Entscheidungsdatum
14.02.2022Index
L81509 Umweltschutz WienNorm
ReinhalteG Wr. §2 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter MMag. Dr. Böhm-Gratzl über die Beschwerde der A. B., C.-straße, Wien, vom 14.12.2021 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 58, vom 2.12.2021, Zl. MA58/…/2021, betreffend eine Übertretung des § 2 Abs. 1 Wiener Reinhaltegesetz (Wr. ReiG), LGBl. Nr. 47/2007, idF LGBl. Nr. 13/2017
zu Recht:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 20,-- (das sind 20% der verhängten Geldstrafe) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit o.a. Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, dass sie am 29.4.2021 um 21.30 Uhr in Wien, D.-straße, E.-Park, diversen Sperrmüll abgestellt und zurückgelassen habe, wodurch sie eine Verunreinigung nach § 2 Abs. 1 Wr. ReiG begangen habe. Hiefür wurde über sie gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe iHv EUR 100,-- bzw. für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Stunden verhängt. Bei ihrer Strafbemessung ging die belangte Behörde mildernd von der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin aus.
Hiegegen richtet sich die frist- und noch formgerecht erhobene Beschwerde, in welcher – im Wesentlichen – vorgebracht wird, dass „Güter“ vom Tatort entfernt und verbracht worden seien, dass die Beschwerdeführerin der Meinung gewesen sei, sie habe mit den vor Ort einschreitenden Organen der öffentlichen Sicherheit den Konsens gefunden, „partiell zurückgelassene Gegenstände“ am Folgetag von dort zu entfernen, und dass die Strafhöhe „inadäquat“ sei, da die Beschwerdeführerin unbescholten sei und „im Sinne der Gemeinschaft“ gehandelt habe. Sie begehre daher den „Erlass der Strafe“.
Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte den bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht vor.
Im weiteren Verfahrensverlauf wurden beim gegenständlichen Vorfall vom Meldungsleger angefertigte Lichtbilder beigeschafft, wurden von Amts wegen Abfragen bei den Verwaltungsstrafbehörden eingeholt und gab die Beschwerdeführerin auf hg. Aufforderung hin ihre wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt.
Das Verwaltungsgericht Wien stellt den folgenden Sachverhalt fest:
Die Beschwerdeführerin hat am 29.4.2021 um 21.30 Uhr in Wien, D.-straße, E.-Park, diverse Gegenstände, die dem Sperrmüll zugerechnet werden können, abgestellt und dort zurückgelassen.
Die Beschwerdeführerin weist eine im Tatzeitpunkt rechtskräftige und nicht getilgte Vormerkung wegen Übertretung des § 76a Abs. 1 StVO auf.
Die Beschwerdeführerin ist Studentin, hat monatliche Einkünfte iHv EUR 1.200,-- netto und besitzt eine renovierungsbedürftige Immobilie. Sie hat keine Sorgepflichten.
Diese Feststellungen gründen sich auf folgender Beweiswürdigung:
Die Beschwerdeführerin hat nicht bestritten diverse Gegenstände am Tatort abgestellt und „partiell“ zurückgelassen zu haben. Das Verwaltungsgericht Wien hat bezughabende Lichtbilder von Amts wegen beigeschafft, auf denen ersichtlich ist, dass zahlreiche dieser Gegenstände zum Tatzeitpunkt (21.30 Uhr) noch am Tatort vorhanden waren, während sich keine Personen mehr in Nähe jener Gegenstände befunden haben (vgl. ON 4 des Gerichtsaktes). Der verfahrenseinleitenden Anzeige ist zudem zu entnehmen, dass diese Gegenstände erst am Vormittag des Folgetages durch Mitarbeiter der „Wiener Stadtgärten“ entfernt worden seien (vgl. AS 5 f. des vorgelegten Verwaltungsaktes). Es besteht hg. kein Grund an den Angaben in der Anzeige zu zweifeln. Selbst in der Beschwerde wird eingestanden, dass die „übriggebliebenen Gegenstände am darauffolgenden Tag“ entfernt werden sollten. Insofern waren jene zum Tatzeitpunkt aber jedenfalls noch am Tatort noch vorhanden.
Die o.a. Vormerkung war einer hg. eingeholten Auskunft der Landespolizeidirektion Wien vom 31.1.2022 zu entnehmen (vgl. ON 9 des Gerichtsaktes).
Die o.a. wirtschaftlichen Verhältnisse wurden von der Beschwerdeführerin mit hg. Eingabe vom 8.2.2022 glaubhaft bekannt gegeben (vgl. aaO, ON 12).
Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht damit fest.
Das Verwaltungsgericht Wien hat in rechtlicher Hinsicht hiezu erwogen:
Gemäß dessen § 2 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 ist eine Übertretung des Wr. ReiG dann verwirklicht, wenn Straßen mit öffentlichem Verkehr oder öffentlich zugängliche Grünflächen (vgl. hiezu § 2 Abs. 2 bis 4 leg. cit.) verunreinigt werden, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Als „Verunreinigung“ in diesem Sinne gilt gemäß § 2 Abs. 5 Wr. ReinG „das Zurücklassen von Stoffen oder Gegenständen, das Ausgießen von Flüssigkeiten sowie das Aufbringen von färbenden Stoffen.
