TE Vwgh Beschluss 2022/3/22 Ra 2020/09/0059

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Veröffentlicht am 22.03.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §12a Z1
AuslBG §20d
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der Regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tulln an der Donau in 3430 Tulln an der Donau, Nibelungenplatz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. September 2020, W156 2231973-1/10E, betreffend Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. A GmbH in B, und 2. C D in E), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem am 27. Dezember 2019 beim Magistrat der Stadt Wien - Magistratsabteilung 35 eingebrachten Schreiben stellte die Zweitmitbeteiligte, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte“ gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (Fachkraft im Mangelberuf) für die Beschäftigung als Lohn- und Gehaltsverrechnerin im Unternehmen der erstmitbeteiligten Partei.

2        Mit Bescheid vom 14. Februar 2020 versagte die mit dem Antrag gemäß § 20d Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde - die nunmehrige revisionswerbende Partei - die Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a AuslBG. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Zweitmitbeteiligten entsprechend der Anlage ? zum AuslBG zwar 65 Punkte anzurechnen seien. Damit habe sie zwar die erforderliche Mindestpunkteanzahl (von 55) erreicht, jedoch verfüge die Zweitmitbeteiligte nicht über die für die bei der erstmitbeteiligten Partei vorgesehene Tätigkeit notwendigen Deutschkenntnisse, sondern lediglich über Deutschkenntnisse auf Niveau B1.

3        Die gegen diesen Bescheid von der erstmitbeteiligten Partei erhobene Beschwerde wies die revisionswerbende Partei mit Beschwerdevorentscheidung vom 20. Mai 2020 als unbegründet ab. Die erstmitbeteiligte Partei stellte einen Vorlageantrag.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung vom 20. Mai 2020 ersatzlos wegen Unzuständigkeit der revisionswerbenden Partei auf (Spruchpunkt A I.), gab der Beschwerde statt und stellte fest, dass die revisionswerbende Partei „der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, zuständigen Behörde schriftlich zu bestätigen [hat], dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Zweitmitbeteiligten zu einer Beschäftigung als Fachkraft gemäß 12a AuslBG bei der A GmbH erfüllt sind“ (Spruchpunkt A II.). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

5        Zum Spruchpunkt A I. führte das Bundesverwaltungsgericht begründend aus, dass die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid am 13. März 2020 erhoben worden sei, die Beschwerdevorentscheidung jedoch erst am 20. Mai 2020 erstellt und am 29. Mai 2020 zugestellt worden sei. Die Beschwerdevorentscheidung sei daher erst nach Ablauf der zweimonatigen Frist und damit von einer unzuständigen Behörde erlassen worden.

6        Zur Begründung des Spruchpunktes A II. verwies das Bundesverwaltungsgericht in seinen rechtlichen Erwägungen auf die Feststellungen, wonach die Zweitmitbeteiligte über ein abgeschlossenes Studium an der Universität in Sarajewo zur diplomierten Wirtschaftswissenschaftlerin verfüge, welche entsprechend der Bewertung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung dem österreichischen Studium der Betriebswirtschaft gleichzuhalten sei, sie jedoch über ein Deutschprüfungszeugnis B2 vom 7. Juli 2020 verfüge und eine Berufserfahrung als Lohnverrechnerin in Bosnien im Ausmaß von 15 Jahren und einem Monat nachweisen könne. Daraus ergebe sich das Vorliegen von 65 Punkten entsprechend der Anlage B zum AuslBG (30 Punkte für den Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer, 15 Punkte für Deutschkenntnisse Niveau B2 und 20 Punkte für die ausbildungsadäquate Berufserfahrung im Ausmaß von 15 Jahren). Das Erfordernis einer betriebsinternen Einschulung stehe nicht der Zulassung als Schlüsselkraft und dem Vorliegen der Voraussetzung des § 12a Z 1 AuslBG entgegen, zumal dem Gesetzgeber wohl bewusst gewesen sei, dass eine im Ausland erworbene Ausbildung inhaltlich nicht mit einer österreichischen völlig ident sein könne.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision aus dem Grund der Rechtswidrigkeit des Inhalts. Revisionsbeantwortungen wurden in dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren nicht erstattet.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu treffen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Die revisionswerbende Partei stützt sich in ihrem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision zusammengefasst darauf, dass einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Mangelberuf des „Lohn- und Gehaltsverrechners“ fehle. Es werde zwar nicht in Frage gestellt, dass die Ausbildung der Zweitmitbeteiligten die Vermittlung von grundsätzlichen Aspekten der Lohn- und Gehaltsverrechnung - zumindest nach bosnischem Recht - umfasst habe. Der Mangelberuf des Lohn- und Gehaltsverrechners stelle allerdings einen sehr speziellen Bereich des Abgaben- und Arbeitsrechtes dar, welcher die Absolvierung einer entsprechenden Zusatzausbildung auf Basis der einschlägigen innerstaatlichen Rechtsgrundlagen unbedingt erforderlich mache. Die Bezeichnung „Fachkraft“ im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes setze ein bestimmtes Qualifikationsniveau voraus, weshalb ein „substanzieller Qualifikationsvergleich“ mit der im Ausland erworbenen Ausbildung durchzuführen sei. Die Intention des Gesetzgebers sei es, bereits fertig einschlägig ausgebildete ausländische Fachkräfte im Inland zuzulassen. Nicht intendiert sei dabei, mag auch ein mit der beabsichtigten Tätigkeit im Zusammenhang stehendes Basisverständnis im Ausland vermittelt worden sein, dass erst nach der erfolgten Zulassung als Fachkraft mit der erforderlichen Ausbildung begonnen werde, die zur qualifizierten Ausübung erforderlich sei.

