TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/3 95/10/0046

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Veröffentlicht am 03.06.1996
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Index

82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §10 Abs1 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2 Z1;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs2;
ApG 1907 §10 Abs3;
ApG 1907 §10 Abs4;
ApG 1907 §10 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) der Stadtapotheke "XY" Mag. pharm. R KG in L und 2) des Mag. W in N, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 11. Jänner 1995, Zl. 262.247/4-II/A/4/94, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Lienz (mitbeteiligte Partei:

Mag. pharm. C in K, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchteiles 1) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchteil 1) des im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheides des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 11. Jänner 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. August 1993, betreffend die Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Lienz an die mitbeteiligte Partei abgewiesen und dieser Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß der Standort der neuen Apotheke folgendermaßen umschrieben ist:

"Gebiet der Stadt Lienz, das von folgenden Verkehrslinien begrenzt ist: Z-Straße von der Kreuzung mit der K-Straße bis zur Kreuzung mit der X-Straße, die X-Straße bis zur V-Straße, die V-Straße zur F-Straße, die F-Straße bis zur Kreuzung mit der X-Straße, die X-Straße bis zur B-Gasse, die B-Gasse, M-Platz, E-Straße, S-Weg, B-Weg und die gedachte Verlängerung bis zur Z-Straße zum Ausgangspunkt zurück". Spruchteil 2) des Bescheides des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 11. Jänner 1995 betrifft die Zurückweisung einer weiteren, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. August 1993 erhobenen Berufung. Begründend wurde - nach Darlegung des durchgeführten Verfahrens - im wesentlichen ausgeführt, Lienz sei Bezirkshauptstadt mit 13.566 Einwohnern, einem Bezirksgericht, einem Arbeitsgericht, einem Bezirksgendarmeriekommando, dem Standesamt, drei Volksschulen, zwei Hauptschulen, einer Sonderschule, sechs Kindergärten, einer landwirtschaftlichen Landeslehranstalt, einer Zweigstelle der Volkshochschule Tirol, dem Bildungshaus Osttirol, dem Arbeitsamt, einer Außenstelle des Arbeitsinspektorates, der Pensionsversicherungsanstalt, einem Allgemeinen öffentlichen Bezirkskrankenhaus mit 15 praktischen Ärzten und 32 Fachärzten, mit einem Bundesgymnasium und einem Bundesrealgymnasium, einem Oberstufenrealgymnasium, dem Bundeskonvikt und einem Mädcheninternat. Lienz habe weiters eine private Fachschule für Metallbearbeitung des Landes Tirol, eine Werkmeisterschule für Berufstätige des Wirtschaftsförderungsinstitutes der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol und eine Werkmeisterschule für Berufstätige des Berufsförderungsinstitutes der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol. Lienz liege an einer Bahnstrecke mit Schnellzugsverkehr und sei als Bezirkszentrum nicht nur für Osttirol, sondern auch für Teile von Kärnten von größter Bedeutung. Aus den Einpendlerzahlen sei deutlich abzulesen, welche Anziehungskraft Lienz auch auf die Kärntner Bevölkerung ausübe, wenn man bedenke, daß von den

4.961 Einpendlern alleine 686 aus Kärnten stammten. Wenn auch z. B. von den 590 aus Spittal an der Drau kommenden Einpendlern 505 als Tagespendler gewertet würden, so müsse aufgrund der Entfernung von Spittal an der Drau zu Lienz doch angenommen werden, daß von diesen Tagespendlern ein Teil zu Apothekenkunden von Lienzer Apotheken würden. In Anbetracht der Tatsache, daß außer in Lienz und Nußdorf-Debant im Osttiroler Bereich nur in Sillian und Matrei in Osttirol und in Richtung Kärnten erst in Greifenburg und Obervellach öffentliche Apotheken betrieben würden und auch die ärztlichen Hausapotheken (Thal, Abfaltersbach, Huben, Obertilliach, Winkler und Oberdrauburg) relativ weit (mehr als 10 km) entfernt lägen, sei der große Andrang in Lienzer öffentliche Apotheken erklärbar. Da die folgenden aufgezählten Gemeinden in der Umgebung von Lienz selbst weder über einen Arzt, noch über eine Arzneimittelabgabestelle verfügten, zähle der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz deren Einwohner jedenfalls zum Kundenpotential öffentlicher Apotheken in Lienz:

