TE Vwgh Beschluss 2022/3/31 Ro 2020/10/0034

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Veröffentlicht am 31.03.2022
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Index

L92104 Behindertenhilfe Rehabilitation Oberösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §1 Abs3
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §2
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §2 Abs1
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §9 Abs2
ChancengleichheitG OÖ 2008 §20
ChancengleichheitG OÖ 2008 §40
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ro 2020/10/0035

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revisionen der E F in W, vertreten durch Dr. Josef Strasser, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Roßmarkt 1, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich 1. vom 8. September 2020, Zl. LVwG-350759/5/Bm (prot. zu hg. Ro 2020/10/0034), und 2. vom 19. August 2020, Zl. LVwG-350760/5/Bm (prot. zu hg. Ro 2020/10/0035), jeweils betreffend Kostenbeitrag bzw. Kostenersatz nach dem Oö. Chancengleichheitsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von jeweils € 553,20, somit insgesamt € 1.106,40, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31. Dezember 2019 wurde die Revisionswerberin - ergänzend zum Bescheid vom 2. Mai 2018, mit dem ein Kostenbeitrag aus dem Pflegegeld vorgeschrieben worden war - dazu verpflichtet, für die ihr von 9. Jänner 2017 bis 31. Oktober 2017 gewährte Leistung der „Fähigkeitsorientierten Aktivität“ für den Zeitraum 9. Jänner 2017 bis 31. Mai 2017 gemäß § 20 Oö. Chancengleichheitsgesetz (Oö. ChG) einen monatlichen Kostenbeitrag aus dem Einkommen in Form von Verdienstentgang in der Höhe von € 313,32 (für Jänner 2017 aliquot € 232,46), insgesamt daher € 1.485,74, zu leisten. Der Eventualantrag auf Rückzahlung der für den Zeitraum 9. Jänner 2017 bis 31. Mai 2017 bereits geleisteten Beiträge aus dem Pflegegeld wurde abgewiesen.

2        Mit Bescheid der belangten Behörde - ebenfalls vom 31. Dezember 2019 - wurde die Revisionswerberin dazu verpflichtet, für die ihr von 1. September 2014 bis 31. Dezember 2016 gewährte Leistung der Fähigkeitsorientierten Aktivität für den Zeitraum 1. Jänner 2016 bis 30. November 2016 gemäß §§ 20, 39 Abs. 1 Z 1, 40 Abs. 1 Z 1 und 2 sowie 45 Abs. 3 Oö. ChG nachträglich einen monatlichen Kostenersatz aus dem Einkommen in Form von Verdienstentgang in der Höhe von € 679,13, insgesamt daher € 7.460,43, an das Land Oberösterreich zu leisten. Der von der Revisionswerberin für den Fall der Vorschreibung eines Kostenbeitrages aus dem Einkommen gestellte Eventualantrag auf Rückzahlung der für den Zeitraum 1. Jänner 2016 bis 30. November 2016 bereits geleisteten Beiträge aus dem Pflegegeld (Anmerkung: diese waren mit Beitragsbescheid vom 26. November 2014 vorgeschrieben worden) wurde abgewiesen.

3        Mit den nunmehr angefochtenen Erkenntnissen vom 8. September 2020 und 19. August 2020 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und erklärte die Revision gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.

4        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei seit ihrer Geburt kognitiv und körperlich schwer beeinträchtigt. In diesem Zusammenhang sei in einem Teilanerkenntnisurteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 10. November 2000 festgestellt worden, dass ein näher bezeichnetes Krankenhaus (im Folgenden: Haftungsträger) der Revisionswerberin für sämtliche zukünftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden aus dem Behandlungsvorfall vom 29. November 1995 bis 25. Dezember 1995 hafte. Weiters sei zwischen der Revisionswerberin und dem Haftungsträger am 5. Dezember 2017 rückwirkend mit 1. Oktober 2015 ein Vergleich betreffend die Zuerkennung von Verdienstentgang abgeschlossen worden.

