TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/30 LVwG-2022/16/0565-1

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Veröffentlicht am 30.03.2022
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Entscheidungsdatum

30.03.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §7

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Hofko über die Beschwerde der AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 26.01.2022, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG),

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Am 19.12.2020, in der Zeit von 21.00 Uhr bis 23.00 Uhr (Zeitpunkt der Feststellung), wurde von Organen der öffentlichen Aufsicht eine Zusammenkunft von mehreren Personen aus verschiedenen Haushalten in der Ferienwohnung ‚BB‘ in **** Z, Adresse 2, festgestellt, obwohl das Betreten von Veranstaltungen, ausgenommen im privaten Wohnbereich, zum Zweck der Inanspruchnahme von Dienstleistungen dieser Einrichtungen gemäß 2. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – 2. COVID-19-SchuMaV, BGBl. II Nr. 544/2020 in der Zeit von 07.12.2020 bis 23.12.2020 untersagt war. Gem. Abs. 2 gelten als Veranstaltungen geplante Zusammenkünfte und Unternehmungen zur Unterhaltung, Belustigung sowie der körperlichen und geistigen Ertüchtigung und Erbauung, welche insbesondere im Abs. 2 aufgezählt sind.

Somit haben Sie vorsätzlich eine Verwaltungsübertretung veranlasst bzw. den Veranstaltungsteilnehmern die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 7 VStG 1991 iVm §§ 8 Abs. 3, 3 Abs. 1 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm § 13 Abs. 1 2. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 544/2020

Über die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 8 Abs 1 COVID-19-MG, der zum Tatzeitpunkt einen Strafrahmen bis zu 1.450 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 4 Wochen) vorsah, eine Geldstrafe in Höhe von Euro 300,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, in der sie angibt, zum angegebenen Tatzeitpunkt auf dem Vereinsgelände und in den Vereinsräumlichkeiten des BB, Adresse 2, **** Z in der Rolle als Vereinsmitglied des Vereins „CC“ aufhältig gewesen zu sein. Weiters verweist die Beschwerdeführerin auf diverse Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs und stellt das Vorhandensein eines vermehrungsfähigen SARS-Corona-Virus sowie die Sinnhaftigkeit von PCR- bzw Antigen-Tests in Frage.

II.      Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin, wohnhaft in **** Z, Adresse 1, war am 19.12.2020 als Mitglied des Vereins „CC“ bei einer Veranstaltung in Gestalt eines Vereinsabends in der Ferienwohnung in **** Z, Adresse 2, anwesend. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin ihre dortige Anwesenheit und damit die unmittelbare Tatbegehung im gegenständlichen Verfahren nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist für deren Verfolgung nach § 31 Abs 1 VStG vorgeworfen. Die Anstiftungs- bzw Beihilfehandlung der Beschwerdeführerin, deren Tatort und Tatzeit sowie die weiteren dort anwesenden Personen wurden ebenfalls von der belangten Behörde nicht konkretisiert und somit dazu keine Verfolgungshandlung gesetzt.

III.     Beweiswürdigung:

Die für die Aufhebung der Entscheidung maßgeblichen Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde, insbesondere der Anzeige der PI X vom 25.12.2020, Zl ***, der Strafverfügung vom 11.02.2021, dem angefochtenen Straferkenntnis vom 26.01.2022 sowie der Beschwerde vom 15.02.2022. Aus der Anzeige und der Beschwerde geht übereinstimmend hervor, dass die Beschwerdeführerin am vorgeworfenen Tatort zur vorgeworfenen Tatzeit dem Vereinsabend selbst beigewohnt hat. Dass hinsichtlich der unmittelbaren Tatbegehung sowie hinsichtlich der Anstiftungs- bzw Beihilfehandlung keine Verfolgungshandlung gesetzt wurde, kann anhand der Strafverfügung sowie dem angefochtenen Straferkenntnis nachvollzogen werden.

IV.      Rechtslage:

Der entscheidungswesentliche § 7 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991, lautet samt Überschrift wie folgt:

„§ 7

Anstiftung und Beihilfe

Wer vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, unterliegt der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.“

V.       Erwägungen:

Die Beschwerdeführerin war am 19.12.2020 bei der verfahrensgegenständlichen Vereinsversammlung in der Ferienwohnung „BB“ in **** Z als Vereinsmitglied des Vereins „CC“ anwesend und hat sich daher nach 20.00 Uhr außerhalb ihres privaten Wohnbereichs in **** Z, Adresse 1 aufgehalten, um an einem Vereinsabend teilzunehmen, der als Veranstaltung im Sinn des § 13 der im Tatzeitpunkt anzuwendenden 3. COVID-19-SchuMaV, BGBl II Nr 566/2020 zu qualifizieren ist. Sie wäre daher – eine rechtzeitige Verfolgungshandlung vorausgesetzt – als unmittelbare Täterin zu bestrafen gewesen. § 7 VStG sieht zusätzlich zum unmittelbaren Täter auch den Bestimmungstäter bzw den Beitragstäter als weitere Täterschaftsformen vor. Die einzelnen Täterschaftsformen stehen zueinander im Verhältnis der Subsidiarität, wobei die Strafbarkeit des unmittelbarer Täter jener als Beteiligter, die als Bestimmungstäter jener als Beitragstäter vorgeht. Eine Person kann den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung daher nur entweder als unmittelbarer Täter, als Bestimmungs- oder als Beitragstäter begehen (VwGH 27.06.1990, 89/03/0297; 08.08.2008, 2006/09/0126; 19.12.2014, Ro 2014/02/0087). Wer andere dazu bestimmt, mit ihm gemeinsam eine Straftat auszuführen, ist nur als unmittelbarer Täter zu bestrafen, wobei die Tatsache der Anstiftung erschwerend wirkt (s VwGH 22.3.1993, 92/10/0132).

