TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/3 91/10/0150

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Veröffentlicht am 03.06.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/03 Weinrecht;

Norm

AVG §66 Abs4;
VwGG §28 Abs1 Z2;
WeinG 1985 §40 Abs1 Z2;
WeinG 1985 §60 Abs4;
WeinG 1985 §60 Abs5;
WeinG 1985 §65 Abs3 Z2;
WeinG 1985 §65 Abs3 Z6;
WeinG 1985 §66;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. Dezember 1990, Zl. 8 - 62 A 6/2 - 90, betreffend Beschränkung der Verwertung von beschlagnahmtem Wein gemäß § 60 Abs. 4 und 5 des Weingesetzes 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Der Beschwerdeführer ist Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die das Weingut "XY" in R betreibt.

Am 22. Juni 1989 wurden vom Bundeskellereiinspektor im genannten Betrieb 2.800 Stück 0,7 l Flaschen mit Weißwein "Welschriesling", Jahrgang 1988, vorläufig beschlagnahmt. Am selben Tag beantragte die Bundeskellereiinspektion bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Leibnitz die Erlassung eines Beschlagnahmebescheides im Sinne des § 40 Abs. 7 des Weingesetzes 1985, BGBl. Nr. 444 (im folgenden: WeinG 1985), weil dieser in Verkehr gesetzte Wein nur beschränkt verkehrsfähig sei (es bestehe ein unzulässiges Verhältnis zwischen Alkohol und zuckerfreiem Extrakt).

Mit Bescheid vom 4. Juli 1989 beschlagnahmte die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz gemäß § 40 Abs. 7 WeinG 1985 dem Beschwerdeführer eine Menge von ca. 2.800 Stück 0,7 l Flaschen der Sorte "Welschriesling", Jahrgang 1988. Dieser als Mandatsbescheid erlassene Beschlagnahmebescheid wurde rechtskräftig.

Am 21. Juli 1989 erstattete die Bundeskellereiinspektion Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes eines Verstoßes gegen § 60 Abs. 4 und 5 WeinG 1985 in Verbindung mit § 7c Abs. 1 lit. b der Weinverordnung 1961 (Inverkehrbringen beschränkt verkehrsfähigen Weines).

1.2. Mit Straferkenntnis vom 10. Jänner 1990 legte die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz dem Beschwerdeführer zur Last, er habe am 22. Juni 1989 im genannten Weingut, wie anläßlich einer amtlichen Nachschau durch den Bundeskellereiinspektor und durch das Vollgutachten der landwirtschaftlich-chemischen Bundesanstalt in Wien vom 13. Juli 1989 festgestellt worden sei, 2.800 0,7 l Flaschen Weißwein "Welschriesling", Jahrgang 1988, zum Verkauf bereitgehalten, obwohl der Wein nur beschränkt verkehrsfähig gewesen sei. Dadurch habe der Beschwerdeführer § 60 Abs. 4 und 5 WeinG 1985 in Verbindung mit § 7c Abs. 1 lit. b der Weinverordnung 1961 sowie § 9 VStG verletzt. Gemäß § 65 Abs. 3 Z. 6 WeinG 1985 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzarrest von 3 Tagen) verhängt. Unter der Rubrik "Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung der Vorhaft)" findet sich folgender Ausspruch:

"Gemäß § 60 Abs. 5 Weingesetz 1985 i.d.g.F. dürfen die beschlagnahmten 2.800/0,7 l Flaschen Weißwein 'Welschriesling' Jahrgang 1988, nur in Gegenwart der Bundeskellereiinspektion zur Verwertung an einen Verarbeitungsbetrieb abgegeben werden."

Nach der Begründung dieses Bescheides wird der Rechtfertigung des Beschwerdeführers, er habe den Wein nicht in Verkehr gebracht, entgegengehalten, es wäre unsinnig, den Wein in Flaschen abzufüllen, wenn dieser dann nicht verkauft werden solle. Auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1986, Zlen. 86/10/0107 bis 0110, zum Begriff des Bereithaltens zum Verkauf werde hingewiesen. Die Verkaufsabsicht werde nicht nur durch das Abfüllen des Weines, sondern auch dadurch untermauert, daß für diesen Wein am 12. April 1989 um Erteilung einer staatlichen Prüfnummer angesucht worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Der Wein habe sich am 22. Juni 1989 erst in einem Zwischenlager befunden, eine Etikettierung sei noch nicht erfolgt gewesen; der Antrag auf Erteilung einer staatlichen Prüfnummer mache nach außen hin deutlich, der Beschwerdeführer habe den Wein als Qualitätswein veräußern und daher nicht vor Zuerkennung der Prüfnummer weiterverwerten wollen. Ein Inverkehrbringen liege daher nicht vor. Da somit der Tatbestand des § 65 Abs. 3 Z. 6 WeinG 1985 nicht erfüllt sei, fehle dem Ausspruch eines Verfalles gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. die gesetzliche Grundlage.