Oberlienz                                  1.326 Einwohner

Thurn                                        519   - " -

Ainet                                      1.007   - " -

Leisach                                      779   - " -

Amlach                                       261   - " -

Tristach                                   1.181   - " -

Schlaiten                                    466   - " -

St. Johann i. Walde                          305   - " -

Gaimberg 758:2                               379   - " -

Lavant 249:2                                 124   - " -

Lienz                                     13.566   - " -

                                          19.913 Einwohner

Da ein Teil der Einwohner von Gaimberg und Lavant aufgrund der Lage und der verkehrsmäßigen Erreichbarkeit die Apotheke in Nußdorf-Debant aufsuchen könnten, seien diese beiden Orte nur zur Hälfte dem Lienzer Einzugsgebiet und zur anderen Hälfte dem Nußdorf-Debanter Einzugsgebiet zugerechnet worden. Von Lienz aus gesehen in nordwestlicher Richtung, also im Iseltal, erscheine es nicht gerechtfertigt, die 4 km-Grenze als unüberwindliche Schranke anzusehen, hinter der die dort wohnende Bevölkerung Lienz nicht zur Besorgung von Medikamenten aufsuchen würde. Gleiches gelte für das sich in südwestlicher Richtung von Lienz aus gesehen fortsetzende Drautal. Da die drei öffentlichen Apotheken in Lienz, die beiden bestehenden und die beantragte Apotheke relativ nahe beieinander lägen, sei die Zuordnung dieses großen Kundenpotentials von

19.913 Personen äußerst schwierig. Es könne jedoch davon ausgegangen werden, daß vorrangig die Einwohner von Lienz, die nördlich der Linie, die durch die Flüsse Isel und Drau gebildet würden, wohnten, die beantragte Apotheke aufsuchen würden.

Nördlich der Linie Isel-Drau lägen folgende Zählsprengel:

040 Patriasdorf ........................    325 Einwohner

020 Ruefenfeld  ........................    352 Einwohner

011 St. Michael ........................  1.062 Einwohner

021 Grafenanger ........................  2.179 Einwohner

022 Bürgerau-Peggetz-Mienekugel ........    716 Einwohner.

Zu diesen 4.634 ständigen Einwohnern seien die

1.326 Einwohner von Oberlienz, 519 Einwohner von Thurn und die Hälfte der Einwohner von Gaimberg hinzuzurechnen, sodaß der beantragten Apotheke mit Sicherheit 6.858 Personen als Kunden zuzuordnen seien. Den beiden schon bestehenden öffentlichen Apotheken in Lienz würden unter dieser Annahme weitere 13.055 Personen als Kunden übrig bleiben, sodaß mit Sicherheit für alle drei öffentlichen Apotheken in Lienz der gesetzlich vorgesehene Bedarf gegeben sei. Bei der bisherigen Berechnung des Kundenpotentials seien die Gäste und die Pendler noch nicht berücksichtigt, obwohl diese ebenfalls das Kundenpotential erhöhten. Hinsichtlich der öffentlichen Apotheke in Nußdorf-Debant gehe der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz davon aus, daß einerseits sämtliche Einwohner von Dölsach (2.049 Einwohner), Nußdorf-Debant

(2.976 Einwohner), Iselsberg-Stronach (501 Einwohner) und Nikolsdorf (891 Einwohner) sowie die Hälfte der Einwohner von Lavant (124 Einwohner) und Gaimberg (379 Einwohner), somit

