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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Berufung des T in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juni 1995, Zl. 4.324.646/11-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, ist am 13. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 15. Oktober 1991 beantragt, ihm Asyl zu gewähren. Bei der am 18. Oktober 1991 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Einvernahme gab er - zusammengefaßt - an: Er sei Angehöriger der "Tay-Rasse", während die meisten Vietnamesen der "Kink-Rasse" angehörten. Er sei deshalb zwar nicht verfolgt worden, jedoch habe er Benachteiligungen am Arbeitsplatz hinnehmen müssen. Er habe eine schlechtere Arbeit zu einer niedrigeren Bezahlung annehmen müssen. In seinem Heimatland sei es einem Einwohner nicht möglich, sich frei im Lande zu bewegen. Überall werde man von der Polizei beobachtet und müsse jede Ortsveränderung melden. Deshalb habe er in ein freies Land ausreisen wollen. Er habe daher über die vietnamesische Regierung eine Arbeitsbewilligung für die (ehemalige) CSFR erhalten. Er möchte festhalten, daß er in seiner Heimat keinen konkreten Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei, jedoch das dortige politische System ablehne. Er sei schließlich als Gastarbeiter in der CSFR von November 1988 bis September 1991 beschäftigt gewesen. Nach Ablauf seiner Arbeitserlaubnis sei er nach Österreich geflüchtet, weil er nicht mehr in sein Heimatland habe zurückkehren wollen. In der CSFR habe er deshalb nicht um ein politisches Asyl angesucht, weil er sich dort nur aus wirtschaftlichen Gründen aufgehalten habe.
Mit Bescheid vom 11. November 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.
Die vom Beschwerdeführer fristgerecht eingebrachte Berufung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 25. März 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Infolge der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verfassungsgerichtshof diesen Bescheid mit seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, B 951/94, wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung (unter Verweis auf sein Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94 betreffend die Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991) auf, sodaß das Berufungsverfahren bei der belangten Behörde wiederum anhängig wurde.
Über entsprechende Aufforderung erstattete der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30. Mai 1995 eine Berufungsergänzung und brachte vor, daß "jene Verfolgungsgründe, die im bisherigen Verfahren geltend gemacht wurden, insbesondere die Verfolgung aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Tay-Rasse nach wie vor" relevant seien. Der Beschwerdeführer bitte daher um eine positive Erledigung seiner Berufung.
In seiner Berufung vom 22. November 1991 hatte der Beschwerdeführer gleichlautend mit seinem Vorbringen in erster Instanz geltend gemacht, daß er sein Heimatland am 19. November 1988 verlassen habe, um in der ehemaligen CSFR zu arbeiten. Nach Ablauf seiner Arbeitserlaubnis habe er nach Vietnam nicht mehr zurückkehren wollen, weil er das dortige politische System ablehne. Wenn er nach Vietnam zurückkehren müßte, würde ihm dort mit Sicherheit eine langjährige Gefängnisstrafe, wenn nicht sogar die Todesstrafe drohen. Diesbezüglich verweise er auf einen ähnlich gelagerten Fall in der BRD, wo ein vietnamesischer Asylwerber geltend gemacht habe, daß er im Falle der Rückkehr mit einer Bestrafung wegen Republikflucht rechnen müsse.
Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, daß Österreich ihm kein Asyl gewähre. Inhaltlich verwies die belangte Behörde im wesentlichen auf die Ausführungen in ihrem (mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1994) aufgehobenen Bescheid mit der Maßgabe, daß sie nunmehr § 20 Asylgesetz 1991 in der bereinigten Fassung (also unter Streichung des Wortes "offenkundig") zur Anwendung bringe. Die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 30. Mai 1995 hätten keinen Anlaß ergeben, zu einer vom vorangeführten Bescheid abweichenden Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu gelangen. Demgemäß sei aus den Gründen im Bescheid vom 25. März 1994 neuerlich davon auszugehen gewesen, daß der Beschwerdeführer kein Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei.
Der Berufung des Beschwerdeführers hatte die belangte Behörde im Vorbescheid unter Hinweis auf sein erstinstanzliches Vorbringen nicht Folge gegeben, weil der Beschwerdeführer selbst ausgesagt habe, in seinem Heimatland keinen Verfolgungen ausgesetzt gewesen zu sein. Die bloße innere Abneigung des Asylwerbers gegen das in seiner Heimat herrschendes System rechtfertige die Gewährung von Asyl nicht.