1.3. Mit Bescheid vom 10. Dezember 1990 (Spruchpunkt I) behob der Landeshauptmann von Steiermark das erstinstanzliche Straferkenntnis und stellte das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 ein.

Spruchpunkt II des Berufungsbescheides lautet:

"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 wird die Verfügung gemäß § 60 Abs. 5 Weingesetz 1985/BGBl. Nr. 444 des angefochtenen Bescheides bestätigt. Die angesprochene Verfügung hat wie folgt zu lauten: Gemäß § 60 Abs. 4 und 5 Weingesetz 85/BGBl. Nr. 444 in Verbindung mit der Weinverordnung 1961 i.d.F. der Novelle 86/BGBl. Nr. 372 dürfen die beschlagnahmten

2.800 0,7-l-Flaschen Weißwein 'Welschriesling' Jahrgang 1988 nur zur Verwertung an Verarbeitungsbetriebe abgegeben werden, da dieser Wein mit 10,9 Alkoholvolumsprozenten nur 15,0 g anstatt zumindest 16,0 g zuckerfreiem Extrakt/Liter enthält."

Nach der Begründung dieses Bescheides zu Spruchpunkt I habe der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren vor der Berufungsbehörde den Nachweis erbracht, daß er im Betrieb einen verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG bestellt hatte. Der Strafausspruch gegen den Beschwerdeführer sei zu beheben gewesen.

Die im Spruchpunkt II enthaltene Verfügung sei von der erstinstanzlichen Behörde jedoch zu Recht getroffen worden. Für die Beschlagnahme vom 4. Juli 1989 und die nunmehr angefochtene Verfügung sei allein die Tatsache maßgebend, daß der Wein mit 11 Alkoholvolumsprozenten entgegen § 7c Abs. 1 lit. b der Weinverordnung 1961 nicht 16,5 g zuckerfreien Extrakt pro Liter aufweise. Gemäß § 60 Abs. 5 WeinG 1985 dürfe Wein, der unter anderem den bezeichneten qualitativen Mangel aufweise, nur zur Verwertung an Verarbeitungsbetriebe abgegeben werden.

1.4. Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Die Verfügung, daß der beschlagnahmte Wein nur zur Verwertung an Verarbeitungsbetriebe abgegeben werden dürfe, schließe jede freie Verfügung des Beschwerdeführers über den Wein aus und finde in § 60 Abs. 4 und 5 WeinG 1985 keine denkmögliche Grundlage. § 60 Abs. 5 leg. cit. normiere nämlich nicht, daß beschränkt verkehrsfähiger Wein an einen Verarbeitungsbetrieb übergeben werden müsse, wie dies im angefochtenen Bescheid angeordnet werde. Dem Beschwerdeführer sei die mögliche Verfügung durch Eigenverbrauch oder Vernichtung genommen. Im übrigen sei eine Aufrechterhaltung der Beschlagnahme in § 40 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. nicht gedeckt. Der Beweissicherungszweck sei nämlich mit rechtskräftiger Einstellung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer weggefallen; ein Verfall von Wein, der im Sinne des § 60 Abs. 4 leg. cit. nur beschränkt verkehrsfähig sei, sei im Weingesetz nirgends normiert.

Mit Beschluß vom 10. Juni 1991, B 112/91, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab. Antragsgemäß wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

1.5. In seiner Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die im Bescheid ausgesprochene Verfügung über den beschlagnahmten Wein geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, über den von ihm erzeugten und in 2.800 0,7 l Flaschen abgefüllten Weißwein "Welschriesling", Jahrgang 1988, "außer durch seine Verwertung sonst wie zu verfügen".

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Im Rubrum der Verfassungsgerichtshofbeschwerde und der Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof nennt der Beschwerdeführer als belangte Behörde zwar die Steiermärkische Landesregierung, im Text der Beschwerdeergänzung spricht er jedoch vom Landeshauptmann von Steiermark als belangter Behörde; auch liegt der angefochtene Bescheid der Beschwerde bei, welcher vom Landeshauptmann erlassen wurde. Die Bezeichnung der Steiermärkischen Landesregierung als belangter Behörde im Beschwerderubrum beruht daher auf einem offensichtlichen Versehen. Als belangte Behörde, gegen die sich die vorliegende Beschwerde wendet, hat somit der Landeshauptmann von Steiermark zu gelten.