6.920 Personen weiterhin die öffentliche Apotheke in Nußdorf-Debant aufsuchen würden. Alle diese genannten Orte hätten eine direkte Straßenverbindung zur Apotheke in Nußdorf-Debant. Für Nikolsdorf, Iselsberg-Stronach und Dölsach gäbe es keine näher gelegene öffentliche Apotheke; diese Gemeinden und Lavant seien schon aufgrund der Schul-Situation nach Nußdorf-Debant orientiert. Die Gemeinde Winklern in Kärnten habe zwar eine ärztliche Hausapotheke, sie werde jedoch mit ihren 1.127 Einwohnern mit Sicherheit auf die fachärztliche Versorgung in Lienz angewiesen sein, sodaß ein Teil der Bevölkerung dieses Ortes auch die öffentliche Apotheke in Nußdorf-Debant auf dem Weg nach Lienz aufsuchen werde. Für den Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz bestehe daher keinerlei Zweifel daran, daß trotz Errichtung einer dritten öffentlichen Apotheke in Lienz für die öffentliche Apotheke in Nußdorf-Debant weiterhin ein ausreichendes Kundenpotential i.S.d. Apothekengesetzes vorhanden sein werde. In Erwiderung der von den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente werde festgestellt, es sei richtig, daß Nußdorf-Debant von Lienz inzwischen nicht mehr völlig abgetrennt sei, sondern daß auf dem Weg zwischen Lienz und Nußdorf-Debant eine Reihe von Geschäften und Supermärkten errichtet worden seien. Da die Z-Apotheke in der G-Straße liege, befindet sie sich zwar nicht an der Hauptverkehrsader, die nach Kärnten Richtung Spittal an der Drau führe, jedoch an der nach Winklern liegenden Durchfahrtsstraße, die gleichzeitig eine wesentliche Verbindung ins Kärntner Mölltal darstelle. Somit sei es richtig, daß auch die Z-Apotheke eine sehr günstige Lage für Einfluter aus Kärnten habe. Aus dem von den Beschwerdeführern zutreffend vorgebrachten Umstand, daß sich die 4 km-Umkreise bzw. Einzugsbreiche der Lienzer Apotheken einerseits und der Z-Apotheke in Nußdorf-Debant andererseits wegen der gegebenen Entfernung von nicht einmal 4 Straßenkilometern (3,3 km zwischen der beantragten Apotheke und der Z-Apotheke) überschnitten, könne jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß für die beantragte Apotheke kein Bedarf bestehe. Da das Versorgungspotential für alle 4 öffentlichen Apotheken (3 in Lienz und 1 in Nußdorf-Debant) allein an ständigen Einwohnern

26.833 Personen betrage, sei dieses Argument der Beschwerdeführer nicht stichhaltig. Ob Personen aus Oberlienz eher ins Zentraum von Lienz tendierten als in die X-Straße, wo die neue Apotheke errichtet werde, sei "nicht exakt vorhersehbar". Aufgrund der Führung der O-Straße, die von Oberlienz nach Lienz führe, und der Möglichkeit, über die P-Straße, der B-Gasse direkt zur neuen Apotheke zu gelangen, sei die Wahrscheinlichkeit jedenfalls sehr groß, daß die Einwohner von Oberlienz auch die neue Apotheke aufsuchen würden. Auch ordinierten Ärzte in der B-Gasse und in der F-Straße, also in unmittelbarer Nähe zur neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke. Hinsichtlich der Wartschen-Siedlung müsse klargestellt werden, daß diese Siedlung zum größten Teil zum Gemeindegebiet von Nußdorf-Debant gehöre und nur zum geringsten Teil zur Gemeinde Gaimberg. Die gesamte Wartschen-Siedlung werde von der Z-Apotheke versorgt. Wenn der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz die Gemeinde Gaimberg zur Hälfte den Lienzer Apotheken und zur Hälfte der Z-Apotheke zugeordnet habe, so dürfe das einerseits der Realität, andererseits aber auch der Auffassung der Beschwerdeführer entsprechen. Zur Vermutung der Beschwerdeführer, der Lienzer Zählsprengel 22 (Bürgerau-Peggetz-Mienekugel) werde eher von der Z-Apotheke versorgt, als von der beantragten Apotheke, sei festzuhalten, daß vor allem Peggetz südlich der Bahnlinie und der Bundesstraße 100 (die im Stadtgebiet Lienz T-Straße heiße) liege und daher verkehrsmäßig mehr an das Lienzer Zentrum gebunden erscheine als an Nußdorf-Debant. Zusätzlich dürfe man aber im Gegenzug nicht die Pendler von Nußdorf-Debant nach Lienz außer acht lassen, die die entgegengesetzte Richtung anstrebten. Bei einem voraussichtlichen Kundenpotential von

