TE Vwgh Beschluss 2022/4/1 Ra 2022/03/0065

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Veröffentlicht am 01.04.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die außerordentliche Revision des A K in S, vertreten durch Mag. Hannes Huber, Dr. Georg Lugert, Rechtsanwälte in 3390 Melk, Bahnhofstraße 3, gegen das am 28. Oktober 2021 mündlich verkündete und schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW-102/013/7651/2021, betreffend Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde des Revisionswerbers wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 10. April 2021 durch die Aufforderung, eine Maske aufzusetzen oder das Verkehrsmittel U4 zu verlassen, die nachfolgende Identitätsfeststellung samt Abfotografieren der Daten seines Dienstausweises und die behauptete Nötigung, auf die bezahlte Weiterfahrt zu verzichten, als unbegründet abgewiesen. Dem Revisionswerber wurde aufgetragen, näher bestimmten Schriftsatz-, Vorlage- und Verhandlungsaufwand zu ersetzen.

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, der Revisionswerber habe sich am 10. April 2021 mit zwei Begleiterinnen neben zahlreichen weiteren Personen, die an einer Demonstration gegen die COVID-19-Maßnahmen teilnehmen wollten, in einem abfahrbereiten Zug der Linie U4 im Bahnhof Hütteldorf befunden. Da ein Großteil dieser Personen weder eine FFP2-Maske noch einen Mund-Nasen-Schutz getragen habe, habe sich der Fahrer der U-Bahngarnitur im Einklang mit den Vorgaben der Wiener Linien geweigert, abzufahren. Wegen Randalierens von Fahrgästen und Streitigkeiten seien Funkwagen dorthin beordert worden. Mittels Durchsagen im Bereich der U-Bahnstation bzw. des Zuges sei auf die geltende Maskenpflicht hingewiesen worden. Es könne nicht festgestellt werden, ob der U-Bahnfahrer auch eine Durchsage getätigt habe, dass er nicht losfahren werde, wenn die Maskenpflicht nicht beachtet werde. Die eingetroffenen Beamten hätten zu zweit Kontrollen der Maskenpflicht in der U-Bahngarnitur durchgeführt und darauf hingewiesen, dass der Lenker der U-Bahn nicht losfahren werde, wenn die Fahrgäste die Maskenpflicht nicht beachteten. Die Zeugen hätten den Revisionswerber und seine Begleiterinnen im vorderen Bereich des U-Bahnzuges ohne Maske angetroffen und zur Beachtung der Maskenpflicht aufgefordert. Der Revisionswerber habe einen Zettel vorgewiesen und gesagt, er sei von der Maskenpflicht befreit. Die Zeugin S. habe dem Revisionswerber mitgeteilt, dass sie nicht beurteilen könne, ob es sich um ein echtes Attest oder nur um einen Zettel handle, und dass sie aufgrund der Übertretung der COVID-19-Bestimmungen jedenfalls Anzeige erstatten müsse. Die Zeugin sei davon ausgegangen, dass Personen, die sich weigerten, eine Maske aufzusetzen, die Abfahrt des Zuges verhindern und daher den Tatbestand der Ordnungsstörung erfüllen würden. Aus diesem Grund habe sie den Revisionswerber zur Ausweisleistung aufgefordert. Mangels Reaktion habe sie die angesprochenen Personen darauf hingewiesen, dass die Identitätsfeststellung nötigenfalls mit Zwang durchgesetzt werden könne. Aufgrund näher festgestellter Umstände habe die Gefahr einer Eskalation bestanden, weshalb die Zeugin den Revisionswerber und seine Begleiterinnen zum Aussteigen aufgefordert habe. Dies zur Eigensicherung, aber auch um die Abfahrt des Zuges nicht weiter zu verzögern. In der Folge habe sich der Revisionswerber mit einem Dienstausweis der Polizei ausgewiesen.

3        Das Verwaltungsgericht erörterte seine Beweiswürdigung sowie seine rechtlichen Erwägungen und kam zu dem Schluss, dass die vertretbare Annahme zweier Verwaltungsübertretungen (Ordnungsstörung und Verletzung der Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske) vorgelegen habe, weshalb der Revisionswerber zu Recht zu einer Identitätsfeststellung aufgefordert worden sei. Die Rechtmäßigkeit der Identitätsfeststellung impliziere die Rechtmäßigkeit, den aus einem Ausweis ersichtlichen Datensatz festzustellen. Auch die Kostenentscheidung wurde näher begründet.

