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L0015 LVerwaltungsgerichtNorm
B-VG Art137 / LiquidierungsklageLeitsatz
Zurückweisung der Klage einer Verwaltungsrichterin gegen die Gemeinde Wien auf Auszahlung einer Entgeltdifferenz mangels Zuständigkeit; Entscheidung über die Höhe durch noch ausstehenden Bescheid zu bestimmenSpruch
Die Klage wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Sachverhalt, Klagebegehren und Vorverfahren
1. Die Klägerin stand ab 1. September 1999 in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien. Seit 1. September 2003 steht sie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien. Mit Beschluss der Wiener Landesregierung vom 17. Jänner 2012 wurde die Klägerin mit Wirksamkeit vom 1. Februar 2012 zum Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien ernannt. Seit 1. Jänner 2014 ist sie Richterin am Verwaltungsgericht Wien. Die besoldungsrechtliche Stellung der Klägerin wurde jeweils unter Außerachtlassung ihrer zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr zurückgelegten Schulzeiten festgelegt.
2. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 21. Februar "2017" (gemeint wohl: 2018) hat der Präsident des Verwaltungsgerichtes Wien dem Antrag der Klägerin auf Neuberechnung ihres Vorrückungsstichtages unter Berücksichtigung der zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr zurückgelegten Schulzeiten sowie auf rückwirkende besoldungsrechtliche Neueinreihung Folge gegeben und festgestellt, dass die besoldungsrechtliche Stellung der Klägerin zum 1. Jänner 2004 "Schema II, Verwendungsgruppe A, Dienstklasse III, Gehaltsstufe 9, Vorrückungsstichtag 26.12.2003" zu lauten hat (Spruchpunkt 1.), festgestellt, dass sich die Klägerin "derzeit im Schema VGW, Gehaltsstufe 3 mit dem Vorrückungsstichtag 1.1.2017" befindet (Spruchpunkt 2.), dem Antrag auf Nachzahlung der Bezüge in Ansehung des Zeitraums von 1. Jänner 2004 bis einschließlich 31. Jänner 2010 insofern Folge gegeben, als festgestellt wird, dass die Klägerin "die Differenz zwischen dem Entgelt, das sie ohne Diskriminierung erhalten hätte (1.1.2004 bis 25.12.2005: Gehaltsstufe 9; 26.12.2005 bis 25.12.2007: Gehaltsstufe 10; 26.12.2007 bis 25.12.2009: Gehaltsstufe 11, 26.12.2009 bis 31.1.2010: Gehaltsstufe 12), und dem Entgelt, das sie tatsächlich erhalten hat (1.1.2004 bis 25.12.2004: Gehaltsstufe 7; 26.12.2004 bis 25.12.2006: Gehaltsstufe 8; 26.12.2006 bis 25.12.2008: Gehaltsstufe 9; 26.12.2008 bis 31.1.2010: Gehaltsstufe 10), gebührt" (Spruchpunkt 3.) und den Antrag, soweit er sich auf Nachzahlung der Bezüge für die ab der am 1. Februar 2010 erfolgten Beförderung liegenden Zeiträume richtet, abgewiesen (Spruchpunkt 4.).
3. Mit Antrag vom 29. Juni 2018 begehrte die Klägerin beim Magistrat der Stadt Wien die Auszahlung bzw Liquidierung der in Spruchpunkt 3. des genannten Bescheides festgestellten Entgeltdifferenz.
4. Mit Schreiben vom 23. Juli 2018 teilte der Magistrat der Stadt Wien der Klägerin mit, dass sich die von ihr begehrte Entgeltdifferenz auf einen nach §10 Abs1 Wr. Besoldungsordnung 1994, LGBl 55/1994, verjährten Zeitraum beziehe.
5. In ihrer auf Art137 B-VG gestützten Klage gegen die Gemeinde Wien begehrt die Klägerin die Zahlung von € 16.371,81 s.A. Begründend führt sie im Wesentlichen aus, dass eine Verjährung nach §10 Wr. Besoldungsordnung 1994 in Bezug auf den unionsrechtlich gebotenen Anspruch der Klägerin auf Grund des Effektivitätsgrundsatzes des Unionsrecht nicht in Betracht komme. Im Übrigen sei durch den Bescheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes eine neue Rechtsgrundlage geschaffen worden, aus welcher der nun geltend gemachte Anspruch erwachse.
6. Die Gemeinde Wien hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie zunächst die Zulässigkeit der Klage bestreitet: Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes komme eine Klage nach Art137 B-VG nur bei der Liquidierung eines Anspruches in Betracht. Soweit es um die Gebührlichkeit oder die Höhe des Anspruches gehe, sei durch Bescheid zu entscheiden. Im vorliegenden Fall sei durch den Bescheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien nur über die Gebührlichkeit, jedoch nicht über die Höhe des Anspruches abgesprochen worden. Eine Liquidierung nach Art137 B-VG sei daher unzulässig.