6.920 Personen würde es allerdings auch nichts ändern, wenn ein Teil (nämlich der im Osten gelegene) des Sprengels 22 zum Einzugsgebiet der Z-Apotheke gerechnet würde, obwohl gerade das Gebiet nördlich der Bahnlinie (des Sprengels 22) am Plan ohnedies eher dünn besiedelt dargestellt sei. Nochmals müsse in diesem Zusammenhang deutlich gemacht werden, daß der Raum Lienz - Nußdorf-Debant als eine zusammenhängend verbaute Fläche anzusehen sei, die einerseits ein großes Versorgungspotential habe, innerhalb derer aber andererseits die Bewegungen nicht leicht nachzuvollziehen seien. Aufgrund der zahlreichen Anziehungspunkte in Lienz würden zwar diese die Richtung bestimmen, gleichzeitig müsse man auch wieder an seinen Wohnort zurückkehren, sodaß beim Zurückfluten auch die Nußdorf-Debanter Z-Apotheke frequentiert werden könne. Der südöstlich von Nußdorf-Debant gelegene Bereich von Oberdrauburg bis Nußdorf-Debant sei als Kernversorgungsgebiet der Z-Apotheke anzusehen. Inwiefern Patriasdorf bzw. die Bewohner des Altenheimes nicht dem Kundenpotential der beantragten Apotheke zurechenbar sein sollten, sei von den Beschwerdeführern nicht schlüssig dargestellt worden. Für Patriasdorf gelte auch das bereits für Oberlienz Festgestellte.

Gegen diesen Bescheid - und zwar erkennbar nur gegen Spruchteil 1) dieses Bescheides - richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 10 Apothekengesetz (ApG) lautet auszugsweise:

"§ 10 (1) die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1.

die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt oder

2.

die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3.

die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird.

(3) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 1 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von 4 Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke, die aufgrund der örtlichen Verhältnisse aus der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zu versorgen sein werden.

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von 4 Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die aufgrund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne der Abs. 3 oder 4 weniger als 5.500, so sind die aufgrund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen."

Bei der Bedarfsermittlung hat die Behörde zunächst die Zahl der ständigen Einwohner in den jeweiligen Zonen von 4 Straßenkilometern im Umkreis um die Betriebsstätte der geplanten und der bestehenden Apotheke(n) zu ermitteln und festzustellen, wie viele dieser ständigen Einwohner nach Errichtung der geplanten Apotheke aufgrund der örtlichen Verhältnisse voraussichtlich ihren Bedarf an Arzneimitteln aus der jeweils unter dem Aspekt des Bedarfes betrachteten Apotheken decken werden. Ergibt sich für eine der in die Betrachtung einbezogenen Apotheken die kritische Zahl zu versorgender Personen nicht schon aus den ständigen Einwohnern des 4 km-Umkreises, so ist weiter zu prüfen, ob diese Zahl unter Berücksichtigung der aufgrund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden bzw. weiterhin zu versorgenden Personen erreicht wird. Das Ergebnis dieser Prüfung hat in einer auf entsprechenden Erhebungen gestützten prognostischen Zuordnung konkreter Kundenpotentiale zu den beteiligten Apotheken zu bestehen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 18. April 1994, Zl. 92/10/0477 und vom 23. Oktober 1995, Zl. 95/10/0003).

