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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des C K in L, vertreten durch Mag. Daniel Wolff, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Vorklostergasse 60a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 28. Dezember 2021, Zl. LVwG-411-69/2021-R20, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Dornbirn), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis entzog das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg, einen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Oktober 2021 bestätigend, dem Revisionswerber gemäß § 24 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3, § 25 Abs. 1 und § 26 Abs. 2a FSG die Lenkberechtigung für näher genannte Klassen für die Dauer von acht Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, somit bis einschließlich 18. Juni 2022. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe im einspurigen Karawankentunnel gegen das dort geltende und durch eine doppelte Sperrlinie markierte Überholverbot verstoßen, indem er den vor ihm fahrenden PKW überholt habe, obwohl er den Gegenverkehr bereits aus kurzer Distanz habe sehen können. Dadurch hätten zwei entgegenkommende Fahrzeuge stark abbremsen müssen, um eine Kollision zu verhindern. Dem Revisionswerber sei es gerade noch gelungen, vor den beiden entgegenkommenden Fahrzeugen den Überholvorgang abzuschließen und sich wieder auf seiner Fahrspur einzuordnen.
3 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht auf das Wesentliche zusammengefasst, dieses Verhalten stelle eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 FSG dar. Das Verhalten sei hinsichtlich seines Gefährdungspotentials mit einem Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen vergleichbar. Ein einspuriger Tunnel sei durch besonders beengte räumliche Verhältnisse gekennzeichnet, weswegen bei einem Unfall eine erhöhte Gefährdung der beteiligten Personen und eine erhöhte Explosionsgefahr bestehe. Im vorliegenden Fall habe der Revisionswerber den Überholvorgang überdies durchgeführt, obwohl schon erkennbar gewesen sei, dass sich Gegenverkehr aus kurzer Distanz nähere; der Überholvorgang sei daher auf Grund der Verkehrssituation nicht gefahrlos möglich gewesen. Er habe damit die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bewusst in Kauf genommen. Der Revisionswerber habe somit in Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten gesetzt, das an sich geeignet gewesen sei, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen.
4 In Anbetracht der sich aus dem Fahrmanöver des Revisionswerbers ergebenden besonders schwerwiegenden Gefährdung der Verkehrsteilnehmer und der sich darin ausdrückenden Rücksichtslosigkeit sei die Verkehrszuverlässigkeit nicht schon nach der Mindestentziehungsdauer gemäß § 26 Abs. 2a FSG von sechs Monaten, sondern unter Berücksichtigung der Wertungskriterien des § 7 Abs. 4 FSG erst nach acht Monaten wieder gegeben.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, bei der Festsetzung der Entziehungsdauer handle es sich um eine Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung der Wertungskriterien gemäß § 7 Abs. 4 FSG. Allerdings sei die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „uneinheitlich“, weil dieser nicht konkret ausführe, was alles in dieser Prognose zu berücksichtigen und wie diese Prognose mit den Strafbemessungskriterien nach dem StGB in Einklang zu bringen sei. Die „Uneinheitlichkeit“ finde sich insbesondere „in der Heranziehung der gefährlichen Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden oder die seither verstrichene Zeit, sowie das Verhalten des Beschwerdeführers und letztlich die Berücksichtigung der strafbaren Verstöße, auch wenn es sich lediglich um lange zurückliegende Vormerkungen handelt, und zwar in Verbindung mit den anzuwendenden Strafbemessungskriterien des StGB“. Die Prognoseentscheidung schließe die Anwendung der Strafzumessungskriterien derartig aus, dass die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „an den Grenzen der Willkür ihr Auslangen findet“.
10 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. aus vielen VwGH 10.12.2021, Ra 2021/11/0008, mwN).
11 Diesen Anforderungen wird das oben wiedergegebene Zulässigkeitsvorbringen schon deswegen nicht gerecht, weil ihm keine konkrete Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG zu entnehmen ist, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision abhinge (vgl. etwa VwGH 20.1.2021, Ra 2019/11/0182, mwN).
12 Wenn die Revision zu ihrer Zulässigkeit die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (gemeint offenbar: in Bezug auf die nach § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmende Wertung) behauptet, ohne diese Behauptung näher, insbesondere durch Nachweise auf die angeblich widersprüchliche Rechtsprechung zu belegen, zeigt sie damit eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf (vgl. VwGH 17.11.2015, Ro 2015/22/0005).
13 Soweit die Revision erkennbar auf die Strafbemessungskriterien des VStG bzw. des StGB Bezug nimmt, geht dieses Vorbringen überdies von vornherein ins Leere, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die als Sicherungsmaßnahme zu qualifizierende Entziehung der Lenkberechtigung keinen Strafcharakter hat (vgl. VwGH 27.4.2015, Ra 2015/11/0011, mwN).
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 21. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022110043.L00Im RIS seit
25.04.2022Zuletzt aktualisiert am
25.04.2022