Die Strafbarkeit einer Beteiligung nach § 7 VStG bzw die Berücksichtigung einer solchen Beteiligung als erschwerend setzt die Feststellung der entsprechenden Beteiligungshandlung, deren objektive Auswirkung in der Tathandlung des unmittelbaren Täters und die Vorsätzlichkeit des sich Beteiligenden voraus, etwa durch Bitten, Befehlen, Bedrängen, Drohen oder durch Setzen einer Handlung, die die Tatbegehung durch den unmittelbaren Täter erleichtert, ermöglicht, absichert oder sonst in irgendeiner Weise fördert (Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz2 § 7 VStG Rz 6 ff [2016]). Für eine Bestrafung nach § 7 VStG wären im Spruch neben der Norm des § 7 VStG auch Zeit, Ort und Inhalt der Beteiligungshandlung, die Tatbegehung durch den unmittelbaren Täter, die kausale Verbindung zwischen Tatbeitrag und Tatausführung sowie der Vorsatz des Tatbeteiligten auf Förderung bzw Veranlassung der Tatbegehung anzuführen. Weder anhand der Strafverfügung vom 11.02.2021, noch anhand des Straferkenntnisses vom 26.01.2022 ist nachvollziehbar, wann und wodurch eine Beitragshandlung gesetzt wurde oder inwieweit eine kausale Verbindung zwischen Tatbeitrag und Tatausführung besteht oder wer die Tat unmittelbar begangen hat. Sowohl die Strafverfügung als auch das Straferkenntnis geben lediglich die Tatzeit und den Tatort der unmittelbaren Begehung der Tat wieder, Tatzeit und Tatort hinsichtlich der Begehung der Beteiligungshandlung fehlen hingegen (s VwGH 20.12.1995, 93/03/0166).

Die Formulierung „somit haben Sie vorsätzlich eine Verwaltungsübertretung veranlasst bzw den Veranstaltungsteilnehmern die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert“ lässt weiters offen, ob der Beschwerdeführerin die Anstiftung oder Beihilfe zur Tat zu verantworten hat. Die Bezugnahme im Spruch auf die Veranstaltung in der Ferienwohnung „BB“ in **** Z, Adresse 2, legt zwar nahe, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Begünstigung durch zur Verfügung stellen der Räumlichkeiten an andere anwesende Vereinsmitglieder vorwerfen wollte, dies ist jedoch aufgrund der allgemein gehaltenen Begründung des Straferkenntnisses nicht eindeutig nachvollziehbar. Auch wer bzw wieviele Personen bei dieser Veranstaltung anwesend waren, wurde nicht näher konkretisiert. Im angefochtenen Straferkenntnis ist somit auch nicht mit der für eine Bestrafung notwendigen Sicherheit klargestellt, welche der beiden Beteiligungsformen der Täterin zur Last gelegt werden sollte bzw welche kausale Verbindung zwischen Tatbeitrag und Tatausführung oder zwischen Bestimmungshandlung und dem Verhalten der unmittelbaren Täter besteht.

Dem Landesverwaltungsgericht Tirol war es verwehrt, die fehlenden Spruchbestandteile selbständig im Beschwerdeverfahren zu ergänzen, da der Beschwerdeführerin weder die unmittelbare Begehung der Tat oder die Art und Weise ihrer Veranlassung/Erleichterung bzw deren kausale Verbindung zum Verhalten der unmittelbaren Täter, die unmittelbaren Täter noch die Tatzeit und den Tatort ihrer Beitragshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist zur Last gelegt wurden. Daher war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren aufgrund eingetretener Verfolgungsverjährung nach § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen. Somit konnte auch eine Berichtigung der angewendeten Bestimmungen unterbleiben.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantragt und kann nach § 44 Abs 2 VwGVG auch deshalb unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtenen Bescheid aufzuheben ist.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Prüfung der Anforderungen an Strafbescheide betreffend den Fall einer Tatbeteiligung erfolgte im Einklang mit der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Judikatur (siehe VwGH 23.02.1995, 92/180277; 19.12.1997, 96/02/0594; 15.09.1992, 91/04/00339).

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Hofko

(Richterin)

Schlagworte

Tatbeteiligung
Bestimmungstäter
Beitragstäter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.16.0565.1

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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