TE Vfgh Beschluss 2022/2/28 V281/2021

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Veröffentlicht am 28.02.2022
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z3
Wr COVID-19-MaßnahmenbegleitV 2021 LGBl 33/2021 idF LGBl 48/2021 §1 Abs5, §1 Abs6
VfGG §7 Abs2, §57 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung von Bestimmungen der Wr Covid-19-MaßnahmenbegleitV 2021 betreffend den 2 G-Nachweis für Einrichtungen der Nachtgastronomie und Zusammenkünfte mit mehr als 500 Teilnehmern mangels hinreichender Darlegung der unmittelbaren und aktuellen Betroffenheit

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B-VG begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge §1 Abs5 und 6 der Wiener COVID-19-Maßnahmenbegleitverordnung 2021, LGBl 33/2021, idF LGBl 48/2021 als verfassungs- und gesetzwidrig aufheben.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien über begleitende Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (Wiener COVID-19-Maßnahmenbegleitverordnung 2021 – im Folgenden: Wr. COVID-19-MaßnahmenbegleitVO), LGBl 33/2021, idF LGBl 48/2021 lauteten (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben) auszugsweise:

"Artikel I

Betreten und Befahren von bestimmten Orten und Betriebsstätten sowie Benützen von Verkehrsmitteln
§1.

(1) Zusätzlich zu den Regelungen der 2. COVID-19-Maßnahmenverordnung ist das Betreten, Befahren und Benützen von

1.

Reisebussen und Ausflugsschiffen im Gelegenheitsverkehr durch Kunden,

2.

Betriebsstätten zur Inanspruchnahme von körpernahen Dienstleistungen (insbesondere Friseure, Masseure, Kosmetiker, Fußpfleger) durch Kunden,

3.

Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe, soweit es sich nicht um Betriebsstätten gemäß §5 Abs1a der 2. COVID-19-Maßnahmenverordnung handelt, zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Gastgewerbes durch Kunden,

4.

Unterkunftsstätten, die unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen und zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung von Gästen zu vorübergehendem Aufenthalt bestimmt sind, und beaufsichtigten Camping- oder Wohnwagenstellplätzen, Schutzhütten und Kabinenschiffen jeweils beim erstmaligen Betreten durch Kunden,

5.

nicht öffentlichen Anlagen, die ausschließlich oder überwiegend für die körperliche Aktivität sowie die Betätigung im sportlichen Wettkampf oder im Training bestimmt sind (zB Sporthallen, Sportplätze, spezielle Anlagen für einzelne Sportarten), einschließlich den, dem Betrieb der Anlage oder der Vorbereitung für die Benützung der Anlage dienenden Einrichtungen, Bauten und Räumlichkeiten (nicht öffentliche Sportstätten) durch Kunden,

6.

Schaustellerbetrieben, Freizeit- und Vergnügungsparks, Freibädern, Hallenbädern, Warmsprudelbädern (Whirlpools), Warmsprudelwannen (Whirlwannen), Saunaanlagen, Warmluft- und Dampfbädern, Bädern an Oberflächengewässern (sofern an diesen ein Badebetrieb stattfindet), Kleinbadeteichen, Tanzschulen, Wettbüros, Automatenbetrieben, Spielhallen und Casinos, Schaubergwerken, Einrichtungen zur Ausübung der Prostitution, Indoorspielplätzen, Paintballanlagen, Museumsbahnen, Tierparks, Zoos und botanischen Gärten, Theatern, Kinos, Varietees, Kabaretts, Konzertsälen und Konzertarenen durch Kunden,

7.

Alten- und Pflegeheimen sowie stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe durch Besucher und Begleitpersonen, externe Dienstleister, Bewohnervertreter nach dem Heimaufenthaltsgesetz, Patienten-, Behinderten- und Pflegeanwälte, Organe der Pflegeaufsicht zur Wahrnehmung der nach landesgesetzlichen Vorschriften vorgesehenen Aufgaben sowie durch Mitglieder von eingerichteten Kommissionen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte (Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, BGBl III Nr 190/2012, sowie Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl III Nr 155/2008),

8.

Krankenanstalten und Kuranstalten durch Besucher und Begleitpersonen sowie externe Dienstleister mit Patienten- und Besucherkontakt,

9.

Fach- und Publikumsmessen durch Kunden und

10.

Verkaufsveranstaltungen, zu denen saisonal oder in größeren Abständen als einmal monatlich und nicht länger als zehn Wochen an einem bestimmten Platz Erzeuger, Händler, Betreiber von Gastgewerben oder Schaustellerbetrieben zusammenkommen, um Dienstleistungen anzubieten (Gelegenheitsmärkte) durch Kunden sowie

11.

das Teilnehmen an Zusammenkünften mit mehr als 25 Teilnehmern, an Zusammenkünften im Rahmen der außerschulischen Jugenderziehung und Jugendarbeit oder im Rahmen von betreuten Ferienlagern

nur unter den Voraussetzungen des Abs2 zulässig.