Wohnt die zu versorgende Bevölkerung im "Überschneidungsbereich" der 4 km-Umkreise sowohl einer bestehenden als auch der beantragten Apotheke, so ist für die Zuordnung des Kundenpontentials an die eine oder die andere Apotheke nach dem Kriterium "örtliche Verhältnisse" i.S.d. § 10 Abs. 3 und 4 ApG in erster Linie die leichtere Erreichbarkeit ausschlaggebend, wobei es vor allem auf die zurückzulegende Entfernung (unter Berücksichtigung der vorhandenen Verkehrsmöglichkeiten) ankommt. Darüber hinaus können noch andere Umstände, wie etwa erhebliche Höhenunterschiede, besonders unangenehme und gefährliche Wegstücke etc. eine Rolle spielen. Gegebenenfalls ist eine konkrete Zuordnung der in bestimmten Straßenzügen und Häusern wohnhaften Bevölkerung zum Versorgungspotential der einen oder der anderen Apotheke vorzunehmen (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 18. April 1994 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die Beschwerdeführer bringen vor, die belangte Behörde gehe zwar zutreffend davon aus, daß "die Zuordnung des Kundenpotentials von Lienz" wegen der Nähe der zwei bestehenden und der beantragten Apotheke nur schwer möglich sei. Im Widerspruch dazu stehe allerdings die weitere Feststellung, wonach davon ausgegangen werden könne, daß vorrangig die Einwohner von Lienz, die nördlich der durch die Flüsse Isel und Drau gebildeten Linie wohnten, die beantragte Apotheke aufsuchen würden. Diese Schlußfolgerung sei weder sachlich gerechtfertigt, noch durch die vorliegenden Beweisergebnisse begründbar. Über die Isel führten - wie den vorliegenden Plänen unstrittig entnommen werden könne -zwischen der I-Straße und der T-Straße insgesamt drei Brücken, sodaß das Stadtzentrum von Lienz von den nördlich der Isel wohnenden Einwohnern jederzeit leicht erreicht werden könne, sei es mit Fahrzeugen, sei es zu Fuß. Es sei daher nicht gerechtfertigt, die Isel als Trennlinie bei der Zuordnung des Kundenpotentials der beantragten und der beiden bestehenden Apotheken anzunehmen. Vielmehr sei davon auszugehen, daß "nicht der Fluß trennend wirkt, sondern die Brücken verbinden". Wenn aber für die Beurteilung des Einzugsgebietes einer Apotheke geographische Gesichtspunkte herangezogen würden, so müßten diese vorwiegend auf Grundsätzen der Entfernung aufbauen. Da sich der Standort der beantragten Apotheke im östlichen Bereich von Lienz befinde, müßten die westlich davon gelegenen Zählsprengel Patriasdorf (040), westlicher Teil von St. Michael (011) und Ruefenfeld (020) den in Lienz bestehenden Apotheken zugeordnet werden, weil diese entfernungsmäßig näher zu den bestehenden Apotheken lägen, als zur beantragten Apotheke. Wenngleich diese Ausführungen "nicht Bestandteil einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sein können", so werde damit doch deutlich dargelegt, daß die belangte Behörde ohne hinreichende Begründung, insbesondere aktenwidrig, sämtliche der nördlich der Isel bzw. Drau wohnenden ständigen Einwohner von Lienz summarisch dem Kundenpotential der beantragten Apotheke zugeordnet habe, obwohl hiefür keine stichhaltigen Gründe angeführt werden könnten. Auch die weitere Zuordnung der 1.326 Einwohner von Oberlienz, der 519 Einwohner von Thurn und der Hälfte der Einwohner von Gaimberg (das sind 379 Personen) zum Kundenpotential der beantragten Apotheke sei zu Unrecht und ohne nachvollziehbare Begründung erfolgt, zumal der einzige von der belangten Behörde angegebene Grund darin liege, daß diese Einwohner nördlich der von Isel und Drau gebildeten Linie wohnten. Schließlich stehe die Zuordnung des Zählsprengels 22 zum Versorgungspotential der beantragten Apotheke im Widerspruch zur Begründung, wonach dieser Ortsteil mehr an das Lienzer Zentrum gebunden erscheine als an Nußdorf-Debant. Träfe dies nämlich zu, hätte der Zählsprengel dem Versorgungsptential der in Lienz bestehenden Apotheken zugerechnet werden müssen. Allerdings begründe die Lage südlich der Bahnlinie und der Bundesstraße 100 noch nicht zwingend eine verkehrsmäßig bessere Anbindung an das Lienzer Zentrum als an die entfernungsmäßig näher gelegene Apotheke in Nußdorf-Debant.