2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die im Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides getroffene Verfügung habe eine im Zuge eines VerwaltungsSTRAFverfahrens erfolgte Beschlagnahme der gegenständlichen Weinmenge betroffen. Nach rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens sei einer Beschlagnahme jede Rechtsgrundlage entzogen. Infolge der Einstellung sei auch kein Ausspruch des Verfalls erfolgt. Der beschlagnahmte Wein sei auch kein mögliches Beweismittel für dieses Strafverfahren mehr. Zu Unrecht habe die belangte Behörde somit durch ihre Verfügung über den beschlagnahmten Wein die Beschlagnahme über das rechtskräftig beendete Strafverfahren hinaus aufrechterhalten und damit dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen, über seinen Wein anders als durch seine Abgabe an einen Verarbeitungsbetrieb zu verfügen. Er dürfte den Wein nicht einmal wegschütten oder selbst trinken.

Im vorliegenden Fall sei aktenkundig, daß der Wein nicht dazu gelagert worden sei, um verkauft zu werden. Der Beschwerdeführer habe eine Prüfnummer für den gegenständlichen Wein als Qualitätswein beantragt und auch selbst eine Probe zur Begutachtung zur Verfügung gestellt. Damit habe er eindeutig und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß er diesen Wein nur als Qualitätswein zu veräußern beabsichtige. Zur Erreichung des Stadiums der "Bereithaltung" zum Verkauf hätte es der entsprechenden Etikettierung des Weines und der Anbringung der Banderole bedurft. In dieses Stadium sei diese Weinmenge nie gelangt, weil die angestrebte Genehmigung zur Bezeichnung des Weines als Qualitätswein nicht erteilt worden sei, da die Prüfung der Proben ergeben habe, daß der Wein nicht einmal verkehrsfähig sei. Der Wein sei von der Kellereiinspektion schon beschlagnahmt worden, als dem Beschwerdeführer die Prüfungsergebnisse noch unbekannt gewesen seien. In diesem Zeitpunkt sei die Weinmenge somit noch nicht zum Verkauf bereitgehalten worden.

Besitz und Lagerung eines nicht verkehrsfähigen Weines im Sinne des § 60 Abs. 4 sei nicht unzulässig, wenn auch eine Abgabe nur an Verarbeitungsbetriebe erlaubt sei.

2.3. § 60 WeinG 1985 mit der Überschrift "Verkehrsunfähige und beschränkt verkehrsfähige Weine und Obstweine" lautet auszugsweise (Absatzbezeichnung in der Fassung vor der Novelle 1991, BGBl. Nr. 10/1992):

"(4) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz durch Verordnung die für die Verkehrsfähigkeit von Wein erforderlichen Mindestwerte an Alkohol, zuckerfreiem Extrakt, Asche und Gesamtsäure festzulegen. ...

(5) Weine, die die gemäß Abs. 4 festgesetzten Werte nicht aufweisen, dürfen nur zur Verwertung an Verarbeitungsbetriebe abgegeben werden. Dieser Verwertung unterliegt auch ein Getränk, das dem Erfordernis gemäß § 1 Abs. 1 nicht entspricht."

Gemäß § 65 Abs. 3 Z. 6 leg. cit. (in der Fassung vor der Novelle 1991) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Wein oder Getränke entgegen den Bestimmungen des § 60 Abs. 4 und 5 in Verkehr bringt.

§ 66 WeinG 1985 regelt den Verfall und bestimmt auszugsweise:

"(2) Im Falle der Bestrafung wegen Übertretung nach § 65 Abs. 3 ist im Straferkenntnis auf die Beseitigung der vorschriftswidrigen Bezeichnung oder, wenn das Getränk nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nur unter einer bestimmten Bezeichnung in Verkehr gebracht werden darf, auch auf die Anbringung der fehlenden Bezeichnung zu erkennen. Sind diese Maßnahmen nicht möglich, so ist der Verfall auszusprechen. Die Kosten dieser Maßnahmen hat die Partei zu tragen.

(3) Zur Sicherung der Maßnahmen gemäß Abs. 1 und 2 kann die Bezirksverwaltungsbehörde schon während des Verfahrens die Beschlagnahme des Getränkes verfügen.

(4) Ist die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht zulässig oder nicht ausführbar, so können die nach den Abs. 1 und 2 zulässigen Verfügungen selbständig getroffen werden. Gegen die Verfügung, die allen Beteiligten bekanntzugeben ist, steht jedem Beteiligten die Berufung zu. Dieser kommt eine aufschiebende Wirkung nicht zu."

