TE Vwgh Beschluss 2022/3/24 Ro 2021/10/0019

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Veröffentlicht am 24.03.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
70/02 Schulorganisation
70/06 Schulunterricht

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchOG 1962 §68a Abs2
SchUG 1986 §11 Abs6
SchUG 1986 §3 Abs1 litc idF 2017/I/138
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision der Bildungsdirektion für Oberösterreich gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. September 2021, Zl. W203 2242313-1/2E, betreffend Aufnahme als ordentliche Schülerin (mitbeteiligte Partei: mj. L P, vertreten durch B P in S), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Oberösterreich - der nunmehrigen Amtsrevisionswerberin - vom 9. April 2021 wurde der Widerspruch der mitbeteiligten Partei gegen die Entscheidung des Schulleiters einer näher genannten Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe vom 25. Februar 2021, mit der die Aufnahme der mitbeteiligten Partei abgelehnt worden war, als unbegründet abgewiesen.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. September 2021 wurde der dagegen von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde stattgegeben und „festgestellt“, dass die mitbeteiligte Partei die Voraussetzungen für die Aufnahme an der in Rede stehenden Lehranstalt erfülle. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

3        Den zuletzt genannten Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die Entscheidung von der Lösung insbesondere von folgender Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme:

„Schließt der Umstand, dass ein Pflichtgegenstand verpflichtend als Vorprüfung für die Reife- und Diplomprüfung vorgesehen ist, die Möglichkeit der Befreiung von der Teilnahme an diesem Pflichtgegenstand iSd § 11 Abs. 6 SchUG jedenfalls aus?“.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

5        Das Verwaltungsgericht legte die Akten vor.

6        Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

7        Die Revision erweist sich als unzulässig:

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 31.3.2021, Ro 2021/10/0002; 5.10.2020, Ro 2020/10/0003 bis 0004; 3.7.2020, Ro 2019/10/0034). Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. VwGH 5.10.2020, Ro 2020/10/0023; 3.9.2020, Ro 2020/10/0021; 3.7.2020, Ro 2019/10/0034).

11       Die vorliegende Amtsrevision wiederholt in ihrer gesonderten Zulässigkeitsbegründung - nach zusammenfassender Wiedergabe der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses - lediglich die vom Verwaltungsgericht genannte Rechtsfrage; weder wird die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes insofern ergänzt noch werden andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung geltend gemacht.

12       Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt allerdings nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180-0182, 0187; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).

13       Letzterem wurde hier aber nicht entsprochen:

14       Die im Revisionsfall maßgebliche Bestimmung des § 3 Abs. 1 lit. c Schulunterrichtsgesetz, BGBl. Nr. 472/1986 idF BGBl. I Nr. 138/2017 (SchUG), lautet:

„Aufnahme als ordentlicher Schüler

§ 3. (1) Als ordentlicher Schüler ist nach Maßgabe des § 5 aufzunehmen, wer

...

c)   die Eignung für die betreffende Schulart besitzt, zu deren Feststellung im Zweifelsfalle ein Gutachten des Schularztes oder des Amtsarztes einzuholen ist.“

15       Diese Bestimmung findet sich bereits im Schulunterrichtsgesetz 1974, wobei die dort vor dem Wort „Eignung“ enthaltene Wortfolge „gesundheitliche und körperliche“ im wiederverlautbarten SchUG 1986 durch die Novelle BGBl. I Nr. 20/2006 gestrichen wurde. Dies wurde in den Materialien (1166 BlgNR 22. GP, S. 12) wie folgt begründet:

Zu Art. 4 Z 1 (§ 3 Abs. 1 lit. c):

In Erfüllung des aktuellen Regierungsprogrammes wird die in § 3 des Schulunterrichtsgesetzes enthaltene behindertendiskriminierende Aufnahmsvoraussetzung der ‚gesundheitlichen und körperlichen Eignung‘ durch den generellen Begriff ‚Eignung‘ ersetzt. Das grundsätzliche Festhalten am Erfordernis der Eignung für die betreffende Schulart erfolgt im Hinblick auf die für bestimmte Schularten vorgesehene Eignungsprüfung (zB Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik und für Sozialpädagogik, kunstgewerbliche Fachschulen, allgemein bildende höhere Schulen und Hauptschulen unter besonderer Berücksichtigung der musischen oder der sportlichen Ausbildung).“

16       Nach Ausweis dieser Materialien ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber - lediglich - im Hinblick auf die für bestimmte Schularten vorgesehenen Eignungsprüfungen am Erfordernis der Eignung für die betreffende Schulart „grundsätzlich“ festgehalten hat. Dass im Revisionsfall aber im Hinblick auf die hier in Rede stehende Schulart eine derartige Eignungsprüfung (unter Einschluss etwa einer diesbezüglichen Feststellung der körperlichen Eignung) vorgesehen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt (vgl. zu Eignungsprüfungen für bestimmte Schularten unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Feststellung der körperlichen Eignung im Rahmen der Eignungsprüfung die Verordnung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport über Aufnahms- und Eignungsprüfungen, BGBl. Nr. 291/1975 idF BGBl. II Nr. 264/2020).

17       Entgegen der offenbar sowohl vom Verwaltungsgericht als auch von der Amtsrevisionswerberin zugrunde gelegten Ansicht ist § 3 Abs. 1 lit. c SchUG nicht zu entnehmen, dass eine Zulassung als ordentlicher Schüler zu versagen wäre, wenn - was von der Amtsrevisionswerberin bejaht, vom Verwaltungsgericht hingegen verneint wird - eine Befreiung von der Teilnahme an einem Pflichtgegenstand iSd § 11 Abs. 6 SchUG deshalb nicht möglich wäre, weil dieser Pflichtgegenstand verpflichtend als Vorprüfung für die Reife- und Diplomprüfung vorgesehen ist. Soweit sich das Verwaltungsgericht insofern auf eine Literaturstelle (Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht14, 2015, FN 6a zu § 3 SchUG) bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass dort - offenbar irrtümlich - unter falscher Setzung eines Ausführungszeichens der Eindruck erweckt wird, der dort enthaltene (wie zu ergänzen ist: ohnehin bloße) Hinweis (u.a.) „auf die Möglichkeit der Befreiung von Pflichtgegenständen gemäß § 11 Abs. 6 SchUG sowie der lehrplanmäßigen Berücksichtigung von Körper- und Sinnesbehinderung (siehe das Schulorganisationsgesetz, und zwar ... § 68a Abs. 2 [berufsbildende höhere Schulen]“ sei den oben wiedergegebenen Materialien (1166 BlgNR 22. GP, S. 12) entnommen, was allerdings nicht der Fall ist. Dass der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 lit. c SchUG die Aufnahme als ordentlicher Schüler davon abhängig machen wollte, dass eine Befreiung von der Teilnahme an einzelnen Pflichtgegenständen gemäß § 11 Abs. 6 SchUG bzw. eine Festlegung von Abweichungen vom Lehrplan für körperbehinderte und sinnesbehinderte Schüler gemäß § 68a Abs. 2 SchOG (wie aufgrund der Revisionsausführungen zu ergänzen ist: mit Blick lediglich auf die Frage, ob dadurch ein Abschluss der betreffenden Schule erzielbar ist) „möglich“ ist, kann weder dem Wortlaut noch den wiedergegebenen Materialien zu dieser Bestimmung entnommen werden.

18       Davon ausgehend wird mit der wiedergegebenen Zulässigkeitsbegründung aber nicht konkret dargetan, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt.

19       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. März 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021100019.J00

Im RIS seit

28.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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