TE Vwgh Erkenntnis 1985/9/20 85/18/0307

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Veröffentlicht am 20.09.1985
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Index

StVO
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §11 Abs1
StVO 1960 §18 Abs1
VStG §44a lita
VStG §44a Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schieferer, über die Beschwerde des OP in B, vertreten durch Dr. Herbert Neuhauser Rechtsanwalt in Wien I, Schubertring 3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. März 1985, Zl. MA 70-X/P 3/85/Str., in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 18. Juli 1985, Zl. MA 70-XI/P 99/85/Str., betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 7. Jänner 1984 um 16.30 Uhr „in Wien 10., bzw. in Wien 11.“, auf der Südosttangente vor der Ausfahrt Landstraße als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeuges

1. nicht stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, da er bei einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h nur ungefähr ein bis zwei Meter Abstand zum unmittelbar vor ihm fahrenden Kraftfahrzeug eingehalten habe, und ...

3. habe er anschließend sich nicht davon überzeugt, daß der Wechsel des Fahrstreifens vom äußersten linken in den mittleren Fahrstreifen ohne Gefährdung und Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei, weil der Lenker eines anderen Fahrzeuges durch den Fahrstreifenwechsel des Beschwerdeführers zum unvermittelten Abbremsen und Ablenken seines Fahrzeuges genötigt worden sei, um einen Verkehrsunfall zu vermeiden. Durch die Anführung der Punkte 1 und 3 unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Straferkenntnis wurde der Tatbestand nach Pkt. 1 dem Delikt nach § 11 Abs. 1, der Tatbestand nach Pkt 3 dem Delikt nach § 18 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) zugeordnet. Hinsichtlich des - hier nicht verfahrensgegenständlichen - Deliktes zu Punkt 2 wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde unter anderem als Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht, der Tatort sei ungenügend umschrieben.

Mit Verfügung vom 25. Juni 1985 stellte der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde zunächst anheim, hinsichtlich der Zuordnung der beiden oben genannten Tatbestände zu den oben genannten Übertretungen mit einer Berichtigung des Berufungsbescheides gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) vorzugehen, sofern die Voraussetzungen für eine solche Berichtigung vorliegen.

Zu der in der Beschwerde erhobenen Rüge, der Tatort sei ungenügend umschrieben, war der Verwaltungsgerichtshof, in der sich auf § 35 Abs. 2 VwGG stützenden Verfügung vorläufig folgender Rechtsansicht:

Bei genügend umschriebenem Tatort wäre die irrige Zuweisung des Tatortes zu einem Wiener Gemeindebezirk an sich unschädlich (vgl. Erkenntnis vom 12. Oktober 1984, Zl. 84/02/0096). Im vorliegenden Fall scheint allerdings die Unsicherheit darüber, in welchem Wiener Gemeindebezirk der Tatort gelegen sei, auf die Unsicherheit der Umschreibung des Tatortes an sich zurückzugehen. Die Wendung „auf der Südosttangente vor der Ausfahrt Landstraße“ lasse nämlich gänzlich offen, in welcher Entfernung vor der genannten Ausfahrt sich die Tat zugetragen haben soll. Der Verwaltungsgerichtshof wies diesbezüglich auf seine Rechtsprechung hin, wonach Z.B. eine Tatortumschreibung „in Wien 13, Schönbrunner Schloß Straße nach der Kennedybrücke in Richtung Stadt“ in Ansehung der Übertretung nach § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 ungenügend ist (Erkenntnis vom 9. Dezember 1983, Zl. 81/02/0370); im Erkenntnis vom 25. März 1985, Zl. 85/18/0178, wurde dargetan, daß dem Worte „nach“ überhaupt keine räumliche Abgrenzung entnommen werden könne, dies im Unterschied zum Worte „nächst“, welches ein enges räumliches Naheverhältnis herstelle. Die gleichen Erwägungen müßten aber hinsichtlich des im gegenständlichen Fall verwendeten Wortes „vor“ gelten. Der Tatort könnte somit im Sinne des § 44 a lit. a VStG 1950 ungenügend umschrieben sein.

Auf Grund dieser Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ging die belangte Behörde zunächst mit der erwähnten Berichtigung mit Bescheid vom 18. Juli 1985 vor. Der Berufungsbescheid vom 11. März 1985 habe in seinem Spruch zu lauten:

„Vor der Ausfahrt Landstraße als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen W nnn 1.) nicht stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, da er bei einer Geschwindigkeit von 70 - 80 km/h nur ungefähr 1 bis 2 Meter Abstand zum unmittelbar vor ihm fahrenden Kraftfahrzeug eingehalten hat, und 3.) anschließend sich nicht davon überzeugt, daß der Wechsel des Fahrstreifens vom äußerst linken in den mittleren Fahrstreifen ohne Gefährdung und Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, weil der Lenker eines anderen Fahrzeuges (Aufforderer) durch den Fahrstreifenwechsel des Berufungswerbers zum unvermittelten Abbremsen und Ablenken seines Fahrzeuges genötigt wurde, um einen Verkehrsunfall zu vermeiden und dadurch Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 18 Abs. 1 und 3.) nach § 11 Abs. 1 StVO 1960 begangen.