Zum Anspruch der Klägerin führt die Gemeinde Wien aus, dass die Verjährung nach §10 Wr. Besoldungsordnung 1994 im Bescheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien nicht geprüft worden sei und daher weiterhin gegen die Forderung der Klägerin eingewendet werden könne. Dem stehe die Feststellung der Gebührlichkeit des von der Klägerin geltend gemachten Anspruches durch den genannten Bescheid nicht entgegen, weil die Verjährung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zum Erlöschen des Anspruches, sondern zu dessen Umwandlung in eine Naturalobligation führe. Der Verjährung des Anspruches stehe auch der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz nicht entgegen, weil die Festsetzung einer angemessenen – im vorliegenden Fall dreijährigen – Ausschlussfrist für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit liege und die Ausübung von im Unionsrecht wurzelnden Rechten weder praktisch unmöglich mache noch übermäßig erschwere. Schließlich sei die von der Klägerin geltend gemachte Entgeltdifferenz unrichtig berechnet worden, weil sie die Ausgleichszulage und die Sonderzahlungen, die ihr ausbezahlt worden seien, ebenso wie ihre in einem bestimmten Arbeitszeitraum herabgesetzte Arbeitszeit unberücksichtigt gelassen habe, und die Verzugszinsen kämen höchstens für den Zeitraum ab Juli 2018 in Betracht, weil die Klägerin ihren Anspruch zu diesem Zeitpunkt erstmals gegenüber der Gemeinde Wien geltend gemacht habe.
II. Zulässigkeit
1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
2. Mit der vorliegenden Klage wird ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen die Gemeinde Wien geltend gemacht. Er gründet sich auf das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zu dieser Gebietskörperschaft. Da es sich somit um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, also nicht um eine bürgerliche Rechtssache (§1 JN) oder um eine andere Angelegenheit handelt, die vor den ordentlichen Gerichten auszutragen ist, sind die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über den Anspruch nicht zuständig. Es ist aber zu prüfen, ob über den Klagsanspruch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist.
3. Der geltend gemachte Anspruch wird aus dem Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zur beklagten Partei und aus dem rechtskräftigen Bescheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien abgeleitet. In Spruchpunkt 3. dieses Bescheides wird ausgesprochen, dass der Klägerin in Ansehung des Zeitraums von 1. Jänner 2004 bis einschließlich 31. Jänner 2010 "die Differenz zwischen dem Entgelt, das sie ohne Diskriminierung erhalten hätte (1.1.2004 bis 25.12.2005: Gehaltsstufe 9; 26.12.2005 bis 25.12.2007: Gehaltsstufe 10; 26.12.2007 bis 25.12.2009: Gehaltsstufe 11, 26.12.2009 bis 31.1.2010: Gehaltsstufe 12), und dem Entgelt, das sie tatsächlich erhalten hat (1.1.2004 bis 25.12.2004: Gehaltsstufe 7; 26.12.2004 bis 25.12.2006: Gehaltsstufe 8; 26.12.2006 bis 25.12.2008: Gehaltsstufe 9; 26.12.2008 bis 31.1.2010: Gehaltsstufe 10), gebührt". Eine Entscheidung über die tatsächliche Bemessung der Höhe der zustehenden Bezüge wird in dem genannten Bescheid nicht getroffen.
4. Besoldungsrechtliche Ansprüche eines Beamten werden in der Regel in drei Phasen – Schaffung eines Rechtstitels, Bemessung und Liquidierung – verwirklicht. Die letzte Phase (Liquidierung, Auszahlung) ist ein technischer Vorgang, der nur der Verwirklichung der vorangegangenen Bescheide dient, also selbst nicht durch Bescheid der Verwaltungsbehörde zu erledigen ist, sodass für die Entscheidung eines solchen Liquidierungsbegehrens die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art137 B-VG gegeben ist (so die ständige, mit VfSlg 3259/1957 eingeleitete Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Geht es nicht bloß um die Liquidierung eines besoldungsrechtlichen Anspruches, sondern um die Rechtsfrage der Gebührlichkeit, so ist darüber im Streitfall durch Bescheid der zuständigen (Dienst-)Behörde zu entscheiden (vgl die mit den Erkenntnissen VfSlg 7172/1973 und 7173/1973 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, etwa VfSlg 10.756/1986, 11.395/1987, 12.313/1990, 17.535/2005). Auch wenn über die Frage der Gebührlichkeit bereits abgesprochen wurde, hat allein damit noch keine Bemessung der Höhe auf Grund eines entsprechenden Antrages an die zuständige Behörde stattgefunden (vgl VfGH 24.2.2020, A21/2019).
5. Im vorliegenden Fall wurde zwar dem Grunde nach über einen Anspruch auf Auszahlung der im Bescheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien hinsichtlich des Zeitraums und der Gehaltsstufe bestimmten Bezüge abgesprochen, allerdings wurde die konkrete Höhe des zustehenden Betrages noch nicht festgesetzt. Aus diesem Grund richtet sich das Begehren der Klägerin nicht bloß auf die Liquidierung von Bezügen, nämlich den technischen Vorgang ihrer Auszahlung. Über die strittige Höhe des der Klägerin gebührenden Anspruches hätte – auf ihren Antrag hin – die zuständige Behörde mit Bescheid zu entscheiden, zumal ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung besteht, in welcher Höhe ihr dieser Anspruch zusteht (vgl zB VfSlg 14.947/1997, 15.238/1998, 16.006/2000, 17.039/2003, 19.216/2010; VfGH 24.2.2020, A21/2019).
6. Da somit über die tatsächliche Bemessung der Höhe des Klagsanspruches durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist, sind die Prozessvoraussetzungen des Art137 B-VG nicht gegeben. Der Verfassungsgerichtshof ist dementsprechend nicht zuständig, über das Klagsbegehren zu entscheiden.
III. Ergebnis
1. Die Klage ist daher zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Klagen, VfGH / Zuständigkeit, Verwaltungsgericht, Richter, Bezüge, LiquidierungsklageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:A25.2021Zuletzt aktualisiert am
27.04.2022