Den Beschwerdeführern ist zunächst entgegenzuhalten, daß es bei der Zuordnung des Kundenpotentials - wie ausgeführt - nicht auf die Entfernung schlechthin ankommt, sondern auf die leichtere Erreichbarkeit und die dabei zurückzulegende Entfernung (unter Berücksichtigung der vorhandenen Verkehrsmöglichkeiten).

Davon ausgehend kann zwar hinsichtlich der Wohnbevölkerung des Zählsprengels 020 - im Gegensatz zur nicht näher begründeten Auffassung der Beschwerdeführer - schon aufgrund der vorliegenden Planunterlagen ausgeschlossen werden, daß die in Lienz bestehenden Apotheken leichter erreichbar wären als die beantragte Apotheke der mitbeteiligten Partei. Für einzelne Bereiche des Zählsprengels 040 und für den westlichen Teil des Zählsprengels 011 kann dies hingegen aufgrund der nach den vorliegenden Planunterlagen bestehenden Verkehrsverbindungen nicht von der Hand gewiesen werden. Dennoch läßt der angefochtene Bescheid konkrete Feststellungen, die geeignet wären, die Zuordnung der Wohnbevölkerung des Zählsprengels 040 in seiner Gesamtheit und der Wohnbevölkerung des westlichen Teiles des Zählsprengels 011 zum Kundenpotential der beantragten Apotheke unter dem Gesichtspunkt der leichteren Erreichbarkeit zu tragen, vermissen. Angesichts der über die Isel bestehenden Brücken scheint jedenfalls die Schlüssigkeit einer (durchgehenden) Begrenzung des Versorgungsgebietes durch diesen Fluß in Frage gestellt. Auch hinsichtlich des Zählsprengels 22 mangelt es an konkreten Feststellungen. Daß "vor allem Peggetz ... verkehrsmäßig mehr ans Lienzer Zentrum gebunden erscheint als an Nußdorf-Debant" vermag noch keinen einsichtigen Grund dafür zu bieten, die Wohnbevölkerung des Zählsprengels 22 dem Kundenpotential der beantragten Apotheke (zur Gänze) zuzuordnen. Auch besagt die verkehrsmäßige Anbindung an das Lienzer Zentrum noch nicht, welche der in Betracht kommenden Apotheken für die Einwohner des Zählsprengels 22 in Ansehung der zurückzulegenden Entfernung (unter Berücksichtigung der vorhandenen Verkehrsmöglichkeiten) am leichtesten zu erreichen ist.

Bei der Zuordnung der Wohnbevölkerung von Oberlienz zum Kundenpotential der beantragten Apotheke hat die belangte Behörde zwar festgestellt, daß die Einwohner von Oberlienz über näher dargestellte Straßen direkt zur beantragten Apotheke gelangen können und die Wahrscheinlichkeit sehr groß sei, daß sie diese auch aufsuchen werden. Sie hat es aber unterlassen, die Erreichbarkeit der beantragten Apotheke in Beziehung zur Erreichbarkeit der bestehenden Apotheke zu setzen und darauf aufbauend die Wohnbevölkerung von Oberlienz den einzelnen Apotheken zuzuordnen. Entsprechend konkrete Feststellungen fehlen auch hinsichtlich der Zuordnung der Wohnbevölkerung von Thurn und der Hälfte der Wohnbevölkerung von Gaimberg zum Kundenpotential der beantragten Apotheke.

Dieser Begründungsmangel ist auf dem Boden der von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsannahmen wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einer unter 5.500 liegenden Zahl an durch die beantragte Apotheke zu versorgenden Personen gelangt wäre.

Hinsichtlich der künftigen Kundenpotentiale der beiden in Lienz bestehenden Apotheken, ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß diesen vom "Gesamtkundenpotential" von Lienz, 13.055 Personen als Kunden verblieben.

