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68 Invalideneinstellung, sonstiges SozialrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung des im BEinstG vorgesehenen besonderen Kündigungsschutzes für begünstigte Behinderte infolge UmwegzumutbarkeitSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Unter Bezugnahme auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG begehrt die Antragstellerin die Aufhebung des §8 Abs2 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. 22/1970 idF BGBl. 313/1992, wegen Verstoßes gegen Art18 Abs1 B-VG. Die angefochtene Bestimmung sieht einen - insbesondere vom allgemeinen Kündigungsschutz des für im Verfahren vor dem Behindertenausschuß für nicht anwendbar erklärten §105 Abs2 bis 6 ArbVG abweichenden - besonderen Kündigungsschutz für begünstigte Behinderte vor.
Die Antragstellerin ist Arbeitgeberin eines begünstigten Behinderten und beabsichtigt, diesen zu kündigen. Sie begründet ihre Antragslegitimation im wesentlichen damit, daß die Einleitung eines Verfahrens vor dem Behindertenausschuß kein zumutbarer Weg sei, die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §8 Abs2 BEinstG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, weil mangels gesetzlich umschriebener Kündigungsgründe keine wirklich zuverlässige und zumutbare Möglichkeit bestehe, jene Tatsachen zu behaupten und vorzubringen, die eine Zustimmung des Behindertenausschusses bewirken könnten, durch die Einleitung eines solchen Verfahrens aber das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls schwerstens erschüttert werde.
II. Der Antrag ist unzulässig.
Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).
Wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist der Rechtsstreit um ein Privatrecht, in dem die als verfassungswidrig angesehene Gesetzesbestimmung anzuwenden ist, im allgemeinen durchaus zumutbar (vgl. zB VfSlg. 8552/1979, 9394/1982, 9685/1983, 9926/1983, 10785/1986, 10877/1986 und 12684/1991). Wollte man allein deswegen, weil ein Vertragspartner von den Absichten und Bestrebungen des anderen durch Beschreiten des vorgesehenen (Zivil- oder Verwaltungs-)Rechtsweges Kenntnis erlangt, die Beschreitung dieses Weges für unzumutbar ansehen, so würde damit nicht nur der gezielte Ausschluß des potentiellen Gegners von der Erörterung der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes ermöglicht, sondern verlöre die in Art140 Abs1 B-VG enthaltene Einschränkung "... ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides" ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich. Die Antragstellerin bringt auch keine besonderen Umstände vor, die diesen Weg - wie etwa in den Fällen VfSlg. 8212/1977 und 8396/1978 - in ihrem Fall unzumutbar erscheinen ließen (vgl. auch VfSlg. 8979/1980).
Der Antrag ist daher mangels Legitimation zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG).
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Behinderteneinstellung, Arbeitsrecht, Kündigungs- und EntlassungsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G95.1994Dokumentnummer
JFT_10059380_94G00095_00