5        Mit Leistungsbescheiden 1.) vom 2. Mai 2018 und 2.) vom 2. November 2014 sei der Revisionswerberin „Fähigkeitsorientierte Aktivität“ gemäß § 11 Abs. 2 Z 3 Oö. ChG für 1.) 36,5 Wochenstunden bzw. 2.) durchschnittlich 37 Wochenstunden mit einem Betreuungsschlüssel 1:1 in einer näher bezeichneten Einrichtung bewilligt worden. Mit Beitragsbescheiden 1.) vom 2. Mai 2018 und 2.) vom 26. November 2014 sei (zu 1.: vorerst ab 9. Jänner 2017 bis 31. Oktober 2017) ein Kostenbeitrag aus dem Pflegegeld in Höhe von 1.) € 470,73 bzw. 2.) € 467,37 pro Monat vorgeschrieben worden, wobei sich die Behörde zu 1.) (hinsichtlich des Beitrages für 2017) ausdrücklich die Entscheidung über einen möglichen Beitrag aus dem Einkommen zu einem späteren Zeitpunkt vorbehalten habe. Ein solcher Vorbehalt sei im Beitragsbescheid vom 26. November 2014 (hinsichtlich des Kostenersatzes für 2016) nicht enthalten. Dementsprechend habe die Revisionswerberin 1.) für den Zeitraum von 9. Jänner 2017 bis 31. Mai 2017 € 2.185,--, 2.) für das Jahr 2016 € 5.141,07 an das Land Oberösterreich (im Folgenden: Sozialhilfeträger) bezahlt. Diese Beiträge aus dem Pflegegeld (bezogen auf das Jahr 2016 sogar ein höherer Betrag von € 6.183,72) seien auch in den nunmehr angefochtenen Beitragsbescheiden zur Vorschreibung von Ersatz aus Einkommen angerechnet worden. Ausgehend von den näher dargestellten Kosten für die gewährte Leistung „Fähigkeitsorientierte Aktivität“ liege abzüglich des von der Revisionswerberin geleisteten Beitrages aus dem Pflegegeld in Höhe von 1.) € 2.185,-- bzw. 2.) € 6.183,72 ein monatlicher Abgang 1.) im Jänner von € 3.114,85 und in den Monaten Februar bis Mai 2017 von jeweils € 4.134,70, und 2.) von 1. Jänner 2016 bis 30. November 2016 von monatlich € 4.058,30, vor. Von Juni 2017 bis Oktober 2017 sei es zu keiner Leistungsinanspruchnahme gekommen.

6        Vom Sozialhilfeträger seien die Ansprüche der Revisionswerberin gegen den Haftungsträger betreffend die angefallenen Betreuungskosten im Wege der Legalzession übernommen und diesem gegenüber klagsweise geltend gemacht worden. Die Zession sei vom Haftungsträger nicht bestritten worden. Mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 24. April 2019 sei dieses Klagebegehren des Sozialhilfeträgers mangels Schlüssigkeit abgewiesen worden.

7        In den Jahren 1.) 2017 und 2.) 2016 habe - wie sich aus den entsprechenden Einkommensteuerbescheiden ergebe - das Jahresnettoeinkommen der Revisionswerberin 1.) € 21.759,85 und 2.) € 26.149,35 betragen; daraus ergebe sich ein aliquotiertes monatliches Einkommen in Höhe von 1.) € 1.813,32 und 2.) € 2.179,13. Abzüglich des Freibetrages in Höhe von € 1.500,-- ergebe sich ein monatlicher Beitrag aus dem Einkommen 1.) für Jänner 2017 in Höhe von € 232,46 und für die Monate Februar bis Mai 2017 in Höhe von je € 313,32, 2.) für Jänner 2016 bis November 2016 in Höhe von € 679,13. Dieser Beitrag liege unter dem monatlichen Kostenaufwand, der dem Sozialhilfeträger für die der Revisionswerberin gewährte Hauptleistung in diesen Monaten erwachsen sei.

8        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht - soweit in Bezug auf sein Zulässigkeitsvorbringen relevant - aus, es sei von einer Forderungsabtretung zahlungshalber auszugehen, wobei in einem solchen Fall dem Neugläubiger (Sozialhilfeträger) der ursprüngliche Anspruch gegen den Altgläubiger (die Revisionswerberin) vorerst erhalten bleibe. Die Schuld erlösche nur, soweit der Neugläubiger aus der Ersatzleistung Befriedigung erlange. Solange keine Tilgung erfolgt sei, bestehe die Forderung des Gläubigers gegen seinen Schuldner weiter fort, weshalb er auf sie zurückgreifen könne, wenn er vergeblich versucht habe oder der Versuch zwecklos sei, die ihm vom Schuldner übertragenen Forderungen einzuziehen. Der Gläubiger könne dann seinen Schuldner aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis wieder in Anspruch nehmen (Verweis auf OGH 5.8.2008, 8 Ob 70/08i). Ein Kostenbeitrags- bzw. Kostenersatzverfahren gegen die Revisionswerberin nach § 20 bzw. § 40 Oö. ChG durch die belangte Behörde sei demnach zulässig.

9        Zur Zulässigkeit der Revisionen führte das Verwaltungsgericht aus, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob eine Legalzession nach § 43 Oö. ChG einen Anspruchsverlust für den Leistungsträger gegenüber dem Leistungsempfänger bewirke, wenn eine klagsweise Einbringung der Ansprüche durch den Sozialhilfeträger gegen den Haftungsträger nicht erfolgreich gewesen und das Klagebegehren des Leistungsträgers mangels Schlüssigkeit abgewiesen worden sei.

