Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30. März 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in der Strafsache gegen N* J* wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 21. September 2021, GZ 36 Hv 41/21f-38, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde N* J* – soweit hier von Bedeutung – des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in S*
1/ am 5. Dezember 2020 * B* eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt, indem er ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, wodurch dieser zu Boden stürzte, und ihm anschließend, als dieser am Boden lag, zumindest einen Fußtritt gegen den Kopf und Fußtritte gegen den Oberkörper versetzte, wodurch dieser eine an sich schwere Körperverletzung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung in Form einer Luxation mehrerer Brücken und implantierter Zähne samt Rissquetschwunde an der Mundschleimhaut der Unterlippe sowie einer oberflächlichen Rissquetschwunde an der Stirn erlitt;
2/ am 3. August 2021 M* J* durch die Äußerung, „jetzt komme ich und breche die Tür mit dem Fuß auf“, verbunden mit Schlägen und einem Tritt gegen die Tür der gemeinsamen Wohnung, mithin durch Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, zu einer Handlung, nämlich zum Öffnen dieser Tür zu nötigen versucht.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
[4] Indem die Verfahrensrüge (Z 3) die ergänzende Verlesung von Aussagen, welche in der Hauptverhandlung vernommene Zeugen (M* J* [ON 13 S 9 und ON 37 S 27], * B* [ON 13 S 17] und Mag. * Bl* [ON 13 S 12]) im Ermittlungsverfahren abgelegt hatten, kritisiert, zeigt sie kein Nichtigkeit begründendes Unmittelbarkeitssurrogat im Sinn des § 252 Abs 1 StPO auf (RIS-Justiz RS0110150 [T3]; Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 68; Ratz ebd § 281 Rz 230). Gleiches gilt für die Verlesung eines Amtsvermerks (ON 3 S 3 ff in ON 21), in welchem unter anderem Aussagen der Zeugin M* J* zusammengefasst wiedergegeben sind (zu dort auch enthaltenen Angaben des Beschwerdeführers vgl RIS-Justiz RS0117390 [insb T1]).
[5] Welche weiteren früheren Aussagen in der Hauptverhandlung vernommener Zeugen (* T* und * L*) verlesen worden seien, legt die Rüge im Übrigen nicht dar.
[6] Die weitere (zu 1/ ausgeführte) Verfahrensrüge (Z 4) moniert die Abweisung des Antrags auf Vernehmung zweier Zeugen (ON 37 S 40 f). Einem Beweisantrag muss jedoch (soweit dies nicht offensichtlich ist) stets zu entnehmen sein, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erbringen soll. Die Begründung muss umso eingehender ausfallen, je fraglicher die Brauchbarkeit dieses Verfahrensschrittes im Lichte der übrigen Beweisergebnisse (im Antragszeitpunkt) ist (RIS-Justiz RS0099453 [T17]). Da die beiden von der Verteidigung genannten Personen als Zeugen im Ermittlungsverfahren weder eine Notwehrsituation, noch sonst unmittelbare Wahrnehmungen zur inkriminierten Tat geschildert hatten (vgl ON 2 S 24 und 29 f), unterblieb ihre Vernehmung in der Hauptverhandlung ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten. In der Rüge nachgetragene Argumente zur Plausibilisierung des Antragsvorbringens unterliegen dem Neuerungsverbot und bedürfen daher keiner Erwiderung (RIS-Justiz RS0099618).
[7] Indem die Mängelrüge (Z 5) zu Punkt 1/ behauptet, das Erstgericht stütze die Feststellungen zur subjektiven Tatseite „ausschließlich auf die Schilderungen des Zeugen * B*“, verfehlt sie die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370), die insoweit vor allem auf den (zuvor näher dargestellten) „objektiven Tatablauf“ verweisen (US 11; vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0116882).
[8] Mit dem gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachten haben sich die Tatrichter ohnehin ausführlich auseinandergesetzt (US 8 f und 10). Zu dessen ausdrücklicher Erörterung in allen Details waren sie schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS-Justiz RS0106642).
[9] Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt bloß das Vorbringen der Mängelrüge und vernachlässigt damit den wesensmäßigen Unterschied der – gesondert auszuführenden – Nichtigkeitsgründe (RIS-Justiz RS0115902).
[10] Die zu 2/ ausgeführte Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht dar, weshalb die Drohung mit der Beschädigung der Tür der nach dem Beschwerdevorbringen im Mitbesitz von Beschwerdeführer und Opfer stehenden (Ehe-)Wohnung keine Ankündigung der Schädigung am Vermögen (auch) des Opfers sei. Dass die Wohnung ausschließlich dem Vermögen des Beschwerdeführers zuzurechnen sei, behauptet dieser übrigens zu Recht (vgl ON 37 S 14 f und 29) nicht.
[11] Schließlich wird auch nicht erklärt, weshalb Feststellungen dazu erforderlich gewesen wären, dass sich das Opfer durch die inkriminierte Ankündigung „zumindest in der Anfangssituation“ tatsächlich nicht in Furcht und Unruhe versetzt gefühlt habe (vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0092160).
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[13] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[14] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E134554European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00003.22F.0330.000Im RIS seit
29.04.2022Zuletzt aktualisiert am
29.04.2022