TE Vwgh Beschluss 2022/4/1 Ra 2020/07/0116

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Veröffentlicht am 01.04.2022
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Index

L66502 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke Flurbereinigung Kärnten
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
FlVfLG Krnt 1979 §51
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des F O in D, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 16. September 2020, KLVwG-S4-1365-1366/21/2019, betreffend Minderheitsbeschwerde in einer Angelegenheit einer Agrargemeinschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Amt der Kärntner Landesregierung, Agrarbehörde Kärnten; mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft N und G in D), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber ist als Eigentümer einer Stammsitzliegenschaft Mitglied der mitbeteiligten Agrargemeinschaft (im Folgenden: Agrargemeinschaft). Die Agrargemeinschaft ist Mitglied einer Bringungsgemeinschaft, deren Zweck die Errichtung, Ausgestaltung und Erhaltung des Almaufschließungsweges G II ist.

2        Mit Beschluss vom 11. März 2017 stimmte die Vollversammlung der Agrargemeinschaft mehrheitlich der Verlängerung des Almaufschließungsweges G II um etwa 400 m und der Tragung der Kosten dieses Projektes entsprechend des Anteils der Agrargemeinschaft an der Bringungsgemeinschaft zu. Der Revisionswerber stimmte gegen diesen Beschluss.

3        In seiner gegen diesen Beschluss erhobenen Minderheitsbeschwerde brachte der Revisionswerber vor, die Verlängerung des Almaufschließungsweges G II stehe mit einer zweckmäßigen und nachhaltigen Verwendung des Vermögens der Agrargemeinschaft nicht in Einklang. Der Vollversammlung seien vor Beschlussfassung keine ausreichenden Informationen hinsichtlich des Projektes - insbesondere hinsichtlich der Abschätzung von Kosten und Nutzen - gegeben worden.

4        Das Amt der Kärntner Landesregierung als Agrarbehörde wies die Minderheitsbeschwerde des Revisionswerbers mit Bescheid vom 9. Mai 2019 als unbegründet ab.

5        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

6        Das Verwaltungsgericht stellte fest, in der Vollversammlung vom 11. März 2017 seien den Mitgliedern der Agrargemeinschaft anhand eines Luftbildes der Verlauf der geplanten Verlängerung des Almaufschließungsweges G II um etwa 400 m gezeigt und eine Kostenschätzung vorgelegt worden, die plausibel gewesen sei. Dem von der Agrargemeinschaft zu tragenden Anteil an den Kosten des Projekts von etwa € 2.000,- stünde als Nutzen tatsächlich eine Erleichterung der Bewirtschaftung der Almflächen der Agrargemeinschaft gegenüber. Die Kosten könnten von der Agrargemeinschaft aus ihrem vorhandenen Barvermögen von etwa € 21.000,- getragen werden.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, der Verwaltungsgerichtshof habe zum Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996) ausgesprochen, dass ein Beschluss so konkret sein müsse, dass den Mitgliedern einer Agrargemeinschaft eine Beurteilung der aufgebürdeten Leistungen bzw. Pflichten ermöglich werde (Hinweis auf VwGH 24.10.1995, 93/07/0050, mwN), und Beschlüsse einen eindeutigen Inhalt haben müssten (Hinweis auf VwGH 26.1.2017, Ra 2016/07/0069). Das aus diesen Entscheidungen ableitbare „Konkretisierungsgebot“ sei auf Minderheitsbeschwerden gegen Beschlüsse der Vollversammlung nach § 51 Abs. 2 Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetz (K-FLG) zu übertragen. Offen geblieben sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bislang allerdings, über welche Informationen die Mitglieder der Agrargemeinschaft verfügen müssten, um einen rechtskonformen Beschluss herbeizuführen. Den Mitgliedern der Agrargemeinschaft seien bei der Beschlussfassung in der Vollversammlung am 11. März 2017 zwar die Errichtungskosten der Verlängerung des Almaufschließungsweges G II bekannt gewesen, nicht aber Informationen dazu, welche Vorteile aus dem Projekt gezogen würden. Dass solche Vorteile in einem späteren Verfahren über die Minderheitsbeschwerde durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben würden, könne das Fehlen von Informationen bei der Vollversammlung nicht sanieren. Auch seien die Projektkosten, die aufgrund der erforderlichen Hinzuziehung eines Ziviltechnikers zu erwarten seien, vor der Beschlussfassung nicht bekannt gegeben worden und weiterhin unklar.

