TE OGH 2022/2/4 4R214/21h

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Veröffentlicht am 04.02.2022
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Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Huber und den Senatspräsidenten Dr. Gosch als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, dieser wiederum vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, wider die beklagte Partei F*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen (eingeschränkt) EUR 19.572,52 s.A., über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 17.12.2021, 10 Cg 63/19h-81, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

1. Die Rekursbeantwortung, deren Kosten die beklagte Partei selbst zu tragen hat, wird z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Dem Rekurs wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluss ersatzlos a u f g e h o b e n und dem Erstgericht die Zustellung der Streitverkündung (ON 79) an die streitverkündete Partei aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Der Revisionsrekurs ist n i c h t zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit ihrer am 8.7.2019 beim Erstgericht eingebrachten (Mahn-)Klage begehrte die klagende Partei von der beklagten Partei - nach mittlerweiliger Einschränkung - die Zahlung von EUR 19.572,52 s.A. aus den Titeln der Gewährleistung und des Schadenersatzes und brachte dazu vor, die Klägerin sei von einem Hotelbetrieb mit dem Einbau von Mosaikfliesen der Firma D***** beauftragt worden, welche sie von der beklagten Partei bezogen habe. Trotz Einhaltung aller Verlegevorschriften seien die von der Klägerin angebrachten Glasmosaikfliesen nach kurzer Zeit blind geworden und hätten rote und trübe Einfärbungen aufgewiesen, sodass sie der Bauherrschaft gegenüber Verbesserungen durchführen habe müssen. Es habe sich herausgestellt, dass die Verlegevorschriften für diese Mosaikfliesen ungeeignet gewesen seien und das Material für Nassräume schlichtweg nicht verwendbar sei, worüber die Beklagte die Klägerin nicht aufgeklärt habe und wofür sie einzustehen habe.

Gegen den vom Erstgericht antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl erhob die beklagte Partei fristgerecht Einspruch, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, sie habe weder das Bauvorhaben noch den Einsatzbereich der Mosaikfliesen gekannt. Zudem habe die Klägerin die Verlegearbeiten unsachgemäß durchgeführt. Die Beklagte treffe daher keinerlei Haftung für die nunmehr behaupteten Schäden, vielmehr habe die Klägerin die behaupteten Mängel am Mosaik selbst zu vertreten. Gleichzeitig mit dem Einspruch verkündete die Beklagte der Firma D*****, von der sie die Fliesen bezog, den Streit und forderte diese auf, auf ihrer Seite diesem Rechtsstreit beizutreten. Diese Streitverkündung wurde der streitverkündeten Partei am 3.3.2020 zugestellt (ON 31), ohne dass die streitverkündete Partei nachfolgend dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin beitrat.

Mit Urteil vom 22.11.2021 wies das Erstgericht das eingeschränkte Klagebegehren zur Gänze ab, wobei die Klägerin dagegen mittlerweile Berufung erhoben hat.

Mit dem am 9.12.2021 beim Erstgericht eingebrachten Schriftsatz verkündete auch die Klägerin der Firma D***** den Streit und forderte diese auf, dem Verfahren als Nebenintervenientin auf ihrer Seite beizutreten. Gleichzeitig beantragte sie der streitverkündeten Partei eine Ausfertigung sämtlicher Schriftsätze der Parteien sowie des Urteils zuzustellen (ON 79).

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Zustellung der Streitverkündung sowie sämtlicher übrigen Schriftsätze beider Parteien sowie des Urteils an die streitverkündete Partei mit der Begründung ab, es sei dieser bereits die seitens der beklagten Partei erfolgte Streitverkündung zugestellt worden, sodass der dasselbe Ziel verfolgende Antrag der klagenden Partei abzuweisen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der fristgerechte Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, in Stattgebung des Rekurses den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Zustellung der Streitverkündung an die streitverkündete Partei samt aller weiteren Schriftsätze und des Urteils aufzutragen.