(2) Dem Betreiber der Einrichtung oder Betriebsstätte, dem Verantwortlichen für einen bestimmten Ort oder dem Verantwortlichen für eine Zusammenkunft ist

1.

ein negatives Testergebnis eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2 (PCR-Test), dessen Abnahme nicht mehr als 48 Stunden zurückliegen darf, in Form eines

a)

Zertifikates gemäß §4c Epidemiegesetz 1950,

b)

Nachweises einer befugten Stelle,

c)

Nachweises gemäß §3 Z8 der COVID-19-Schulverordnung 2021/22 (Corona-Testpass),

2.

ein Genesungszertifikat gemäß §4d Epidemiegesetz 1950 betreffend eine in den letzten 180 Tagen überstandene Infektion mit SARS-CoV-2,

3.

ein Impfzertifikat gemäß §4e Epidemiegesetz 1950 betreffend eine mit einem zentral zugelassenen Impfstoff gegen COVID-19 erfolgte

a)

Zweitimpfung, wobei diese nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf und zwischen der Erst- und Zweitimpfung mindestens 14 Tage verstrichen sein müssen,

b)

Impfung ab dem 22. Tag nach der Impfung bei Impfstoffen, bei denen nur eine Impfung vorgesehen ist, wobei diese nicht länger als 270 Tage zurückliegen darf,

c)

Impfung, sofern mindestens 21 Tage vor der Impfung ein positiver molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 bzw vor der Impfung ein Nachweis über neutralisierende Antikörper vorlag, wobei die Impfung nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf,

d)

weitere Impfung, wobei diese nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf und zwischen dieser und einer Impfung im Sinne der lita, b oder c mindestens 120 Tage verstrichen sein müssen,

4.

ein Internationaler Impfpass gemäß Art36 in Verbindung mit Anlage 6 der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), BGBl III Nr 98/2008 in der Fassung BGBl III Nr 182/2016, in dem eine der in Z3 genannten Impfungen eingetragen ist,

5.

ein Absonderungsbescheid, wenn dieser für eine in den letzten 180 Tagen vor der vorgesehenen Testung nachweislich mit SARS-CoV-2 infizierte Person ausgestellt wurde, oder

6.

ein Nachweis über neutralisierende Antikörper, der nicht älter als 90 Tage sein darf,

vorzuweisen und für die gesamte Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten.

(3) Zusätzlich zu §4 Abs1a der 2. COVID-19-Maßnahmenverordnung haben Kunden beim Betreten, Befahren und Verweilen in Kundenbereichen von Betriebsstätten in geschlossenen Räumen sowie in Verbindungsbauwerken baulich verbundener Betriebsstätten (zB Einkaufszentren, Markthallen) eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen.

(4) Abs3 gilt auch für

1.

Museen, Kunsthallen und kulturelle Ausstellungshäuser sowie

2.

Bibliotheken, Büchereien und Archive.

Besucher von Theatern, Kinos, Varietees, Kabaretts, Konzertsälen- und Arenen sowie von Einrichtungen zur Religionsausübung haben in geschlossenen Räumen eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. Dies gilt nicht für Zusammenkünfte gemäß Abs6.

(5) Zusätzlich zu §5 Abs1a der 2. COVID-19-Maßnahmenverordnung ist das Betreten, Befahren und Benützen von Betriebsstätten der Gastgewerbe, in denen mit einer vermehrten Durchmischung und Interaktion der Kunden zu rechnen ist (Einrichtungen der 'Nachtgastronomie'), wie insbesondere Diskotheken, Clubs und Tanzlokale zum Zwecke des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

Dem Inhaber, Betreiber der Einrichtung oder Betriebsstätte oder dem Verantwortlichen ist

1.

ein Genesungszertifikat gemäß §4d Epidemiegesetz 1950 betreffend eine in den letzten 180 Tagen überstandene Infektion mit SARS-CoV-2,

2.

ein Impfzertifikat gemäß §4e Epidemiegesetz 1950 betreffend eine mit einem zentral zugelassenen Impfstoff gegen COVID-19 erfolgte

a)

Zweitimpfung, wobei diese nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf und zwischen der Erst- und Zweitimpfung mindestens 14 Tage verstrichen sein müssen,

b)

Impfung ab dem 22. Tag nach der Impfung bei Impfstoffen, bei denen nur eine Impfung vorgesehen ist, wobei diese nicht länger als 270 Tage zurückliegen darf,

c)

Impfung, sofern mindestens 21 Tage vor der Impfung ein positiver molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 bzw vor der Impfung ein Nachweis über neutralisierende Antikörper vorlag, wobei die Impfung nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf,

d)

weitere Impfung, wobei diese nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf und zwischen dieser und einer Impfung im Sinne der lita, b oder c mindestens 120 Tage verstrichen sein müssen,

3.

ein Internationaler Impfpass gemäß Art36 in Verbindung mit Anlage 6 der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), BGBl III Nr 98/2008 in der Fassung BGBl III Nr 182/2016, in dem eine der in Z2 genannten Impfungen eingetragen ist,

4.

ein Absonderungsbescheid, wenn dieser für eine in den letzten 180 Tagen vor der vorgesehenen Testung nachweislich mit SARS-CoV-2 infizierte Person ausgestellt wurde, oder

5.

ein Nachweis über neutralisierende Antikörper, der nicht älter als 90 Tage sein darf,

vorzuweisen. Die Zertifikate bzw Nachweise sind für die gesamte Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten.

(6) Zusätzlich zu §12 der 2. COVID-19-Maßnahmenverordnung sind Zusammenkünfte mit mehr als 500 Teilnehmern nur zulässig, wenn der Verantwortliche die Teilnehmer nur einlässt, wenn sie

1.

ein Genesungszertifikat gemäß §4d Epidemiegesetz 1950 betreffend eine in den letzten 180 Tagen überstandene Infektion mit SARS-CoV-2,

2.

ein Impfzertifikat gemäß §4e Epidemiegesetz 1950 betreffend eine mit einem zentral zugelassenen Impfstoff gegen COVID-19 erfolgte

a)

Zweitimpfung, wobei diese nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf und zwischen der Erst- und Zweitimpfung mindestens 14 Tage verstrichen sein müssen,

b)

Impfung ab dem 22. Tag nach der Impfung bei Impfstoffen, bei denen nur eine Impfung vorgesehen ist, wobei diese nicht länger als 270 Tage zurückliegen darf,

c)

Impfung, sofern mindestens 21 Tage vor der Impfung ein positiver molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2 bzw vor der Impfung ein Nachweis über neutralisierende Antikörper vorlag, wobei die Impfung nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf,

d)

weitere Impfung, wobei diese nicht länger als 360 Tage zurückliegen darf und zwischen dieser und einer Impfung im Sinne der lita, b oder c mindestens 120 Tage verstrichen sein müssen,

3.

einen Internationalen Impfpass gemäß Art36 in Verbindung mit Anlage 6 der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005), BGBl III Nr 98/2008 in der Fassung BGBl III Nr 182/2016, in dem eine der in Z2 genannten Impfungen eingetragen ist,

4.

einen Absonderungsbescheid, wenn dieser für eine in den letzten 180 Tagen vor der vorgesehenen Testung nachweislich mit SARS-CoV-2 infizierte Person ausgestellt wurde, oder

5.

ein Nachweis über neutralisierende Antikörper, der nicht älter als 90 Tage sein darf,

vorweisen. Die Zertifikate bzw Nachweise sind für die gesamte Dauer des Aufenthalts bereitzuhalten."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller führt in seinem Antrag aus, dass er weder geimpft noch genesen sei und er auf Grund der angefochtenen Verordnung als Privatperson und als Geschäftsmann keinen Zugang zur Nachtgastronomie und zu Events ab 500 Personen habe. Davor sei ihm dies mit einem Antigentest oder PCR-Test möglich gewesen.

1.1. Die Zulässigkeit seines Antrages begründet der Antragsteller – auf das Wesentliche zusammengefasst – damit, dass sich die angefochtene Verordnung unmittelbar nachteilig auf seine Rechtsposition auswirke, "indem sie eine unverhältnismäßige Verschärfung des Eingriffs durch die vorangegangene Wiener COVID-19-Maßnahmenbegleitverordnung 2021, LGBl Nr 33/2021 zuletzt geändert durch LGBl Nr 48/2021, in das Privatleben des Antragsstellers bewirkt" habe. Es liege somit eine unmittelbare, rechtlich ausreichend bestimmte und aktuelle Betroffenheit der rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers vor. Überdies sei es dem Antragsteller unzumutbar, ein Strafverfahren durch Besuch einer Einrichtung der Nachtgastronomie oder eines Events ab 500 Personen ohne den durch die angefochtene Verordnung geforderten 2G-Nachweis zu provozieren.

1.2. In der Sache rügt der Antragsteller die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen sowie eine Verletzung in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Achtung seines Privat- und Familienlebens sowie auf Erwerbsfreiheit.

