Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Hon.-Prof. PD Dr. Rassi als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache für E* F*, geboren am * 1929, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, AZ 4 P 26/20w des Bezirksgerichts Kitzbühel, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 16. Dezember 2021, GZ 4 P 26/20w-111, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Erwachsenenschutzsache an das Bezirksgericht Salzburg wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.
Text
Begründung:
[1] Mit Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 21. 10. 2021 wurde – nach Durchführung einer Erstanhörung – RA Dr. * aus Kitzbühel als einstweiliger Erwachsenenvertreter der Betroffenen bestellt. Das Verfahren über die endgültige Bestellung eines Erwachsenenvertreters ist noch offen. Die Betroffene lebte zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens in Kitzbühel, ist mittlerweile jedoch in ein Seniorenwohnheim in Salzburg übersiedelt, und zwar nach den Angaben ihres Vertreters, die sich auch mit den eigenen Angaben decken, auf Dauer.
[2] Das Bezirksgericht Kitzbühel übertrug unter Bezugnahme auf den Wohnsitzwechsel mittels rechtskräftigen Übertragungsbeschlusses vom 16. 12. 2021 die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Erwachsenenschutzsache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Salzburg.
[3] Das Bezirksgericht Salzburg lehnte die Übernahme unter Hinweis auf die offene Entscheidung über die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters ab.
[4] Das Bezirksgericht Kitzbühel legte den Akt dem Obersten Gerichtshof gemäß § 111 Abs 2 JN vor.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1.1. Die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht nach § 111 Abs 1 JN setzt voraus, dass dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies trifft dann zu, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird (RS0046929).
[6] 1.2. § 111 Abs 1 JN nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist, weshalb die Pflegschaftsaufgaben grundsätzlich von jenem Gericht wahrgenommen werden sollen, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung liegt (RS0049144, RS0047027 [T10]).
[7] 1.3. Die Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte an das Gericht, in dessen Sprengel sich der Betroffene aufhält, ist dann zu genehmigen, wenn sie im Interesse des Betroffenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, mag auch der Erwachsenenvertreter weiterhin seinen Aufenthalt im Sprengel des bisher zuständigen Bezirksgerichts haben.
[8] 1.4. Offene Anträge sprechen nicht grundsätzlich gegen eine Zuständigkeitsübertragung (vgl RS0046929 [T3]), es sei denn, dem übertragenden Gericht käme zur Entscheidung eine besondere Sachkenntnis zu (RS0047032).
[9] 2.1. Letzteres trifft im vorliegenden Fall nicht zu, das Bezirksgericht Kitzbühel hat nur die Erstanhörung vorgenommen und sonst im Wesentlichen nur ein Sachverständigengutachten eingeholt.
[10] 2.2. Es hat daher bei der allgemeinen Regel zu bleiben, dass das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung und daher das Gericht besser geeignet ist, in dessen Sprengel der Betroffene seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (vgl 4 Nc 2/18h).
[11] Wegen der Verlegung des ständigen Aufenthalts der Betroffenen nach Salzburg entspricht die Übertragung der Zuständigkeit ihrem Wohl. Der entsprechende Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel ist daher zu genehmigen.
Textnummer
E134527European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0040NC00007.22Z.0314.000Im RIS seit
03.05.2022Zuletzt aktualisiert am
03.05.2022