10       Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden Revisionen, in deren Zulässigkeitsbegründungen zunächst auf die vom Verwaltungsgericht formulierte Rechtsfrage verwiesen wird.

11       In diesem Zusammenhang wird auch eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Legalzession (Hinweis auf Ro 2014/10/0063 zum Stmk SHG 1998) geltend gemacht. Darin sei ausgesprochen worden, dass eine durch die Verständigung des Schuldners bewirkte Legalzession den Anspruch des Hilfeempfängers gegen einen Dritten ohne Zutun des Hilfeempfängers auf den Sozialhilfeträger übergehen lasse. Nur mehr diesem komme das Recht zu, den Anspruch geltend zu machen, eine Leistung des Schuldners an den Hilfeempfänger wirke nicht mehr schuldbefreiend.

12       Im gegenständlichen Fall sei spätestens durch die vom Sozialhilfeträger gegen den Haftungsträger eingebrachte Klage von einer derart angezeigten Legalzession und somit von einem Übergang der Forderung auszugehen. Nur mehr dem Sozialhilfeträger komme damit ein Kostenersatzanspruch zu, auch wenn die Klage abgewiesen worden sei. Aufgrund der Einmaligkeit des zugrundeliegenden Schadenersatzanspruchs der Leistungsempfängerin gegenüber dem Haftungsträger und des erfolgten Übergangs im Wege der Legalzession könne der Sozialhilfeträger damit nur mehr Kostenersatz gegenüber dem Haftungsträger fordern und nicht nachträglich wiederum von der Leistungsempfängerin. Durch die Legalzession seien der Revisionswerberin weitere Ansprüche gegen den Haftungsträger aus dem vorgeschriebenen Kostenersatz verwehrt.

13       Schließlich werden als weitere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung solche zur Berechnung des Kostenersatzes sowie zur Zulässigkeit der neuerlichen Beitragsvorschreibung - nunmehr aufgrund von Einkommen - nach einem jeweils rechtskräftigen Beitragsbescheid aufgrund bezogenen Pflegegeldes aufgeworfen.

14       Das Verwaltungsgericht führte die Vorverfahren durch, in denen die belangte Behörde je eine Revisionsbeantwortung samt Antrag auf Aufwandersatz erstattete, und legte dem Verwaltungsgerichtshof sodann die Verfahrensakten vor.

15       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

16       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

17       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

18       Ausgehend von den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes, wonach die Revisionswerberin - jeweils auf der Grundlage des entsprechenden Einkommensteuerbescheids - im Jahr 2016 ein monatliches Einkommen in der Höhe von € 2.179,13, im Jahr 2017 in der Höhe von € 1.813,32 bezogen hat, erweisen sich die Zulässigkeitsausführungen im Zusammenhang mit der angenommenen Legalzession gemäß § 43 Abs. 2 Oö. ChG als nicht zielführend:

19       Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. ChG-Beitragsverordnung hat der Mensch mit Beeinträchtigungen bei der Gewährung von Hauptleistungen mit seinem Einkommen zu den Leistungen beizutragen.

20       Sowohl die Kostenbeitragspflicht nach § 20 Oö. ChG als auch die Kostenersatzpflicht nach § 40 leg. cit. knüpfen am Einkommen an, welches in § 2 der Oö. ChG-Beitragsverordnung näher umschrieben wird. Demnach ist gemäß § 2 Abs. 1 Oö. ChG-Beitragsverordnung Einkommen die Summe aller Einkünfte in Geld oder Geldeswert.

21       Nach ständiger hg. Judikatur ist der Einsatz eigener Mittel unabhängig davon vorzunehmen, von wem und aus welchem Rechtsgrund bzw. Titel der Hilfesuchende dieses Einkommen erhält oder erhalten hat (vgl. z.B. VwGH 10.2.2021, Ra 2020/10/0032; 5.11.2020, Ra 2019/10/0199; 26.9.2019, Ra 2018/10/0199).

22       Hat die Revisionswerberin daher - wie fallbezogen festgestellt wurde - im Bedarfszeitraum Einkommen bezogen, so ist dieses - unter Beachtung der weiters festgelegten betraglichen Beschränkungen - einzusetzen, sodass es nicht darauf ankommt, ob, wann und mit welcher Wirkung eine Legalzession der - hier gegenüber der Revisionswerberin erfüllten - Forderung stattgefunden hat. Das Schicksal der Revision hängt somit nicht von den im Zusammenhang mit der Legalzession geltend gemachten Rechtsfragen ab.

23       In der Zulässigkeitsbegründung wird weiters thematisiert, ob der in § 1 Abs. 3 Oö. ChG-Beitragsverordnung genannte monatliche Freibetrag von € 1.500,-- eine unveränderliche Größe darstelle oder der Freibetrag auch für den 13. und 14. Monatsbezug zu berücksichtigen sei.

24       Gemäß § 1 Abs. 3 Oö. ChG-Beitragsverordnung ist, wenn das monatliche Einkommen des Menschen mit Beeinträchtigungen, dem eine Hauptleistung u.a. nach § 11 Oö. ChG gewährt wurde, mehr als 1.000 Euro beträgt, der diesen Betrag übersteigende Differenzbetrag als laufender monatlicher Beitrag aus dem Einkommen zu entrichten, höchstens jedoch bis zu den tatsächlich entstandenen Kosten. Wenn der Mensch mit Beeinträchtigung in einer privaten Wohnform lebt, erhöht sich dieser Betrag auf 1.500 Euro.

25       Nach dem klaren Wortlaut der genannten Bestimmung ist nur der den Freibetrag übersteigende Betrag des monatlichen Einkommens als laufender monatlicher Beitrag aus dem Einkommen zu entrichten; der Freibetrag verbleibt dem Menschen mit Beeinträchtigungen. Es muss also in jedem Kalendermonat dem Hilfeempfänger der Freibetrag zur Verfügung stehen. Außerdem findet sich - anders als in der von der Revisionswerberin zitierten Bestimmung des § 9 Abs. 2 Oö. ChG-Beitragsverordnung - kein ausdrücklicher Hinweis auf den 13. und 14. Monatsbezug, sodass diese Sonderzahlungen keinen (gesonderten) Freibetragsabzug erfahren.

26       Zur Frage, ob bei einem Kostenersatz aus Einkommen für die Maßnahme „Fähigkeitsorientierte Aktivität“ die „vereinbarten Leistungsstunden“ anzusetzen sind oder, wie bei § 6 Oö. ChG-Beitragsverordnung, bloß die „tatsächlich beanspruchten Tage“, ist die Revisionswerberin darauf hinzuweisen, dass nach der diesbezüglich eindeutigen Rechtsgrundlage des § 1 Abs. 3 der Oö. ChG-Beitragsverordnung (s. o. Rz 24) der laufende monatliche Kostenbeitrag in der Höhe zu leisten ist, die dem 1.000 bzw. 1.500 Euro übersteigenden Betrag des monatlichen Einkommens entspricht. Die Revisionswerberin macht dazu nicht konkret geltend, dass der tatsächliche Aufwand des Sozialhilfeträgers - entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - geringer gewesen sei als der vorgeschriebene Kostenbeitrag. Inwieweit sich vor diesem Hintergrund die geltend gemachte Rechtsfrage stellt, wird nicht näher ausgeführt, sodass damit keine Rechtfrage grundsätzlicher Bedeutung dargelegt wurde.

27       Schließlich wird in der Zulässigkeitsbegründung die Frage aufgeworfen, ob nach Rechtskraft eines ursprünglichen Beitragsbescheides (aus dem Pflegegeld) trotz darin enthaltenen Ergänzungsvorbehalts neuerlich eine Beitragsvorschreibung aus Einkommen vorgenommen werden kann, oder ob dem die Rechtskraft des ursprünglichen Beitragsbescheides entgegensteht.

28       Der tragende Grundsatz der Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt. „Sache“ einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat (vgl. etwa VwGH 17.11.2020, Ra 2018/07/0487; 24.10.2017, Ra 2014/06/0041; 13.9.2016, Ro 2015/03/0045).

29       Mit den ursprünglichen Beitragsbescheiden wurde jeweils über einen Kostenbeitrag aus dem Pflegegeld abgesprochen. Gegenstand der nunmehr bekämpften Vorschreibungen ist jedoch ein Kostenbeitrag bzw. -ersatz aus dem Einkommen. Die Rechtsgrundlagen hierfür sind nicht ident; der Ersatz aus dem Einkommen ist in § 1 Abs. 1 bis 3 iVm § 2 Oö. ChG-Beitragsverordnung festgelegt, während der zu leistende Beitrag aus dem Pflegegeld in § 1 Abs. 4 iVm §§ 3 ff leg. cit. seine Grundlagen hat. Es liegt daher, weil es sich um unterschiedliche Rechtsgrundlagen handelt, keine Identität der Sache vor. Die Rechtskraft der Kostenbeitragsbescheide aus dem Pflegegeld stehen daher einer weiteren Vorschreibung aus Einkommen nicht entgegen.

30       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

31       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 31. März 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020100034.J00

Im RIS seit

29.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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