TE Vwgh Beschluss 2022/3/31 Ra 2022/04/0015

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.03.2022
beobachten
merken

Index

L72006 Beschaffung Vergabe Steiermark
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

ABGB §863 Abs1
BVergG 2018 §141 Abs1 Z7
BVergG 2018 §2 Z15
BVergG 2018 §2 Z45
BVergG 2018 §2 Z49
LVergRG Stmk 2018 §5
LVergRG Stmk 2018 §5 Abs1
LVergRG Stmk 2018 §5 Abs6 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der A GmbH in G, vertreten durch Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP & Co KG in 1010 Wien, Schottenring 25, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 21. Dezember 2021, Zlen. 1. LVwG 443.16-3010/2021-25 und 2. LVwG 45.16-3011/2021-13, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: Land Steiermark, vertreten durch Schiefer Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Rooseveltplatz 4-5/5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Laut Akteninhalt liegen dem Revisionsverfahren folgende unstrittige Tatsachen zugrunde:

2        Die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) führt ein am 21. Mai 2021 bekannt gemachtes Vergabeverfahren zum Abschluss eines Rahmenvertrages betreffend die „Beschaffung eines einheitlichen IT-Systems zur Planung, Steuerung und Dokumentation des Winterdienstes für 26 Straßenmeistereien in der Steiermark“ im Oberschwellenbereich.

3        Mit Schreiben vom 6. Oktober 2021 schied die Auftraggeberin das „Last and Best Offer“ (LABO) der revisionswerbenden Partei vom 18. August 2021 aus. Die Auftraggeberin begründete ihre Ausscheidensentscheidung unter anderem damit, dass die revisionswerbende Partei entgegen der bestandfesten Festlegung in Punkt 1.16 der Ausschreibungsunterlage mit Abgabe ihres Angebotes die unter Punkt 1.16 lit. a bis lit. f angeführten Unterpunkte nicht bzw. nicht zur Gänze bestätigt habe. Ebenso habe die revisionswerbende Partei in ihrem Angebot entgegen Punkt 1.7 der Ausschreibungsunterlage, wonach alle Preise als Pauschalpreise anzubieten seien, zu mehreren Punkten dargelegt, diese Leistungen nicht als Pauschalpreise kalkulieren zu können. Schließlich habe die revisionswerbende Partei in Punkt 1.2.5 ihres Begleitschreibens zum LABO entgegen den bestandfesten Festlegungen im Rahmenvertrag ausgeführt, die Source-Codes nicht zur Verfügung zu stellen, und entgegen Punkt 5.1 der Leistungsbeschreibung „Schulungen“ darauf hingewiesen, dass die Schulungsunterlagen nur in elektronischer Form, nicht jedoch auch in Papierform beigebracht würden. Unter anderem deswegen sei das LABO der revisionswerbenden Partei gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 ausschreibungswidrig.

4        Daraufhin brachte die revisionswerbende Partei einen Nachprüfungsantrag ein.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens betreffend die Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung (Spruchpunkt I.) und den Antrag, „die angefochtene Ausschluss- sowie Ausscheidensentscheidung im Vergabeverfahren ... für nichtig zu erklären und weiters festzustellen, dass das gegenständliche Vergabeverfahren wegen der vergaberechtswidrigen Bekanntmachung und/oder des Verstoßes gegen den Geheimhaltungsgrundsatz durch die Antragsgegnerin zu widerrufen“ sei (Spruchpunkt II.) jeweils zurück, und den Antrag, „die angefochtene Ausschluss- sowie Ausscheidensentscheidung im Vergabeverfahren ... für nichtig zu erklären“ (Spruchpunkt III.), ebenso wie den Antrag, die Auftraggeberin zum Ersatz der für den Nachprüfungsantrag entrichteten Pauschalgebühr zu verpflichten (Spruchpunkt IV.), ab. Im Übrigen sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision unzulässig sei (Spruchpunkt V.).

6        Begründend führte das Verwaltungsgericht zu Spruchpunkt I. zusammengefasst aus, dass ein auf eine nicht gesondert anfechtbare Entscheidung - wie vorliegend in Bezug auf die noch gar nicht getroffene Zuschlagsentscheidung - abzielender Nachprüfungsantrag gemäß § 5 Abs. 1 Z 6 Steiermärkisches Vergaberechtsschutzgesetz 2018 - StVergRG 2018, zurückzuweisen sei.