In diesem Zusammenhang wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Zurechnung der Wohnbevölkerung von Ainet, St. Johann im Walde und von Schlaiten sowie der Hälfte der Wohnbevölkerung von Lavant zum Kundenpotential der in Lienz bestehenden öffentlichen Apotheken. Sie bringen vor, aus dem Umstand alleine, daß diese Gemeinden in der Umgebung von Lienz gelegen seien und über keinen Arzt bzw. keine Arzneimittelabgabestelle verfügten, könne noch nicht abgeleitet werden, daß die Einwohner dieser Gemeinden dem Kundenpotential der öffentlichen Apotheken in Lienz zuzuordnen seien. Dazu hätte es weiterer Erhebungen insbesondere über die Verkehrsverhältnisse zwischen diesen Gemeinden und Lienz bzw. zwischen diesen Gemeinden und den Standorten der übrigen öffentlichen Apotheken bzw. der Hausapotheken bedurft, insbesondere bei den Gemeinden Ainet, Schlaiten und St. Johann im Walde zur Hausapotheke in Huben und bei der Gemeinde Lavant zur öffentlichen Apotheke in Nußdorf-Debant.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die Auffassung der belangten Behörde, die Bewohner der genannten Gemeinden würden ihren Arzneimittelbedarf bei Lienzer Apotheken decken, aufgrund der räumlichen Situation entsprechend den vorliegenden Planunterlagen zumindest hinsichtlich Ainet und Schlaiten naheliegt. Allerdings - und hierin ist den Beschwerdeführern Recht zu geben - besagt dies für sich noch nicht, daß dieser Personenkreis dem Kundenpotential der in Lienz schon bestehenden Apotheken (und nicht etwa auch der beantragten Apotheke) zuzurechnen wäre. Entsprechende Feststellungen hat die belangte Behörde aber unterlassen. Dennoch erweist sich dieser Verfahrensmangel als nicht wesentlich i.S.d. § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG, weil das den bestehenden öffentlichen Apotheken in Lienz auch ohne die 1.007 Einwohner von Ainet, die

305 Einwohner von St. Johann in Walde, die 124 Einwoner von Lavant und die 466 Einwohner von Schlaitern verbleibende Versorgungspotential nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde mit 11.153 noch immer über dem gesetzlichen Mindesterfordernis von 5.500 zu versorgenden Personen liegt. Die Zurechnung der Bevölkerung des in Betracht kommenden Gebietes zum Versorgungspotential der beiden bestehenden Apotheken jeweils zur Hälfte begegnet wegen der geringen Entfernung zwischen den beiden Apotheken keinen Bedenken (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1995, Zl. 94/10/0123 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Schließlich bringen die Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe der Feststellung des Versorgungspotentials der beantragten Apotheke andere Kriterien zugrundegelegt, als der Feststellung des Versorgungspotentials der in Nußdorf-Debant bestehenden Apotheke. Im letzteren Fall sei sie vom Bestehen von Straßenverbindungen und von der geographischen Nähe ausgegangen. Die Heranziehung verschiedener Kriterien ohne sachliche Rechtfertigung erscheine unzulässig. Unzulässig erscheine es auch, die ständigen Einwohner des gesamten Einzugsbereiches aller Apotheken durch die Zahl der nach Bewilligung der beantragten Apotheke insgesamt bestehenden Bewilligungen zu dividieren. Zudem sei die Zahl 26.833 nicht nachvollziehbar.

Die Ermittlung der Zahl jener Personen, die i.S.d. § 10 Abs. 2 Z. 3, Abs. 4 und Abs. 5 ApG aus den bestehenden öffentlichen Apotheken weiterhin zu versorgen sein werden, hat nach denselben wie den oben dargelegten Grundsätzen zu erfolgen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1995, Zl. 93/10/0056). Daß die belangte Behörde bei der Feststellung des der Apotheke in Nußdorf-Debant verbleibenden Versorgungspotentials von 6.920 Personen diese Grundsätze verletzt oder unzutreffende Feststellungen getroffen hätte, tun die Beschwerdeführer nicht dar. Ihr Vorbringen ist daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich allerdings aus den oben dargelegten Gründen als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der von der mitbeteiligten Partei beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Existenzgefährdung Bedarfsbeurteilung Existenzgefährdung Prognose Parteistellung Bedarf Standort

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995100046.X00

Im RIS seit

25.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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