11       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs folgt aus § 51 K-FLG, dass die Agrarbehörde die bei ihr angefochtenen Beschlüsse einer Agrargemeinschaft jedenfalls daraufhin zu überprüfen hat, ob sie gegen gesetzliche Bestimmungen oder einen Regelungsplan oder die Satzung der Agrargemeinschaft verstoßen (vgl. VwGH 29.10.2015, 2012/07/0183; 24.4.2008, 2007/07/0026; jeweils mwN). Aufsichtsbehördliche Eingriffe in die Entscheidungsfreiheit einer Agrargemeinschaft sind allerdings nur bei wesentlichen Rechtsverstößen zulässig (vgl. VwGH 11.3.2021, Ra 2018/07/0340, mwN).

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Minderheitsbeschwerden nach § 51 Abs. 2 K-FLG weiters wiederholt festhalten, dass aus dem K-FLG das Gebot einer zweckmäßigen und geordneten Bewirtschaftung und einer der Ertragsfähigkeit angepassten Nutzung unter pfleglicher Behandlung agrargemeinschaftlicher Grundstücke abzuleiten ist, sodass diese Regelungsziele als Beurteilungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit eines Bescheides heranzuziehen sind (vgl. nochmals VwGH Ra 2018/07/0340, mwN). Dass der gegenständliche Beschluss der Vollversammlung der Agrargemeinschaft vom 11. März 2017 seinem Inhalt nach gegen diese Gebote verstoßen hätte, wird in der Revision nicht dargelegt. Geltend gemacht wird jedoch eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses, weil vor Beschlussfassung in der Vollversammlung den Mitgliedern der Agrargemeinschaft keine ausreichenden bzw. vollständigen Informationen über das geplante Projekt der Verlängerung des Almaufschließungsweges G II gegeben worden seien.

13       Die Rechtsprechung, auf die der Revisionswerber sich insoweit bezieht, erging zu Einsprüchen gegen Ausschussbeschlüsse nach § 37 Abs. 7 TFLG 1996 und kann daher nicht ohne Weiteres auf Minderheitsbeschwerden nach dem K-FLG übertragen werden. Eine nähere Erörterung, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen unrichtige bzw. unvollständige Informationen, die der Vollversammlung einer Agrargemeinschaft vor einer Beschlussfassung gegeben werden, zu einer von der Agrarbehörde aufgrund einer Minderheitsbeschwerde aufzugreifenden Rechtswidrigkeit eines Beschlusses führen können, kann im vorliegenden Fall jedoch unterbleiben (vgl. zu einem ähnlichen Vorbringen zum TFLG 1978 VwGH 25.10.1994, 92/07/0041). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde die Vollversammlung vor Beschlussfassung nämlich über den Verlauf des Almaufschließungsweges G II und die zu erwartenden Kosten in Kenntnis gesetzt. Nicht zweifelhaft konnte auch sein, dass der Almaufschließungsweg der Erleichterung der Bewirtschaftung dienen sollte. Mit ihrem Vorbringen, den Mitgliedern der Agrargemeinschaft sei der (nähere) Nutzen des Projektes nicht erläutert worden, legt die Revision nicht konkret dar, welche weiteren, für die Beschlussfassung relevanten Informationen über das geplante Projekt der Vollversammlung vorenthalten worden wären. Schon deshalb gelingt es der Revision fallbezogen nicht aufzuzeigen, dass aufgrund der Minderheitsbeschwerde des Revisionswerbers eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses der Vollversammlung vom 11. März 2017 aufzugreifen gewesen wäre.

14       Mit ihrem Vorbringen, der Vollversammlung der Agrargemeinschaft seien lediglich die Errichtungskosten des Almaufschließungsweges G II, nicht aber die Projektkosten bekannt gegeben worden, sodass die tatsächliche Kostenbelastung unklar geblieben sei, wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs wirft eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofs in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit einer im Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung vielmehr nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. etwa VwGH 21.10.2021, Ra 2021/07/0064, mwN).

15       Seine Feststellung, die der Vollversammlung der Agrargemeinschaft vorgelegte Schätzung der Kosten des erst zukünftig zu errichtenden Almaufschließungsweges G II sei plausibel gewesen, stützte das Verwaltungsgericht auf ein Sachverständigengutachten. Nach den Angaben der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung handelte es sich bei den ermittelten Kosten um die „Gesamtkosten“ des Projektes. Gründe, warum dem Gutachten der Sachverständigen nicht zu folgen gewesen wäre (vgl. zur Prüfung von Sachverständigengutachten etwa VwGH 6.7.2021, Ra 2020/07/0018), legt die Revision nicht dar. Es gelingt ihr daher nicht, insoweit eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung aufzuzeigen.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 1. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020070116.L00

Im RIS seit

02.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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