2. Der Landeshauptmann von Wien hat eine Äußerung erstattet, in der er die Zurückweisung des Antrages, in eventu dessen Abweisung begehrt.

2.1. Hinsichtlich der Zulässigkeit führt der Landeshauptmann von Wien aus, der Antragsteller habe es unterlassen, seine unmittelbare Betroffenheit hinreichend konkret darzulegen. Rein abstrakte Behauptungen des Antragstellers, in den Anwendungsbereich einer Norm zu fallen, würden die Voraussetzungen des §57 Abs1 letzter Satz VfGG nicht erfüllen, auch wenn bestimmte Annahmen naheliegend seien. Der Antragsteller führe lediglich aus, dass er, obwohl weder geimpft noch genesen, "als Privatperson und Geschäftsmann dennoch Zugang zur Nachtgastronomie und zu Events ab 500 Personen haben [möchte]." Diese bloß abstrakte Behauptung genüge den Voraussetzungen einer Konkretisierung seiner aktuellen Betroffenheit nicht, zumal sich die weiteren Darlegungen in Bezug auf das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit in einer allgemeinen Annahme erschöpften, an der "Teilnahme an geschäftsbezogenen Veranstaltungen in der Nachtgastronomie bzw bei Großveranstaltungen über 500 Personen" verhindert zu sein. Eine Begründung, warum solche Veranstaltungen für den Antragsteller von Relevanz seien, unterbleibe hingegen; genauso wie die Bekanntgabe, welche konkreten Veranstaltungen der Nachtgastronomie bzw Veranstaltungen mit einer Teilnehmerzahl von mehr als 500 Personen er überhaupt besuchen wolle.

2.2. Auch in der Sache tritt der Landeshauptmann von Wien dem Antragsvorbringen entgegen.

3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

IV. Zulässigkeit

1. Der Antrag ist nicht zulässig.

2. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

3. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

4. Nach §57 Abs1 letzter Satz VfGG muss der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, darlegen, inwieweit die angefochtenen Verordnungsregelungen unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen. Bei der Prüfung der aktuellen Betroffenheit hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu untersuchen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 10.353/1985, 14.227/1995, 15.306/1998, 16.890/2003, 18.357/2008, 19.919/2014, 19.971/2015). Anträge, die dem Erfordernis des §57 Abs1 VfGG nicht entsprechen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl VfSlg 14.320/1995, 14.526/1996, 15.977/2000, 18.235/2007) nicht im Sinne von §18 VfGG verbesserungsfähig, sondern als unzulässig zurückzuweisen (vgl etwa VfSlg 12.797/1991, 13.717/1994, 17.111/2004, 18.187/2007, 19.505/2011, 19.721/2012).

5. Diesem Erfordernis gemäß §57 Abs1 VfGG wird der Antrag nicht gerecht:

5.1. Der Antragsteller begehrt die Aufhebung des §1 Abs5 und 6 Wr. COVID-19-MaßnahmenbegleitVO idF LGBl 48/2021 und begründet seine unmittelbare Betroffenheit mit dem pauschalen Vorbringen, es sei ihm als Privatperson und Geschäftsmann auf Grund der angefochtenen Bestimmungen der Zutritt zur Nachtgastronomie und zu Events ab 500 Personen versagt. Mit diesem allgemein gehaltenen Vorbringen zur Betroffenheit behauptet der Antragsteller jedoch lediglich die Anwendbarkeit der angefochtenen Bestimmungen. Damit ist es ihm nicht gelungen, seine unmittelbare und aktuelle Betroffenheit für ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hinreichend konkret darzulegen (vgl idS VfGH 23.2.2021, V533/2020). So besteht das Erfordernis solcher Darlegungen auch dann, wenn bestimmte Annahmen im Hinblick auf die maßgebliche Situation naheliegen mögen (vgl VfSlg 14.309/1995, 14.817/1997, 19.613/2011; VfGH 21.9.2020, V365/2020; 21.9.2020, V375/2020; 1.10.2020, V405/2020; 1.10.2020, G271/2020 ua; 23.2.2021, V533/2020; 29.9.2021, V601/2020; 15.12.2021, V248/2021). Rein abstrakte Behauptungen, in den Anwendungsbereich einer Norm zu fallen, genügen dem Inhaltserfordernis des §57 Abs1 letzter Satz VfGG nicht.

5.2. Da es sich bei diesem Mangel um kein behebbares Formgebrechen, sondern um ein Prozesshindernis handelt, erweist sich der Antrag schon aus diesem Grund als unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist zurückzuweisen, ohne dass das Vorliegen der übrigen Prozessvoraussetzungen näher zu prüfen ist.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Bedenken, VfGH / Legitimation, COVID (Corona), VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:V281.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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