2.4. Am 22. Juni 1989 beschlagnahmte der Bundeskellereiinspektor im Weingut "XY" in R den in 2.800 0,7 l Flaschen abgefüllten Wein der Sorte "Welschriesling" vorläufig; die Bundeskellereiinspektion beantragte einen Beschlagnahmebescheid. Mit Mandatsbescheid vom 4. Juli 1989 sprach die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz die Beschlagnahme dieses Weines gemäß § 40 Abs. 7 WeinG 1985 in der Fassung BGBl. Nr. 372/1986, wonach die Bundeskellereiinspektion im Falle einer vorläufigen Beschlagnahme bei Verdacht einer Verwaltungsübertretung bei der Verwaltungsbehörde einen förmlichen Beschlagnahmebescheid zu beantragen hat. Gemäß § 41 Abs. 1 WeinG 1985 in der Fassung BGBl. Nr. 372/1986 stand ab Erlassung des Beschlagnahmebescheides nach § 40 Abs. 7 leg. cit. das Verfügungsrecht über die beschlagnahmten Getränke und Behälter der Behörde zu, die die Beschlagnahme verfügt hat.

Es ist nun zunächst zu fragen, welchen normativen Inhalt folgender, im erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 10. Jänner 1990 unter der Rubrik "Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft)" angeführte Spruchteil hat:

"Gemäß § 60 Abs. 5 Weingesetz 1985 i.d.g.F. dürfen die beschlagnahmten 2.800/0,7 l Flaschen Weißwein 'Welschriesling' Jahrgang 1988, nur in Gegenwart der Bundeskellereiinspektion zur Verwertung an einen Verarbeitungsbetrieb abgegeben werden."

Dieser Ausspruch bedeutet - im Zusammenhang mit dem ersten Spruchteil, in dem dem Beschwerdeführer die Übertretung des § 60 Abs. 4 und 5 leg. cit. zur Last gelegt wurde -, daß dem Beschwerdeführer die Verfügungsmacht über den beschlagnahmten Wein weiterhin entzogen bleiben und nur in Gegenwart der Bundeskellereiinspektion eine Abgabe zur Verwertung an einen Verarbeitungsbetrieb zulässig sein sollte. Dabei legt der Verwaltungsgerichtshof den Spruchteil so aus, daß nicht hinsichtlich der vormals beschlagnahmten Flaschen eine Verfügung getroffen wird, sondern die Verfügung die (gegenwärtig und weiterhin) "beschlagnahmten Flaschen" zum Gegenstand hat, also die Beschlagnahmewirkung aufrecht erhält. Der zweite Spruchteil des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erschöpft sich nicht in einer Wiederholung der Anordnung des § 60 Abs. 5 WeinG 1985, deren Übertretung dem Beschwerdeführer ohnedies im ersten Spruchteil zum Vorwurf gemacht wird, was sich schon darin zeigt, daß der (erstinstanzliche) Bescheid die Abgabe zur Verwertung "nur in Gegenwart der Bundeskellereiinspektion" erlaubt. Materiell handelte es sich daher nicht um eine administrative Anordnung, sondern um eine mit dem Strafausspruch verbundene Anordnung eigener Art (Erstreckung der Beschlagnahmewirkungen, verbunden mit der Anordnung einer Abgabe zur Verwertung an Verarbeitungsbetriebe). In der - nicht normativen - Zustellverfügung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses kommt diese Intention - sprachlich unvollständig - deutlich zum Ausdruck, wenn es in der Verfügung der nachrichtlichen Zustellung an die Bundeskellereiinspektion heißt: "Die amtliche Beschlagnahme der gegenständlichen 2.800/0,7 - Flaschen Weißwein 'Welschriesling' nur unter der Bedingung aufzuheben, daß dieser Wein nur zur Verwertung an Verarbeitungsbetriebe abgegeben wird."

Ohne daß die Erstbehörde den Begriff des Verfallsausspruches verwendet oder sich auf den § 66 WeinG 1985 gestützt hätte, kommt die Wirkung des Ausspruches des Verlustes der Verfügungsmacht des Beschwerdeführers einem Verfall nahe.

