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90/01 Straßenverkehrsordnung 1960Norm
B-VG Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Aufhebung einer GeschwindigkeitsbegrenzungsV der Bezirkshauptmannschaft Landeck betreffend die B188 Paznauntalstraße mangels Anhörung der betroffenen Gemeinde; Aufhebung einer SperrflächenV der Bezirkshauptmannschaft Landeck betreffend die B188 Paznauntalstraße mangels ordnungsgemäßer Kundmachung durch eine mit Schraffen markierte und in wesentlichen Teilen nicht unterbrochene Linie der BodenmarkierungRechtssatz
Gesetzwidrigkeit der letzten Zeile der Tabelle mit den Wort- bzw Zeichenfolgen "11,800 + 70 m", "13,000 + 58 m", "beide", "60 km/h" und "§52 lita Z10a" in §1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck (BH) vom 14.12.2017, Z LA-VK-STVO-B188/1/6-2017, sowie der siebenten Zeile der Tabelle mit den Zeichenfolgen "12,800" und "12,800 + 60 m" in §10 litb der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 24.08.2016, Z LA-VK-STVO-B188/1/3-2016. Zurückweisung des Hauptantrags des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) auf Aufhebung der Verordnung vom 14.12.2017, Z LA-VK-STVO-B188/1/6-2017. Es ist offenkundig, dass das antragstellende LVwG §1 der Verordnung vom 14.12.2017 anzuwenden hat, soweit sich diese Verordnungsbestimmung auf den Abschnitt von Straßenkilometer 11,870 bis Straßenkilometer 13,058 der B188 Paznauntalstraße bezieht. Da der Hauptantrag auf Aufhebung der Verordnung vom 14.12.2017 darüber hinaus die Aufhebung auch jener nicht präjudiziellen Wort- bzw Zeichenfolgen in §1 dieser Verordnung begehrt, mit denen für einen weiteren Streckenabschnitt der B188 Paznauntalstraße eine Geschwindigkeitsbeschränkung erlassen wird, ist er jedoch zu weit gefasst und daher insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.
Gesetzwidrigkeit näher bezeichneter Zeichenfolgen der Verordnung vom 14.12.2017 betreffend die Geschwindigkeitsbeschränkung:
Das Bedenken des LVwG, wonach der Erlassung der Verordnung kein Anhörungsverfahren nach §94f Abs1 lita Z1 und 3 StVO 1960 vorausgegangen sei, wird von der verordnungserlassenden Behörde nicht bestritten. Zum einen ist der Präambel der Verordnung insoweit - lediglich - zu entnehmen, dass dieser Verordnung ein Antrag des Baubezirksamtes Imst um Verlängerung der 60 km/h-Beschränkung talauswärts zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im gegenständlichen Bereich zugrunde liege. Vor allem jedoch gesteht die verordnungserlassende Behörde in ihrer Äußerung im Verordnungsprüfungsverfahren auch ausdrücklich zu, dass der Verordnung keine gesonderte Anhörung vorausgegangen ist. Nach Ansicht der verordnungserlassenden Behörde sei eine solche Anhörung nicht erforderlich gewesen, weil mehrere verkehrsregelnde Maßnahmen auf der B188 Paznauntalstraße bereits mit der Verordnung vom 24.08.2016, der sehr wohl ein Anhörungsverfahren vorausgegangen sei, verfügt worden seien und "im gegenständlichen Verordnungsverfahren lediglich zwei Geschwindigkeitsbeschränkungen im Freilandbereich angepasst" worden seien.
Der VfGH vertritt hiezu in stRsp die Ansicht, dass eine Anhörung selbst bei der Aufhebung einer straßenpolizeilichen Verordnung und ihrer darauffolgenden unveränderten Neuerlassung zu erfolgen hat, zumal es durchaus möglich ist, dass im Zuge der Neuerlassung von früheren Stellungnahmen abweichende Standpunkte vertreten werden.
Das Verfahren zur Erlassung der Verordnung entspricht schon mangels Anhörung der - von den mit dieser Verordnung verhängten Verkehrsbeschränkungen jedenfalls betroffenen - Gemeinde Kappl nicht den gesetzlichen Erfordernissen des §94f Abs1 lita Z1 StVO 1960. Da der präjudizielle Teil der Verordnung schon deshalb als gesetzwidrig aufzuheben ist, kann die Frage dahinstehen, ob damit - entgegen der weiteren Ansicht der verordnungserlassenen Behörde - auch die Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden.
Gesetzwidrigkeit der näher bezeichneten Zeichenfolgen in §10 litb der Verordnung vom 24.08.2016 betreffend die Sperrfläche:
Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 sind die in §43 StVO 1960 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Nach §55 Abs4 StVO 1960 sind Sperrflächen als schräge, parallele Linien (Schraffen), die durch nichtunterbrochene Linien begrenzt sind, auszuführen.
Gemäß §21 Abs1 der - nach §34 Abs1 StVO 1960 erlassenen - Bodenmarkierungsverordnung sind Sperrflächen in weißer Farbe auszuführen. Sie dürfen nur durch schräge, parallele Linien (Schraffen) gekennzeichnet werden und sind mit nicht unterbrochenen Linien zu begrenzen. Nach Abs2 leg cit können innerhalb der Sperrfläche auch Schraffen entfallen, sofern die Verkehrssicherheit dadurch nicht beeinträchtigt wird und das Markierungsbild eindeutig als Sperrfläche erkennbar bleibt. Soweit eine Abgrenzung durch bauliche Einrichtungen wie etwa Gehsteigkanten gegeben ist, kann auch die Umrandung der Sperrfläche durch eine nicht unterbrochene Linie entfallen.
Wie aus im Akt einliegenden Lichtbildaufnahmen hervorgeht, wurde die mit den angefochtenen Zeichenfolgen in §10 litb der Verordnung vom 24.08.2016 auf der B188 Paznauntalstraße von Straßenkilometer 12,800 bis Straßenkilometer 12,860 verordnete Sperrfläche durch eine Bodenmarkierung kundgemacht, die nicht durch Schraffen markiert und in wesentlichen Teilen nicht durch eine nicht unterbrochene Linie begrenzt ist. Die verordnungserlassende Behörde gesteht in ihrer Äußerung ausdrücklich zu, dass die Sperrfläche "aufgrund einer Einfahrt" unterbrochen sei. Dem Vorbringen des LVwG, wonach auch keine Abgrenzung der Sperrfläche durch bauliche Einrichtungen vorliege, widerspricht die verordnungserlassende Behörde nicht. Das - für den VfGH sohin feststehende - Fehlen einer durchgängig nicht unterbrochenen Umrandung der Sperrfläche bewirkt jedenfalls eine mangelhafte Kundmachung und folglich die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungsstelle.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Geschwindigkeitsbeschränkung, Bodenmarkierungen, Verordnung Kundmachung, Straßenpolizei, Anhörungsrecht, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Präjudizialität, Eventualantrag, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V614.2020Zuletzt aktualisiert am
29.04.2022