Betreffend den Antrag, die angefochtene Ausscheidens- und Auswahlentscheidung im gegenständlichen Vergabeverfahren für nichtig zu erklären und festzustellen, dass das Vergabeverfahren wegen der vergaberechtswidrigen Bekanntmachung und/oder des Verstoßes gegen den Geheimhaltungsgrundsatz zu widerrufen sei (Spruchpunkt II.), komme dem Verwaltungsgericht nach dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 1 StVergRG 2018 keine Zuständigkeit zur Feststellung zu, weil das Unterlassen des Widerrufs des Vergabeverfahrens nicht als selbständiger Teilakt im Rahmen einer gesondert anfechtbaren Entscheidung nach Außen in Erscheinung getreten sei, und deswegen die für rechtswidrig erachtete Unterlassung eines Widerrufs nicht im Zuge der Anfechtung einer Ausscheidensentscheidung geltend gemacht werden könne. Der „Nachprüfungsantrag auf Widerruf des Verfahrens“ erweise sich daher als unzulässig.

Zu Spruchpunkt III. legte das Verwaltungsgericht zusammengefasst begründend dar, gemäß der bestandfesten Bestimmungen der Ausschreibungsunterlage seien nach deren Punkt 1.7. „Preise und Rechenfehler“ Pauschalpreise mit zwei Dezimalstellen, kaufmännisch gerundet, in Euro inklusive aller Gebühren und Abgaben, exklusive der gesetzlichen Umsatzsteuer, anzubieten. Nachlässe und Preisminderungen sowie sämtliche anfallenden Nebenkosten seien demnach in die angebotenen Preise einzukalkulieren gewesen. Ebenso sei vorgesehen gewesen, dass die Abrufe aus dem Rahmenvertrag gemäß dessen Punkt 9 unmittelbar durch Abruf der Leistung auf Basis der im Vergabeverfahren angebotenen Preise erfolgen sollten. Demgegenüber habe die revisionswerbende Partei in ihrem Begleitschreiben zum LABO unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass ihr dies bei bestimmten Positionen nicht möglich sei.

Entgegen der in Punkt 1.16 der Ausschreibungsunterlage verlangten Bestätigungen habe die revisionswerbende Partei diese in ihrem LABO nicht abgegeben. Diese Einschränkung laut Begleitschreiben der revisionswerbenden Partei beziehe sich nicht auf ohnehin nicht angebotene Soll-Anforderungen.

Dem stehe auch die bloße Erklärung der revisionswerbenden Partei in ihrem Angebot, die Leistungen zu den Bestimmungen der Ausschreibung zu erfüllen, nicht entgegen.

Punkt 15.3. des Rahmenvertrages habe die Lieferung des aktuellen und vollständigen Source-Codes der Individualentwicklung und Anpassungsprogrammierung vorgesehen. Er sei so ausführlich zu dokumentieren und kommentieren gewesen, dass sich ein mit der Entwicklungsumgebung vertrauter fachkundiger Dritter nach der üblichen Einarbeitungszeit darin zu Recht finde. Der Auftraggeber überprüfe den übergegebenen Source-Code zwecks Feststellung, ob er im Hinblick auf Struktur und Nachvollziehbarkeit dem Stand der Technik entspreche. Daraus ergebe sich zweifellos, dass der Source-Code an den Auftraggeber übergehen hätte sollen. Demgegenüber habe die revisionswerbende Partei in ihrem LABO angeführt, dass der Source-Code nie ihre Geschäftsräumlichkeiten verlasse.

Gemäß Punkt 5.1 „Schulungen“ der Leistungsbeschreibung sowohl zum Erstangebot als auch zum LABO seien für alle angebotenen Schulungen die entsprechenden Funktionsbeschreibungen und Schulungsunterlagen in Papier und in elektronischer Form beizubringen gewesen. Im Gegensatz dazu ergebe sich aus dem LABO, dessen Begleitschreiben wie auch dem Erstgebot der revisionswerbenden Partei, dass diese die Schulungsunterlagen lediglich in elektronischer Form, nicht jedoch auch ausgedruckt angeboten und kalkuliert habe.

Die revisionswerbende Partei habe somit in ihrem LABO samt dem dazu als verbindliche Erklärung zu betrachtenden Begleitschreiben an mehreren Stellen klar zum Ausdruck gebracht, die Anforderungen der Ausschreibungsunterlage nicht zu erfüllen. Dass sich die Anmerkungen nur auf Soll-Anforderungen bezögen oder anderweitig irrtümlich übernommen worden seien, sei nicht erkennbar. Angebote, die wie vorliegend den Ausschreibungsbestimmungen widersprächen, seien ohne Gewährung einer Verbesserungsmöglichkeit auszuscheiden. Unabhängig davon seien die vorliegenden „Mängel“ preiswirksam, weshalb sie nicht behebbar wären.