Für einen Ausspruch dieses Inhaltes bietet das Gesetz jedoch keine Grundlage, denn für eine Verlängerung der Beschlagnahme bestand im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses kein Grund mehr. Zu Recht weist nämlich der Beschwerdeführer darauf hin, daß eine Beschlagnahme gemäß § 40 Abs. 1 Z. 2 WeinG 1985 nur zulässig ist, wenn anzunehmen ist, daß das Getränk ohne Beschlagnahme einer allfälligen Verfallserklärung entzogen oder in seiner Beschaffenheit so verändert wird, daß es in seiner Eigenschaft als Beweismittel beeinträchtigt wird. Nach Abschluß des Verwaltungsstrafverfahrens hat die Strafbehörde daher nur die Wahl, eine Verfallserklärung vorzunehmen oder nicht. Eine bedingte Aufrechterhaltung der Beschlagnahme ist rechtswidrig.

Diesen Spruchteil des erstinstanzlichen Bescheides hat nun die belangte Berufungsbehörde unter Bezugnahme auf § 66 Abs. 4 AVG bestätigt, während sie den Schuld- und Strafausspruch behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer eingestellt hat. Ungeachtet der geringfügigen Umformulierung des angefochtenen zweiten Spruchteiles legt der Verwaltungsgerichtshof diesen Abspruch so aus wie den erstinstanzlichen, nämlich dahingehend, daß die Verfügung die (gegenwärtig und weiterhin) "beschlagnahmten Flaschen" zum Gegenstand hat und damit die Beschlagnahmewirkung aufrecht erhält. Daß bei der gegebenen Verfahrenssituation dazu Anlaß bestanden hätte, wurde in der Bescheidbegründung nicht ausgeführt und ist nach der Aktenlage auch nicht erkennbar. Auch für die Berufungsbehörde hätte sich nur die Möglichkeit geboten, die vom Gesetz vorgesehene Verfallsanordnung zu treffen - diesfalls als selbständige Verfallserklärung in Anwendung des § 66 Abs. 4 WeinG 1985 und zwar nach Durchführung eines eigenen Verfahrens mit möglicherweise anderen Beteiligten, wie sich aus § 66 Abs. 4 zweiter Satz leg. cit. ergibt. Die getroffene Anordnung der belangten Behörde erweist sich daher als gesetzwidrig.

2.5. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde zu beachten haben, daß das Weingesetz 1985 einen Ausspruch in der Art des angefochtenen Bescheides - jedenfalls - dann nicht vorsieht, wenn das Tatbild einer Verwaltungsübertretung nach § 60 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 5 WeinG 1985 verwirklicht wurde. Diesfalls kommt, wie bereits ausgeführt, nur der Ausspruch des Verfalls nach § 66 Abs. 2 oder des selbständigen Verfalls nach § 66 Abs. 4 WeinG 1985 in Betracht. Auch im letzteren Fall ist die Tatbestandsverwirklichung Gegenstand der Prüfung durch die Behörde.

Weine, die die gemäß § 60 Abs. 4 WeinG 1985 festgesetzten Werte nicht aufweisen, dürfen gemäß § 60 Abs. 5 leg. cit. nur zur Verwertung an Verarbeitungsbetriebe abgegeben, das heißt sonst nicht in Verkehr gebracht werden. Was die Begriffe des Inverkehrbringens von Wein im Sinn des § 60 und des § 65 Abs. 3 Z. 6 WeinG 1985 anlangt, ist auf die beispielsweise Aufzählung in § 65 Abs. 3 Z. 2 hinzuweisen, wonach das Bereithalten zum Verkauf und das Verkaufen eine Form des Inverkehrbringens darstellen (arg.: "... oder sonst in Verkehr bringt"). Der Verwaltungsgerichtshof hält an seiner im hg. Erkenntnis vom 15. September 1986, Zlen. 86/10/0107 bis 0110

= ZfVB 1987/3/1247, ausgesprochenen Rechtsanschauung fest, es sei im Falle des Vorfindens von Wein in einem Weinerzeugungsbetrieb davon auszugehen, daß dieser - sofern keine in der Außenwelt in Erscheinung tretenden, objektiven Merkmale vorhanden sind, die diese Annahme verläßlich ausschließen lassen - an sich zum Verkauf bereitgehalten wird. Bei der Beweiswürdigung wird die Behörde auch die vom Beschwerdeführer zum Beweis dafür, daß die gegenständlichen Flaschen noch nicht zum Verkauf bereitgehalten oder sonst in Verkehr gebracht worden seien, ins Treffen geführten Umstände, in ihre Erwägungen einzubeziehen haben.

2.6. Aus den vorstehenden Erwägungen des Punktes 2.4. folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Spruchteil II des Berufungsbescheides mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat.

Der angefochtene Spruchpunkt II dieses Bescheides war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren auf Ersatz der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits mit dem Schriftsatzaufwandpauschale abgegolten ist.

2.8. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Umfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte Parteistellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1991100150.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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