingeklagt habe, weiterhin klagslegitimiert sei.
[7] Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinn einer gänzlichen Klageabweisung; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
[8] Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[9] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig, weil gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur im Revisionsverfahren einzig zu klärenden Rechtsfrage vorliegt.
[10] Der Beklagte befasst sich in der Revision ausschließlich mit der Frage, ob im vorliegenden Fall § 234 ZPO anzuwenden sei. Er argumentiert, dass die exekutive Pfändung einer Forderung keine Veräußerung iSd § 234 ZPO darstelle. Zur Beurteilung der Aktivlegitimation der Klägerin sei allein auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung abzustellen.
Dazu hat der erkennende Senat erwogen:
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. § 234 ZPO stellt nach der herrschenden Irrelevanztheorie insofern eine Ausnahme gegenüber § 406 ZPO dar, als für die Frage der Aktivlegitimation und Passivlegitimation der Zeitpunkt der Streitanhängigkeit entscheidet; für die anderen Entscheidungsgrundlagen bleibt es bei der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Schlusses der Verhandlung der Tatsacheninstanz (RS0109183).
[12] 2. Eine Forderungspfändung im laufenden Verfahren, die erst nach Eintritt der Streitanhängigkeit erfolgt, berührt die Sachlegitimation der klagenden Partei gemäß § 234 erster Satz ZPO nicht. Diese Bestimmung findet nämlich auf jede Art von Einzelrechtsübertragung während des Prozesses Anwendung, daher auch auf die exekutive Überweisung von Forderungen nach §§ 303 ff EO (RS0003959 [T2]; RS0039231 [T4]). Im Umfang des an den Überweisungsgläubiger überwiesenen Teilbetrags ist (allenfalls auch von Amts wegen) statt auf Zahlung an die klagende Partei auf Gerichtserlag zu erkennen (1 Ob 121/17a Punkte 7. und 8. mwN).
[13] 3. Die vom Berufungsgericht angenommene umstrittene Rechtslage besteht vor diesem Hintergrund nicht (mehr). Vielmehr liegt zur Frage der Anwendbarkeit des § 234 ZPO (auch) im Fall der exekutiven Überweisung von Forderungen jedenfalls seit der Entscheidung 2 Ob 509/96 eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor (6 Ob 89/03m [obiter], 7 Ob 49/08v [obiter], 1 Ob 253/11d [obiter], 1 Ob 121/17a; vgl Klicka in Fasching/Konecny3 III/1 § 234 ZPO Rz 7: Anwendbarkeit des § 234 ZPO wird „von der neueren Lehre und Rechtsprechung bejaht“). Dass im – hier vorliegenden – Fall der Erlassung eines Zweitverbots nichts anderes gilt, hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 1 Ob 464/58 betont.
[14] 4. Da somit die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage bereits durch gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (im Sinn der Entscheidungen der Vorinstanzen) geklärt ist und der Beklagte keine Argumente aufzeigt, die eine neuerliche Prüfung dieser Rechtsfrage angezeigt erscheinen ließen, war die Revision zurückzuweisen.
[15] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Der in erster Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt steht einer Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (RS0129365 [T3]; 5 Ob 196/19p). Der Zuschlag nach § 23a RATG für eine Revisionsbeantwortung beträgt nur 2,10 EUR (vgl RS0126594). Da sich der Beklagte in seiner Revision im Ergebnis ausschließlich gegen die Stattgebung des Zahlungsbegehrens im Umfang von 14.378,30 EUR sA wendet, war auch nur dieser Betrag als Bemessungsgrundlage für die Revisionsbeantwortung heranzuziehen.
Textnummer
E134604European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00022.22G.0316.000Im RIS seit
04.05.2022Zuletzt aktualisiert am
04.05.2022