Die beklagte Partei erstattete eine Rekursbeantwortung, in der sie beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Streitverkündung ist die förmliche Benachrichtigung eines Dritten von einem bevorstehenden oder bereits anhängigen Rechtsstreit durch eine Partei dieses Rechtsstreits (Schneider in Fasching/Konecny³ § 21 ZPO Rz 1 mwN). Das Gericht hat den die Streitverkündung enthaltenden Schriftsatz nur auf die Einhaltung der Formvorschriften zu prüfen, im Übrigen aber den Schriftsatz ohne weiteren Beschluss gemäß § 25 ZPO zuzustellen (7 Ob 213/98v; JBl 1984, 265). Ein Zwischenstreit, ob die Streitverkündung begründet oder aus einem anderen Grund nicht statthaft ist, findet nicht statt. Ob der, dem der Streit verkündet wurde, ein rechtliches Interesse für einen Beitritt als Nebenintervenient hat, ist erst nach erfolgtem Beitritt aufgrund eines Zurückweisungsantrags einer Prozesspartei zu beurteilen (6 Ob 195/01x).

Daraus folgt:

1. Bei der Streitverkündung handelt es sich um keinen Zwischenstreit, die Rechtsposition des Prozessgegners der streitverkündenden Partei wird durch eine solche Streitverkündung nicht tangiert, er ist daher auch durch eine solche Streitverkündung nicht beschwert. Damit ist allerdings auch das Rekursverfahren einseitig, sodass die Rekursbeantwortung der beklagten Partei unzulässig und daher zurückzuweisen ist.

2. Nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 8.4.1997, 1 Ob 2123/96d (= SZ 70/60), erstrecken sich die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils soweit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligt, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses im Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren soweit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand. Dies gilt jedoch nicht auch für denjenigen, der sich am Vorprozess nicht beteiligte, dem aber auch gar nicht der Streit verkündet worden war.

Die seitens der beklagten Partei erfolgte Streitverkündung an die Firma D***** erzeugt nur insoweit Wirkung, als die streitverkündete Partei, die dem Rechtsstreit nicht beitrat, in einem allfälligen Regressprozess der beklagten Partei ihr gegenüber keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden mehr erheben dürfte, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung im gegenständlichen Rechtsstreit im Widerspruch stünden. Dies gilt allerdings nicht für einen allfälligen, dem gegenständlichen Rechtsstreit nachfolgenden Prozess der klagenden Partei gegenüber der Firma D*****, solange ihr nicht die klagende Partei den Streit verkündet und sie auffordert, auf ihrer Seite dem gegenständlichen Rechtsstreit beizutreten. Die Bindungswirkung besteht nur gegenüber demjenigen, der ihm im Hauptprozess den Streit verkündet hat, nicht aber auch gegenüber dem am Hauptprozess beteiligten Prozessgegner (10 Ob 144/05g; RIS-Justiz RS0107338 [T15]).

Die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die nunmehrige Streitverkündung seitens der klagenden Partei gegenüber der Firma D***** dasselbe Ziel verfolge wie die seinerzeitige Streitverkündung seitens der beklagten Partei, erweist sich daher als nicht zutreffend, weshalb in Stattgebung des Rekurses der klagenden Partei der angefochtene Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Zustellung der Streitverkündung an die streitverkündete Partei aufzutragen war.

Mangels Vorliegens eines Zwischenstreits stellen die Rekurskosten weitere Kosten des Verfahrens dar.

Infolge Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ist der Revisionsrekurs nicht jedenfalls unzulässig, die Voraussetzungen für die Zulassung liegen allerdings im Hinblick auf die zitierte einheitliche Judikatur nicht vor, abgesehen davon, dass mit der gegenständlichen Entscheidung weder für die klagende Partei noch für die beklagte Partei eine Beschwer vorliegt.

Textnummer

EI0100093

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:2022:00400R00214.21H.0204.000

Im RIS seit

28.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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