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L8000 RaumordnungNorm
B-VG Art144 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im AnlassfallSpruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Steiermark ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1. Die beteiligte Partei, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist im Bereich Erdbau und Transport tätig. Die für diesen Verwendungszweck genützten Grundstücke Nr 23/1, 23/2 und 23/3, KG 66010 Goldes, Marktgemeinde Großklein, sind durch den Änderungsplan Nr 5.10 zum Flächenwidmungsplan Nr 5.00 der Marktgemeinde Großklein als "Sondernutzung im Freiland für Lagerplatz", als "Verkehrsflächen für den ruhenden Verkehr" und als "Land- und Forstwirtschaftliche Nutzung im Freiland" ausgewiesen. Der am 19. Februar 2020 beschlossene und am 7. März 2020 in Kraft getretene Bebauungsplan "Forstbauer/Goldes" der Marktgemeinde Großklein fußt auf dem geänderten Örtlichen Entwicklungskonzept Nr 5.04 sowie dem geänderten Flächenwidmungsplan Nr 5.10 der Marktgemeinde Großklein, beide genehmigt mit Bescheiden der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. Oktober 2019, beide in Kraft getreten am 9. November 2019. Im ursprünglichen Flächenwidmungsplan Nr 5.00 wurden (annähernd) die gleichen Flächen als "Sondernutzung im Freiland Lagerplatz", als "Verkehrsfläche für den fließenden Verkehr" und als "Land- und Forstwirtschaftliche Nutzung im Freiland" ausgewiesen.
1.1. Mit Eingabe vom 30. Oktober 2017 beantragte die beteiligte Partei nachträglich die naturschutzrechtliche, die gewerberechtliche und die baurechtliche Bewilligung betreffend die oben genannten Grundstücke, die laut den damals geltenden raumordnungsrechtlichen Vorschriften (Örtliches Entwicklungskonzept Nr 5.00, Flächenwidmungsplan Nr 5.00) teilweise als land- und forstwirtschaftliche Nutzung im Freiland und Sondernutzung im Freiland für Lagerplatz sowie als Verkehrsfläche für den fließenden Verkehr gewidmet wurden.
Der Antrag der beteiligten Partei bezog sich auf die Errichtung einer Lagerhalle zur Lagerung von Anhänger- und Fahrzeuganbauteilen, die Errichtung und den Betrieb einer Betriebstankstelle, das Aufstellen von Containern zur Lagerung von Reifen und Ersatzteilen für die betriebseigenen Fahrzeuge und das Aufstellen eines Mannschaftscontainers, die Errichtung und den Betrieb eines Zwischenlagers von Abbruch- und Bodenaushubmaterial, die Nutzungsänderung eines bestehenden Stallgebäudes zum Betrieb einer Betriebswerkstätte, das Aufstellen einer mobilen Brückenwaage und eines Öllagercontainers, die Errichtung eines Flugdaches für die Zwischenlagerung von Mähgut, Laub und Holz ohne Rinde, die Errichtung von Fahrzeugabstellflächen, die Errichtung von Lagerflächen für die Zwischenlagerun-gen von Bodenaushubmaterial, die Aufbereitung von Recyclingmaterial und den Betrieb einer Brecher- und Siebanlage.
Die Beschwerdeführerin erhob als Anrainerin Einwendungen.
1.2. Mit Bescheid vom 1. April 2019 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz unter Spruchpunkt I. die naturschutzrechtliche Bewilligung und unter Spruchpunkt II. gemäß den Bestimmungen der §29 Abs1 und 9 iVm §19 des Stmk BauG und §1 Abs1 litd der Bau-Übertragungsverordnung 2013 die beantragte Baubewilligung.
1.3. Mit Bescheid vom 3. April 2019 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz die beantragte Betriebsanlagengenehmigung.
2. Die Beschwerdeführerin erhob sowohl gegen den Baubewilligungsbescheid vom 1. April 2019 als auch gegen die Betriebsanlagengenehmigung vom 3. April 2019 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark.
