TE Vwgh Beschluss 2022/3/17 Ra 2022/09/0020

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Veröffentlicht am 17.03.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

AVG §58 Abs2
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art139 Abs6
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020 §3
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020 §3 idF 2020/II/130
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §24
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z5 idF 1974/702
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z7
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A GmbH in B, vertreten durch die Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wächtergasse 1, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 12. Juli 2021, VGW-101/042/16593/2020-1, betreffend Abweisung eines Antrags auf Vergütung nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 - Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien den Antrag der revisionswerbenden Partei, einer Betreiberin eines Gastronomiebetriebes, auf Zuerkennung einer Vergütung des Verdienstentganges nach dem § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für den Zeitraum von 16. März 2020 bis einschließlich 14. Mai 2020 als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

2        Dagegen erhob die revisionswerbende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 22. September 2021, E 3238/2021-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

3        In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision erhoben, in der zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend gemacht wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Aufbau und der Begründung verwaltungsgerichtlicher Erkenntnisse ab. Insbesondere fehle es an einer nachvollziehbaren rechtlichen Beurteilung. Das Verwaltungsgericht Wien habe verkannt, dass sich der Antrag auf § 3 der COVID-19-Maßnahmenverordnung gestützt habe. Im Erkenntnis werde jedoch ausgeführt, dass die revisionswerbende Partei dem Betretungsverbot gemäß § 1 der COVID-19-Maßnahmenverordnung unterlegen sei. Die grundsätzliche Rechtsfrage liege darin, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage bestehe, ob die damit erwirkte Betriebsschließung bzw. -beschränkung eine Verkehrsbeschränkung nach § 24 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) darstelle und ein entsprechender Anspruch auf Verdienstentgang nach § 32 EpiG bestehe.

4        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25 Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1 VwGG). Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision ist im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass wenn eine Entscheidung die Trennung der erforderlichen Begründungselemente in einer Weise vermissen lässt, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund führt. Hindert allerdings ein Begründungsmangel weder die Partei noch den Verwaltungsgerichtshof an der Rechtsverfolgung bzw. der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung, begründet er keinen relevanten Verfahrensfehler und führt nicht zur Aufhebung der Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 20.12.2021, Ra 2021/03/0158, mwN).

7        Das Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis entspreche nicht den notwendigen Anforderungen an die Begründung eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses, weil insbesondere eine nachvollziehbare rechtliche Beurteilung fehle, ist nicht zielführend.

8        Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen wurde nämlich in der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mittlerweile klargestellt, dass ein Anspruch auf Vergütung für den Verdienstentgang nach § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG eine Verkehrsbeschränkung nach § 24 EpiG voraussetzt (vgl. etwa VwGH 13.4.2021, Ra 2021/09/0020; VwGH 20.5.2021, Ra 2021/03/0052; VwGH 9.8.2021, Ra 2021/03/0131). An einer solchen fehlte es im Revisionsfall allerdings, zumal die Einschränkungen nach dem Revisionsvorbringen durch auf Grundlage der nach § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) erlassenen Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 erfolgten (vgl. weiters VwGH 30.6.2021, Ra 2021/03/0106; 25.6.2021, Ra 2021/09/0118; siehe auch VwGH 13.4.2021, Ra 2021/09/0020).

9        Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes gilt die Regelung über die Unanwendbarkeit des EpiG in Bezug auf Verordnungen auf Grund des COVID-19-MG nicht nur für Betriebsschließungen, sondern für alle mit Verordnungen nach § 1 (später § 3) COVID-19-MG verfügten Maßnahmen, und schließt für diese die Anwendung der Bestimmungen über Betriebsschließungen, sohin auch das diesbezügliche Entschädigungsrecht des EpidemieG 1950, aus. Dies gilt auch, wenn auf Grundlage des COVID-19-MaßnahmenG keine Betretungsverbote, sondern bloß (minder eingreifende) Maßnahmen verfügt werden (vgl. zuletzt VwGH 3.2.2022, Ra 2021/09/0101 unter Verweis auf VfGH 26.11.2020, E 3412/2020 und E 3417/2020; VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018; 11.3.2021, Ra 2021/09/0028; 26.3.2021, Ra 2021/03/0017).

10       Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof mit den Erkenntnissen vom 1. Oktober 2020, V 405/2020-14, sowie vom 29. September 2021, V 188/2021-11, ausgesprochen, dass § 3 der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 (sowohl in der Stammfassung BGBl. II Nr. 96/2020 als auch in der Fassung BGBl. II Nr. 130/2020) gesetzwidrig war und dass diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist; schon deshalb kann ein im Verwaltungsweg geltend zu machender Entschädigungsanspruch nicht mehr auf diese Bestimmung gestützt werden (vgl. neuerlich etwa VwGH 3.2.2022, Ra 2021/09/0101; jüngst VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0229; jeweils mwN).

11       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

Wien, am 17. März 2022

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1 Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090020.L00

Im RIS seit

26.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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