4        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Der Revisionswerber bringt zu Zulässigkeit der Revision zunächst vor, dass sich das Verwaltungsgericht mit der zum Zeitpunkt der Amtshandlung geltenden Rechtslage in Ansehung der COVID-19-Pandemie überhaupt nicht auseinandergesetzt und deshalb die Regelungen zur Tragepflicht einer FFP2-Maske und den dazu normierten Ausnahmen in der 4. COVID-19-SchuMaV in der damals geltenden Fassung nicht berücksichtigt bzw. sich schlichtweg darüber hinweggesetzt habe. Das Verwaltungsgericht sei zudem „von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 34b VStG und § 81 SPG abgewichen“ und habe in Verkennung der Rechtslage und Judikatur die Polizeibeamten für ermächtigt gehalten, den Revisionswerber aus dem Zug der U4 zu verweisen und seine Identität festzustellen.

8        Damit wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt, setzt diese neben einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG doch voraus, dass die Revision von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage „abhängt“. Davon kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz der Rechtsfrage für den Verfahrensausgang begründet wird (vgl. etwa VwGH 25.6.2020, Ra 2019/09/0157). Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aufgrund von Revisionen nicht zuständig (siehe VwGH 20.5.2020, Ra 2020/09/0018, mwN).

9        Den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen wird dann nicht entsprochen, wenn der Revisionswerber bloß allgemein behauptet, das Verwaltungsgericht sei von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen, ohne konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher hg. Rechtsprechung seiner Ansicht nach das Verwaltungsgericht in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. etwa VwGH 17.11.2021, Ra 2021/06/0088, mwN).

10       Den dargestellten Anforderungen wird die vorliegende Revision, die lediglich ein Abweichen „von der ständigen Rechtsprechung des VwGH“ rügt, ohne jedoch eine konkrete Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu nennen, von der das Verwaltungsgericht ihrer Ansicht nach abgewichen wäre, nicht gerecht, weshalb sich die Revision auch insofern nicht als gesetzmäßig ausgeführt erweist (vgl. etwa VwGH 29.1.2021, Ra 2020/05/0257, mwN). Hinzu tritt, dass die Zulässigkeitsbegründung der Revision der Argumentation des Verwaltungsgerichts, es habe die vertretbare Annahme zweier Verwaltungsübertretungen vorgelegen, gar nicht entgegen tritt.

11       Darüber hinaus macht die Zulässigkeitsbegründung geltend, dass der Sachverhalt unvollständig bzw. unrichtig festgestellt worden sei. Der Revisionswerber habe bereits in der Beschwerde seine beiden Begleiterinnen als Zeugen bezeichnet und darauf hingewiesen, dass deren Daten bei Bedarf nachgereicht werden könnten. Erst im Rahmen der Verhandlung habe der Revisionswerber erfahren, dass das Verwaltungsgericht diese beiden Zeugen weder ausgeforscht noch geladen habe. „Außerprotokollarisch“ habe der Richter dem Revisionswerber entgegnet, dass die Zeuginnen ohnehin nichts anderes angeben könnten als der Revisionswerber. Das Verwaltungsgericht sei von einer vorausgreifenden Beweiswürdigung ausgegangen, indem es einer gar nicht eingeholten Zeugenaussage zweier Personen von vorneherein die Unglaubwürdigkeit unterstellt habe. Das Verwaltungsgericht hätte ihn im Übrigen belehren müssen, dass er Namen und ladungsfähige Adresse der Zeuginnen nennen müsse.

12       Mit diesem Vorbringen werden Verfahrensmängel geltend macht. Die Zulässigkeit einer Revision setzt jedoch neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber - günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. u.a. VwGH 20.1.2021, Ra 2020/09/0055, mwN). Mit seinem wiedergegebenen (auf den konkreten Sachverhalt nicht weiter eingehenden) Vorbringen zeigt der Revisionswerber die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne der dargelegten Kriterien jedoch nicht auf (vgl. auch VwGH 22.10.2021, Ra 2020/09/0008).

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 1. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030065.L00

Im RIS seit

25.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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