2.1. Mit Erkenntnis vom 24. Jänner 2020 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark gemäß §28 Abs1 VwGVG sowie §§74 und 77 GewO 1994 die Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 3. April 2019 mit der Maßgabe ab, dass "[…] 1. das Projekt dahingehend eingeschränkt wird, dass der Radlader oder Bagger auf der Lagerfläche West nur 30 Minuten/Tag zum Einsatz kommt und auf der Lagerfläche West nur Material mit einer Körnung bis max. 0 - 63 mm (0/63) zwischengelagert wird, 2. der mit Vidierungsvermerk der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz versehene Plan 'Lageplan der ZT-Jereb vom 09.10.2017, GZ: 15_0402, Einlage: 3, ersetzt wird durch den Lageplan der ZT-Jereb vom 15.01.2020, GZ: 15_0402, Einlage: 3', und 3. die Betriebsbeschreibung wie folgend ausgeführt zu lauten hat […]".
2.2. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis vom 5. November 2020 gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 1. April 2019 insofern Folge, "[…] als dem Bauvorhaben auf Grundlage der Projektänderung vom 22. November 2019, wonach der Radlader oder Bagger auf der Lagerfläche West nur 30 Minuten am Tag zum Einsatz kommt und auf der Lagerfläche West nur Material mit einer Körnung bis maximal 0-63 mm (0/63) zwischengelagert wird, und im Übrigen auf Grundlage des Einreichplanes der ZT-Jereb vom 06.10.2020, GZ: 15_0402, und der Betriebsbeschreibung, GZ: 15_0402, vom 25.05.2020 die Baubewilligung erteilt wird […]". Darüber hinaus wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten
wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
4. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof am 6. Oktober 2021 gemäß Art139 Abs1 Z2 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr 5.00, beschlossen vom Gemeinderat der Marktgemeinde Großklein am 25. Oktober 2010, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. Juli 2011 und kundgemacht am 21. Juli 2011, und der Änderung des Örtlichen Entwicklungskonzeptes Nr 5.04 der Marktgemeinde Großklein, beschlossen vom Gemeinderat der Marktgemeinde Großklein am 1. August 2019, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. Oktober 2019 und kundgemacht am 25. Oktober 2019, des Flächenwidmungsplanes Nr 5.00 der Marktgemeinde Großklein, beschlossen vom Gemeinderat der Marktgemeinde Großklein am 15. Dezember 2014 und 16. Juni 2015, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. August 2015 und kundgemacht am 6. August 2015, und der Änderung des Flächenwidmungsplanes Nr 5.10 der Marktgemeinde Großklein, beschlossen vom Gemeinderat der Marktgemeinde Großklein am 1. August 2019, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. Oktober 2019, des Bebauungsplanes "Forstbauer/Goldes" der Marktgemeinde Großklein, beschlossen vom Gemeinderat der Marktgemeinde Großklein am 19. Februar 2020 und kundgemacht am 21. Februar 2020, ein, soweit sich diese Verordnungen auf die Grundstücke Nr 23/1, 23/2 und 23/3, KG 66010 Goldes, beziehen.
5. Mit Erkenntnis vom 8. März 2022, V261-263/2021, hob der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogenen Verordnungen als gesetzwidrig auf.
6. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat gesetzwidrige Verordnungsbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.
Die Beschwerdeführerin wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, wobei im fortgesetzten Verfahren §33 Abs1 StROG anzuwenden und dementsprechend das betreffende Grundstück bis zur Festlegung einer neuen Widmung als Freiland zu betrachten ist (vgl Punkt 7 der Begründung des im Verordnungsprüfungsverfahren ergangenen Erkenntnisses vom 8. März 2022, V261-263/2021; VfGH 25.9.2020, E774/2020, E922/2020).
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 240,– enthalten.
8. Bei diesem Ergebnis ist der beteiligten Partei kein Ersatz für die durch die Teilnahme an der öffentlichen mündlichen Verhandlung entstandenen Kosten zuzusprechen (wobei im übrigen das Kostenbegehren entgegen §54 Abs1 ZPO erst nach Schluss der öffentlichen mündlichen Verhandlung gestellt wurde).
Schlagworte
VfGH / Anlassfall, Raumordnung, VfGH / Verhandlung, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E4464.2020Zuletzt aktualisiert am
25.04.2022