Das LABO sei daher in Folge der Abweichungen von den Ausschreibungsbestimmungen zu Recht ausgeschieden worden.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Zu den beiden Spruchpunkten I. und II. brachte die Revision zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, obwohl zum Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts noch keine Zuschlagsentscheidung erfolgt sei, hätte das Verwaltungsgericht in der Begründung festhalten können, dass der von der revisionswerbenden Partei dargelegte krasse Verstoß gegen den Geheimhaltungsgrundsatz, der einen Verstoß gegen das Gebot der Bietergleichbehandlung, gegen das Diskriminierungsverbot sowie den freien und lauteren Wettbewerb indiziere, die wesentlichsten vergaberechtlichen Prinzipien gemäß § 20 BVergG 2018 verletzt habe. Das Verwaltungsgericht hätte „die Möglichkeit gehabt in seiner Begründung festzuhalten, dass die Ausschreibung aufgrund einer groben Verletzung des Geheimhaltungsgrundsatzes zu widerrufen“ sei. Durch die krass vergaberechtswidrige Verletzung des Geheimhaltungsgrundsatzes sei das gesamte Vergabeverfahren „kontaminiert“. Es sei somit eine Situation geschaffen worden, die den wesentlichen Regelungszielen des Vergaberechts krass zuwiderlaufe und eine Bestbieterermittlung verunmögliche, weshalb das Verwaltungsgericht „festzuhalten gehabt“ hätte, „dass das Vergabeverfahren zu widerrufen“ sei. Es stelle sich daher „die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, ob im Falle von Absprachen und der Verletzung der Geheimhaltungspflicht wie im gegenständlichen Fall ein Recht auf Widerruf“ bestehe, „dies einerseits für den Fall, dass eine Ausscheidensentscheidung rechtmäßig erfolgt“ sei „sowie auch andererseits für den Fall, dass dies nicht gegeben“ sei.

11       Gemäß § 5 Abs. 1 StVergRG 2018 kann eine Unternehmerin/ein Unternehmer bis zur Zuschlagserteilung oder bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung der Auftraggeberin/des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen. Der Antrag auf Nachprüfung ist gemäß § 5 Abs. 6 Z 1 StVergRG 2018 jedenfalls unzulässig, wenn er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richtet.

12       Zum Vorliegen einer Entscheidung des Auftraggebers in Bezug auf die als rechtswidrig monierte Unterlassung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 14. Dezember 2021, Ro 2021/04/0014, Ra 2021/04/0081, dargelegt, dass bei einer Beurteilung einer Unterlassung des Auftraggebers als „Entscheidung“ nur nach außen in Erscheinung tretende Willenserklärungen, etwa in Form einer nachfolgenden Entscheidung des Auftraggebers, „Entscheidungen“ des Auftraggebers sind. Dies ist nicht in Bezug auf jede nachfolgende Entscheidung des Auftraggebers anzunehmen, sondern nur dann, wenn gemäß § 863 Abs. 1 ABGB die nachfolgende Entscheidung mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übriglässt, dass der Auftraggeber dadurch eine konkrete Willenserklärung zum Ausdruck bringt (vgl. dazu in Bezug auf das Steiermärkische Vergabe-Nachprüfungsgesetz auch VwGH 30.6.2004, 2004/04/0028). So kann der sich auf ein Letztangebot beziehenden Ausscheidensentscheidung der Auftraggeberin - im Gegensatz etwa zur Zuschlagsentscheidung - kein hinreichend bestimmter Erklärungswert zugemessen werden, die Auftraggeberin wolle das Vergabeverfahren nicht wegen dagegen geltend gemachter Gründe widerrufen.

13       Das als rechtswidrig monierte Unterlassen des Widerrufs durch die Auftraggeberin ist daher vorliegend nicht als „Entscheidung“ zu qualifizieren und kann bereits deshalb nicht Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens iSd § 5 StVergRG 2018 sein.

14       Ebenso wenig kann das Begehren auf Feststellung, dass das gegenständliche Vergabeverfahren wegen der vergaberechtswidrigen Bekanntmachung und/oder des Verstoßes gegen den Geheimhaltungsgrundsatz durch die Auftraggeberin zu widerrufen sei, Gegenstand eines Feststellungsverfahrens nach § 18 StVergRG 2018 sein.

15       In Bezug auf Spruchpunkt III. bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Angebot der revisionswerbenden Partei habe in allen Punkten den Ausschreibungsunterlagen entsprochen. „Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses wird auf die Ausführungen im Nachprüfungsantrag verwiesen und daher das dort erhobene Vorbringen auch zum Gegenstand der ausserordentlichen Revision erhoben (Beilage /5).“

16       In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 11.10.2021, Ra 2020/04/0179 bis 0181, Rn. 9, mwN).

17       Diesem Erfordernis wird die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen zu Spruchpunkt III., das sich auf den bloßen Verweis auf die Ausführungen und das Vorbringen im Nachprüfungsantrag beschränkt, ohne eine grundsätzliche Rechtsfrage im Zusammenhang mit dem vom Verwaltungsgericht bejahten Ausscheidensgrund nach § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 darzulegen, nicht gerecht (vgl. etwa VwGH 21.6.2017, Ra 2017/03/0016, Rn. 21, mwN).

18       In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 31. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022040015.L00

Im RIS seit

25.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten