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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der A E M in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 10. Juli 2019, 1. 405-10/722/1/2-2019 und 2. 405-10/723/1/2-2019, betreffend Duldungs- und Mitwirkungspflichten nach § 50 Abs. 4 GSpG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Salzburg),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Spruchpunkte I. und II.a) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen - im Umfang des Spruchpunktes II.b) des angefochtenen Erkenntnisses - wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 28. Mai 2018 wurde die Revisionswerberin der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 5 letzter Fall iVm § 2 Abs. 4 Glücksspielgesetz GSpG - GSpG am 6. April 2017, um 15 Uhr, an einem näher genannten Ort schuldig erkannt, weil sie als Inhaberin eines näher bezeichneten Lokals durch das betriebsbereite Anbieten von 22 Glücksspielgeräten mit bestimmten Bezeichnungen Glücksspieleinrichtungen bereitgehalten und gegen die Duldungs- und Mitwirkungspflicht verstoßen habe, indem sie den Organen der öffentlichen Aufsicht (Finanzpolizei) trotz ausdrücklichen verbalen Hinweises der Kontrollorgane auf die gesetzliche Bestimmung des § 50 Abs. 4 GSpG und die Folgen der Nichteinhaltung die Zugangstür nicht geöffnet und somit das „Betretungsrecht“ verweigert habe. Über sie wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen) verhängt, weiters wurden ihr Verfahrenskosten vorgeschrieben. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, das Straferkenntnis stütze sich auf die Anzeige der Finanzpolizei samt Lichtbildbeilage, Dokumentationen und niederschriftlicher Einvernahme des Angestellten, die Aktenvermerke hinsichtlich zweier Spieler, die Nachbespielung der Glücksspielgeräte nach rechtskräftigem Einziehungsbescheid sowie auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren. Die Kontrolle sei „lautstark“ angekündigt worden, auf Klingeln und Rufen sei nicht reagiert worden bzw. sei die Tür verschlossen geblieben. Nach Androhung seien die Eingangstür sowie drei weitere Türen - wobei zwei davon getarnt gewesen seien - zwangsweise geöffnet worden. Erst durch diese Maßnahme sei es möglich gewesen, in den Raum mit den Glücksspielgeräten zu gelangen. Nach Aussage des Angestellten und zweier Spieler habe die Revisionswerberin diese Personen angewiesen, in den hinteren Raum zu gehen, wo sie eingesperrt worden seien. Die Revisionswerberin habe das Lokal durch eine Hintertür verlassen und die Glücksspielgeräte mit einem „Panikschalter“ abgeschaltet.
2 Mit Spruchpunkt I. des - im ersten Rechtsgang gefällten - Erkenntnisses vom 7. Jänner 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) u.a. die von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis als unbegründet ab und bestätigte es mit der Maßgabe, dass die Wortfolge „trotz ausdrücklichen verbalen Hinweis(es) der Kontrollorgane auf die gesetzliche Bestimmung des § 50 Abs. 4 GSpG und die Folgen der Nichteinhaltung gemäß § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG, die Zugangstür nicht geöffnet haben und somit das Betretungsrecht verweigert haben.“ durch die Wortfolge „keine Auskünfte erteilt, keine umfassende(n) Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen ermöglicht, keinen Einblick in geführte Aufzeichnungen, Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und nach dem GSpG aufzulegende Spielbeschreibungen gewährt sowie nicht dafür gesorgt haben, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber den Kontrollorganen nachkommt.“ ersetzt werde. Überdies wurde zu diesem Straferkenntnis die „Strafnorm“ ersetzt. Das Verwaltungsgericht stellte u.a. fest, dass Organe der Finanzpolizei am 6. April 2017 an einem näher genannten Ort eine Kontrolle nach dem GSpG durchgeführt hätten. Dazu habe ein bestimmter Organwalter laut an der Eingangstür geklopft und geläutet, sich als Organ der Finanzpolizei bezeichnet und auf die Kontrolle sowie die Verpflichtung zum Öffnen der Tür hingewiesen. Nachdem den mehrmaligen lautstarken Aufforderungen, die Türe zu öffnen, nicht Folge geleistet worden sei, hätten sich die Kontrollorgane zwangsweise Zugang zum Lokal verschafft. Letztlich hätten die Kontrollorgane in einem zwangsweise geöffneten Raum 21 Glücksspielgeräte sowie in einem weiteren zwangsweise geöffneten Raum einen Roulettetisch gefunden. Das Verwaltungsgericht traf in der Folge Feststellungen zu den aufgefundenen Geräten sowie zur Glücksspielsituation in Österreich und erläuterte seine Beweiswürdigung näher. Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zur angelasteten Verletzung der Mitwirkungspflicht aus, die Revisionswerberin habe gegen sämtliche der in § 50 Abs. 4 GSpG normierten Mitwirkungspflichten verstoßen und hätte wegen des vierfachen Verstoßes viermal bestraft werden müssen, was dem Verwaltungsgericht jedoch verwehrt sei. Vor diesem Hintergrund sei der Spruch zu berichtigen gewesen, wobei „die vorgeworfene Verwaltungsübertretung gleich“ bleibe und lediglich eine Konkretisierung in Bezug auf den Wortlaut erfolge.
3 Dieses Erkenntnis wurde in seinem Spruchpunkt I. und in seinem Spruchpunkt II., der den Ausspruch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens umfasst, vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. Juni 2019, Ra 2019/17/0034, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, dass im Verwaltungsstrafverfahren die Tathandlung mit „die Zugangstür nicht geöffnet haben und somit d(as) Betretungsrecht verweigert haben“ umschrieben worden sei. Das Verwaltungsgericht habe den Spruch nun dahingehend abgeändert, dass der Revisionswerberin der Gesetzestext des § 50 Abs. 4 GSpG angelastet worden sei, nämlich keine Auskünfte erteilt, keine umfassenden Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen ermöglicht, keinen Einblick in geführte Aufzeichnungen, Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und nach dem GSpG aufzulegende Spielbeschreibungen gewährt sowie nicht dafür gesorgt zu haben, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber den Kontrollorganen nachkomme. Der Verwaltungsgerichtshof betonte, dass es nicht ausreiche, die verba legalia zu wiederholen, ohne konkret anzugeben, durch welches Handeln der Beschuldigten es zur Verletzung der herangezogenen Strafbestimmung gekommen sei. Darüber hinaus könne mangels näherer Angaben, worauf die Annahme der Verwirklichung des Tatbestandes gestützt werde, auch nicht geprüft werden, ob es zu einem Austausch des Tatvorwurfes gekommen sei.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Erkenntnis vom 10. Juli 2019 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde gegen das Straferkenntnis als unbegründet ab und bestätigte dieses Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass die Strafsanktionsnorm „§ 52 Abs 1 Z 5 iVm § 52 Abs 2 GSpG“ durch die Strafsanktionsnorm „§ 52 Abs 1 Einleitungssatz GSpG“ ersetzt werde (Spruchpunkt I.). Weiters sprach es (u.a.) aus, dass die Revisionswerberin einen (näher bestimmten) Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe (Spruchpunkt II.a) und eine ordentliche Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, die Revisionswerberin sei zum Tatzeitpunkt „Inhaberin und Betreiberin des gegenständlichen Lokals“ gewesen. Sie sei „am Tag der Kontrolle selbst im Lokal anwesend [gewesen], [habe] dieses jedoch kurz vor der Kontrolle [verlassen].“ (vgl. ES 7).
6 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass - wenn trennbare Absprüche vorliegen - die Zulässigkeit einer Revision getrennt zu prüfen ist (vgl. VwGH 5.1.2022, Ra 2020/17/0093, mwN).
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 2.1. Die außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung nicht bestehen dürfe. Der Revisionswerberin sei im Spruch des Straferkenntnisses vorgeworfen worden, sie habe gegen ihre Duldungs- und Mitwirkungspflicht verstoßen, indem sie die Zugangstüre nicht geöffnet und somit das Betretungsrecht verweigert habe. In der Begründung des Erkenntnisses sei aber festgestellt worden, dass die Revisionswerberin zum Zeitpunkt der bezughabenden Kontrolle nach dem GSpG nicht anwesend gewesen sei.
8 2.2. Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig und berechtigt.
9 3.1. Die im zweiten Rechtsgang durch das Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis tragen die darin vorgenommene rechtliche Beurteilung einer unterlassenen Mitwirkungspflicht iSd § 50 Abs. 4 GSpG aufgrund nachstehender Erwägungen nicht:
10 Das Verwaltungsgericht stellte (u.a.) fest, die Revisionswerberin sei am Tag der Kontrolle im Lokal anwesend gewesen, habe dieses jedoch kurz vor der Kontrolle verlassen (vgl. ES 7). Der Revisionswerberin wurde im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hingegen vorgeworfen, sie habe „trotz ausdrücklichen verbalen Hinweis der Kontrollorgane [...] die Zugangstür nicht geöffnet“ (vgl. ES 19). Dieser insoweit mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte Spruch wird jedoch durch den vom Verwaltungsgericht nunmehr im zweiten Rechtsgang festgestellten Sachverhalt, insbesondere durch die ausdrückliche Feststellung, die Revisionswerberin habe das Lokal kurz vor Beginn der Kontrolle verlassen (vgl. ES 7), nicht getragen.
11 3.2. Damit ergibt sich ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, wodurch es insoweit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist.
12 4.1. Das angefochtene Erkenntnis war daher hinsichtlich seiner Spruchpunkte I. und II.a) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
13 4.2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
14 5.1. In Spruchpunkt II.b) des angefochtenen Erkenntnisses hat das Verwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Revisionswerberin zu einem näher genannten (anderen) Beschwerdeverfahren keine Kosten aufzuerlegen seien.
15 5.2. Dazu enthält die Revision kein Vorbringen. Sie erweist sich daher bereits deshalb in dieser Hinsicht als unzulässig, weshalb sie insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.
Wien, am 7. April 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019170097.L00Im RIS seit
29.04.2022Zuletzt aktualisiert am
09.05.2022