12       Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.

13       Vorauszuschicken ist, dass die dem Antrag der Zweitmitbeteiligten zugrundeliegende berufliche Tätigkeit als Lohn- und Gehaltsverrechnerin seit der Fachkräfteverordnung 2019, BGBl. II Nr. 3/2019, als Mangelberuf im Sinn des § 12a AuslBG aufgelistet ist.

14       Gemäß § 12a Z 1 AuslBG setzt die Zulassung zur Beschäftigung als Fachkraft in einem Mangelberuf das Vorliegen einer einschlägigen, abgeschlossenen Berufsausbildung voraus. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Gesetzgeber als Mindestanforderung für eine abgeschlossene Berufsausbildung einen österreichischen Lehrabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung vorgesehen hat (vgl. VwGH 25.1.2013, 2012/09/0068). Eine abgeschlossene Berufsausbildung liegt demnach auch vor, wenn diese einem Lehrabschluss vergleichbar ist (vgl. VwGH 26.2.2021, Ra 2020/09/0046) oder dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule in Österreich entspricht (vgl. erneut VwGH 25.1.2013, 2012/09/0068). Zweifellos kann auch ein im Hinblick auf einen Mangelberuf facheinschlägiges Hochschulstudium eine entsprechende Berufsausbildung darstellen (siehe die nach der Anlage B zum AuslBG höhere Punkteanzahl; vgl. in diesem Sinn auch Kind, AuslBG, 2018, §12a Rz 17; Deutsch/Nowotny/Seitz, Ausländerbeschäftigungsgesetz, 3. Auflage 2021, § 12-13 Rz 44). Eine formale Gleichstellung mit einer inländischen Berufsausbildung ist nicht erforderlich.

15       Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass eine Zulassung einer unselbständigen Schlüsselkraft voraussetzt, dass die Arbeitskraft die von der Rechtsordnung an die Ausübung der Tätigkeit der Arbeitskraft gestellten rechtlichen Voraussetzungen erfüllt (im Zusammenhang mit luftfahrtrechtlichen Qualifikationserfordernissen VwGH 30.5.2011, 2008/09/0060).

16       Bei dem hier gegenständlichen Mangelberuf der Lohn- und Gehaltsverrechnerin handelt es sich in Österreich um keinen reglementierten Beruf. Für die Ausübung ist weder ein spezifischer Befähigungsnachweis, noch ist für die Berufsausübung zwingend eine Nostrifikation oder Anerkennung einer im Ausland absolvierten Ausbildung erforderlich (siehe im Gegensatz dazu etwa für die Ausübung der Pflegeassistenz bzw. der Pflegefachassistenz in §§ 87 und 88 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz vorgesehenen Qualifikationsnachweise).

17       Vor dem Hintergrund der unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das von der Zweitmitbeteiligten absolvierte Studium an der Universität in Sarajewo dem österreichischen Studium der Betriebswirtschaft gleichzuhalten ist, kann es jedoch keinem Zweifel unterliegen, dass die Zweitmitbeteiligte dadurch eine facheinschlägige Berufsausbildung auch im Bereich der Lohn- und Gehaltsabrechnung genossen hat (zur Verwertbarkeit des vorgelegten Bewertungsgutachtens durch das AMS siehe auch § 10 Anerkennungs- und Bewertungsgesetz). Dies wird im Übrigen von der revisionswerbenden Partei offenbar auch nicht in Zweifel gezogen, wendet sie sich doch in ihrer Revision nicht gegen die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach die Zweitmitbeteiligte durch ihre Tätigkeit in Bosnien als Lohnverrechnerin facheinschlägige Berufserfahrung im Ausmaß von 15 Jahren erworben hat. Für die von der revisionswerbenden Partei geforderte „Zusatzausbildung“ bleibt daher für die Frage der einschlägigen Berufsausbildung im Sinn des § 12a Z 1 AuslBG kein Raum. Es entspricht der Natur der Sache, dass im Ausland erworbene Berufsausbildungen nicht zu hundert Prozent kongruent mit den jeweiligen österreichischen Abschlüssen sind, was - wie bereits ausgeführt - grundsätzlich auch nicht erforderlich ist.

18       Die revisionswerbende Partei vermag daher mit ihrem Revisionsvorbringen nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts wonach die Zweitmitbeteiligte sämtliche Voraussetzungen für die Zulassung als Mangelkraft in einem Mangelberuf aufweist, in unvertretbarer Weise erfolgt wäre oder den in der Rechtsprechung dazu aufgestellten Voraussetzungen widersprechen würde.

19       Soweit die Revision ausführt, es sei keine facheinschlägige Beschäftigung der Zweitmitbeteiligten geplant, entfernt sie sich von den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Zweitrevisionswerberin als Lohn- und Gehaltsverrechnerin unbefristet im Betrieb der erstmitbeteiligten Partei beschäftigt werden soll, ohne die zugrundeliegenden beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes zu bekämpfen, weshalb sie sich insoweit als nicht gesetzmäßig ausgeführt erweist (vgl. VwGH 5.11.2020, Ra 2020/10/0148, mwN).

20       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 22. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020090059.L00

Im RIS seit

25.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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