Im Lichte der obigen Feststellungen wurde im vorliegenden Fall durch das Zurücklassen diverser Gegenstände am Tatort der objektive Tatbestand der hier zur Last gelegten Verwaltungsübertretung zweifelsfrei verwirklicht. Mit welcher konkreten Absicht die Verbringung dieser Gegenstände zum Tatort ursprünglich erfolgt ist, ist für die rechtliche Qualifikation der Tat unerheblich.
Bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein sog. Ungehorsamsdelikt, zumal sich die tatbildmäßige Handlung in einem bestimmten Verhalten erschöpft, ohne Rücksicht auf einen eventuellen Erfolg (vgl. Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5, 2014, Rz 684).
Gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG gilt bei Ungehorsamsdelikten die gesetzliche Vermutung des Vorliegens der fahrlässigen Begehung der angelasteten Verwaltungsübertretung, wenn das Vorliegen eines tatbildmäßigen Verhaltens festgestellt worden ist und das mangelnde Verschulden durch den Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht worden ist. Es ist sohin Sache des Beschuldigten, initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht, etwa durch die Beibringung geeigneter Beweismittel bzw. die Stellung entsprechender konkreter Beweisanträge (vgl. etwa VwGH 30.6.1998, 96/11/0175).
Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich kein substantiiertes Vorbringen erstattet und konnte somit nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft machen, dass ihr die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschrift ohne ihr Verschulden nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre.
Insoweit in der vorliegenden Beschwerde ein „Missverständnis“ hinsichtlich eines mutmaßlichen Konsenses mit den vor Ort einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorgebracht wird, ist der Beschwerdeführerin insoweit jedenfalls fahrlässiges Verhalten zur Last zu legen.
Sie hat die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung demnach auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß Abs. 2 par. cit. sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die Erteilung einer Ermahnung im Sinne des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG scheidet aus, da das tatbildmäßige Verhalten der Beschwerdeführerin nicht erheblich hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt (vgl. hiezu zB VwGH 9.9.2016, Ra 2016/02/0118). Ziel des Wr. ReiG ist insbesondere auch das Zurücklassen von Gegenständen wie im konkreten Fall zu verhindern.
Die belangte Behörde ist angesichts einer im Tatzeitpunkt rechtskräftigen und nicht getilgten – wenngleich nicht einschlägigen – Vormerkung zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin bislang verwaltungsstrafrechtlich unbescholten sei. Dieser Milderungsgrund liegt somit nicht vor. Andere Milderungs- oder aber Erschwerungsgründe sind nicht hervorgekommen. Ein – so in der Beschwerde vorgebracht – „Handeln im Sinne der Gemeinschaft“ kann unter den Gegebenheiten des konkreten Vorfalles nicht als mildernd gewertet werden.
Demgegenüber ist allerdings nicht erkennbar, inwieweit die belangte Behörde die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, welche aus hg. Sicht als ungünstig zu werten sind, bei ihrer Strafbemessung berücksichtigt hätte.
Im Ergebnis erscheint jedoch die behördenseits verhängte Strafe im Lichte der vorstehenden Ausführungen dennoch als tat- und schuldangemessen und deren Verhängung aus general- und spezialpräventiven Gründen erforderlich. Eine Reduktion der Strafe kommt mit Blick auf den von EUR 50,-- bis EUR 1.000,-- reichenden gesetzlichen Strafrahmen (vgl. § 6 Abs. 1 Wr. ReiG) nicht in Betracht, zumal die verhängte Strafe im untersten Bereich dieses Rahmens gelegen ist. Es sei auch darauf hingewiesen, dass sich die ursprünglich mit Strafverfügung verhängte Strafe im angefochtenen Straferkenntnis bereits auf die Hälfte reduziert hat.
Gemäß § 16 Abs. 1 VStG ist bei Verhängung einer Geldstrafe zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzulegen. Gemäß Abs. 2 letzter Satz par. cit. ist diese Ersatzfreiheitsstrafe ohne Bedachtnahme auf § 12 leg. cit. nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
Die im angefochtenen Straferkenntnis verhängte Ersatzfreiheitsstrafe ist den Strafzumessungskriterien mit Ausnahme der allseitigen Verhältnisse angemessen und zur Geldstrafe verhältnismäßig.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG abgesehen werden, da die im angefochtenen Straferkenntnis verhängte Geldstrafe die Höhe von
EUR 500,– nicht übersteigt und die Durchführung einer Verhandlung von keiner Verfahrenspartei beantragt wurde (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0032). Zudem war bei unstrittigem Sachverhalt und vor dem Hintergrund einer einschlägigen ständigen Judikatur bloß eine Rechtsfrage ohne besondere Komplexität zu beantworten, sodass hier dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen (vgl. etwa EGMR 5.9.2002, Appl. Nr. 42.057/98, Speil [ÖJZ 2003, 117]; 7.3.2017, Appl. Nr. 24.719/12, Tusnovics).
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. zB VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. hiezu etwa VwGH 24.3.2014, Ro 2014/01/0011; 28.4.2015, Ra 2014/19/0177).
Schlagworte
Verunreinigung; VerschuldenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.001.016.18053.2021Zuletzt aktualisiert am
29.04.2022