Zu Punkt 2) wird das angefochtene Straferkenntnis jedoch gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 behoben.

Dem Berufungswerber wird gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 70,-- zu Punkt 1) und von S 70,-- zu Punkt 3), insgesamt S 140,-- auferlegt, jedoch wird gemäß § 65 VStG 1950 ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu Punkt 2) nicht vorgeschrieben.“

In der Äußerung vom 18. Juli 1985 vertrat die belangte Behörde die Ansicht, aus dem Akteninhalt gehe hervor, daß es sich beim Tatort um jenen Teil der Südosttangente handle (in der Skizze rot eingezeichnet), welcher von der Bezirksgrenze vom 10. zum 11. Wiener Gemeindebezirk bis zur Abfahrt in den 3. Wiener Gemeindebezirk „Landstraße“ reiche. In diesem Bereich, welcher laut Maßstab eine Länge von zirka 600 m aufweise, seien der Pkw des Beschwerdeführers und der des Anzeigelegers mit zirka 80 km/h gefahren. Auf diesem Straßenstück habe nun der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der gefahrenen Geschwindigkeit die Verwaltungsübertretungen nach § 11 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 StVO begangen. Angesichts einer Geschwindigkeit von zirka 20 bis 22 m/sec können nach Ansicht der belangten Behörde auf einer Strecke von zirka 600 m der Gesamtablauf der angelasteten Taten einen maximalen Zeitaufwand von zirka 30 bis 50 sec in Anspruch genommen haben. Die Verwaltungsübertretungen hätten sich im Bereich des Endes der Einfahrt Favoriten bis kurz vor der Ausfahrt in den Bezirk Landstraße „abgespielt“. Da die Abbiegespur in den 3. Wiener Gemeindebezirk bereits ab der noch nicht geöffneten Einmündung Simmering beginne, sei der Tatort, der nicht in einem Punkt, sondern in einer Wegstrecke bestehe, genügend umschrieben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch den Berichtigungsbescheid der belangten Behörde vom 18. Juli 1985 ist zwar die fehlerhafte Zuordnung der verletzten Verwaltungsvorschriften zu den festgestellten Tatbeständen beseitigt worden, der ursprüngliche angefochtene Bescheid vom 11. März 1985 jedoch insoweit an dem Rechtsbestand beseitigt worden, als der Satzteile „Der Beschuldigte OP hat am 7. 1. 1984, um 16.30 Uhr, in Wien 10., bzw. in Wien 11., auf der Südosttangente“ ganz weggefallen ist. Dies ergibt sich aus der Fassung des Berichtigungsbescheides, der den berichtigten Spruch mit den Worten „Vor der Ausfahrt Landstraße ...“ beginnen läßt. Dies wieder bewirkt, daß dem angefochtenen Bescheid nunmehr die Angaben über den Täter, die Tatzeit, über den Ort der Tat Wien, über die Wiener Gemeindebezirke, in denen die Tat begangen wurde und über die Straße, auf der die Tat begangen wurde, fehlen. Dies allein bewirkt in Anbetracht der Vorschrift des § 44 a lit. a VStG 1950 Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Im übrigen vermag die Äußerung der belangten Behörde den Verwaltungsgerichtshof nicht von der Unrichtigkeit seiner vorläufigen, in der Verfügung vom 25. Juni 1985 ausgedrückten Rechtsansicht zu überzeugen.

Während im erstinstanzlichen Straferkenntnis der Tatort unter anderem durch die Wendung „kurz vor der Ausfahrt Landstraße“ umschrieben war, findet sich das Wort „kurz“ nicht im angefochtenen Bescheid. Die Äußerung der belangten Behörde vermag daher, was die Umschreibung des Tatortes anlangt, sich wohl auf Aktenteile zu stützen, nicht aber auf den in Verbindung mit der Begründung allein maßgebenden Spruch des (wenn auch unberichtigten) Berufungsbescheides, weil es dort hieß: „auf der Südosttangente vor der Ausfahrt Landstraße“. Eine solche Tatortumschreibung erscheint dem Verwaltungsgerichtshof aus den bereits in der Verfügung vom 25. Juni 1985 genannten Gründen ungenügend.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß §§ 35 Abs. 2, 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 20. September 1985

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1985:1985180307.X00

Im RIS seit

03.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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