Gegen diesen nunmehr angefochtenen Bescheid wendet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, daß sich die Begründung des vorliegenden Bescheides darin erschöpfe, auf die Ausführungen der belangten Behörde im seinerzeitigen Bescheid vom 25. März 1994 zu verweisen, ist auf die hg. Judikatur hinzuweisen, wonach die Berufungsbehörde ihrer Begründungspflicht im allgemeinen mit einer kurzen Verweisung auf die Gründe im Bescheid der Vorinstanz genügt, falls sie bezüglich des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes und dessen rechtlicher Beurteilung mit ihr einer Meinung ist und ihr keine durch die Begründung der Vorinstanz offen gelassene Frage vorgelegt worden ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045, mit weiteren Judikaturhinweisen). Dieselben Grundsätze kommen auch dann zur Anwendung, wenn die belangte Behörde nach Aufhebung ihres Vorerkenntnisses und Ergänzung des Berufungsverfahrens auf die dort schon gemachten Ausführungen verweist, wenn sich im ergänzenden Verfahren keine neu zu behandelnden Fragen ergeben haben. Daß die belangte Behörde im erwähnten Vorerkenntnis keine ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen getroffen hätte und davon ausgehend ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen wäre, wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Dadurch, daß die belangte Behörde nach Ergänzung des Berufungsverfahrens auf ihre Begründung im Vorbescheid hingewiesen hat, hat sie klar zum Ausdruck gebracht, daß sie sich neuerlich auf die im Vorbescheid angeführten Erwägungen und die daraus abgeleitete Beurteilung der Rechtsfrage stützt. Damit ist die Bescheidbegründung einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof - entgegen der Beschwerdeauffassung - durchaus zugänglich.
Insoweit der Beschwerdeführer auf seine Stellungnahme vom 30. Mai 1995 verweist, ist der Standpunkt der belangten Behörde, dadurch habe sich keine Änderung in der Beurteilungslage für die Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers ergeben, zutreffend. Nach den Erwägungen des zitierten Verfassungsgerichtshoferkenntnisses wird im Sinne der daraufhin ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnis vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0435, und die daran anschließende Judikatur) lediglich die Geltendmachung einfacher Verfahrensverletzungen im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erster Instanz ermöglicht, dies berührt aber die Frage der Beweiswürdigung des erstatteten Sachvorbringens bzw. der in einem (mängelfreien) Verfahren gewonnenen Ermittlungsergebnisse nicht. Liegen daher auch nach dem ergänzenden Berufungsvorbringen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 in der bereinigten Fassung (BGBl. Nr. 61/1994) nicht vor, hat die belangte Behörde gemäß dem - in seinem Geltungsbereich unverändert aufrecht gebliebenen - § 20 Abs. 1 leg. cit. von den Ermittlungsergebnissen des Verfahrens erster Instanz auszugehen und diese im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG einer Würdigung zu unterziehen. Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer weder in der Berufung noch in der Berufungsergänzung maßgebliche Ermittlungsfehler geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat das Vorliegen von Gründen im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) unter Hinweis auf die Aussage des Beschwerdeführers, daß er in Vietnam keinen staatlichen Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei, verneint. Dies steht mit der Aussage des Beschwerdeführers in Einklang, wonach er über die zuständigen Behörden in Vietnam für eine Aufenthaltserlaubnis in der (ehemaligen) CSFR zum Zwecke der Erwerbstätigkeit angesucht und eine solche erhalten habe. Wenn in der Beschwerde behauptet wird, der Beschwerdeführer wäre als Angehöriger der "Tay-Rasse" einer ethnischen Verfolgung ausgesetzt gewesen, so steht diese Behauptung in krassem Widerspruch zu den erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers, wonach er in der (ehemaligen) Tschechoslowakei deshalb keinen Asylantrag gestellt habe, weil ihm dies zwecklos erschiene, da er nur aus wirtschaftlichen Gründen aus seinem Heimatland ausgereist sei. Auch in der Berufung hat der Beschwerdeführer lediglich davon gesprochen, daß er "das politische System in Vietnam ablehne". Die vom Beschwerdeführer angegebenen Benachteiligungen als Angehöriger der "Tay-Rasse" (schlechtere Bezahlung, ungünstigere Arbeitsbedingungen, nicht näher konkretisierte Benachteiligungen allgemeiner Art am Arbeitsplatz) erreichen keineswegs eine derartige Intensität, daß deshalb ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers in seinem Heimatland als unerträglich anzusehen wäre. Wenn also die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangte, daß sich der Beschwerdeführer nicht aus wohlbegründeter Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde, so kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Der Vollständigkeit halber ist noch anzumerken, daß die in der Berufung erwähnte befürchtete Haft wegen Republikflucht nicht als Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzusehen ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 9. September 1993, Zl. 92/01/1014, und vom 17. Februar 1994, Zl. 94/19/0039).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200431.X00Im RIS seit
20.11.2000