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24/01 StrafgesetzbuchNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Mag. (FH) T S in W, vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. August 2021, Zl. LVwG-AV-1270/001-2019, betreffend Verhängung eines Waffenverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Amstetten), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht (idF: BH), vom 15. Oktober 2019 wurde - in Betätigung eines zuvor erlassenen Mandatsbescheids - über den Revisionswerber ein Waffenverbot gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) verhängt.
2 Dem legte die BH - auf das Wesentliche zusammengefasst -Folgendes zugrunde:
3 Im Zusammenhang mit einem Sachwalterschaftsverfahren, Vorgängen bei der Polizeiinspektion Amstetten und einem Aufenthalt des Revisionswerbers in der Universitätsklinik Tulln habe der Revisionswerber zahlreiche E-Mails bzw. SMS an unterschiedliche Personen mit Beschimpfungen und Drohungen gerichtet. Deshalb gegen ihn geführte Verfahren u.a. wegen § 107 Abs. 1 und 2 StGB (gefährliche Drohung) seien von der Staatsanwaltschaft Sankt Pölten gemäß § 190 Z 1 StPO (Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB) eingestellt worden. Mehrere Gutachten medizinischer Sachverständiger attestierten dem Revisionswerber näher beschriebene psychische Störungen, auch wenn dessen Selbst- und Fremdgefährdung unterschiedlich beurteilt würde. Der Revisionswerber habe zudem in einem am 31. Dezember 2017 versandten E-Mail gedroht, gegen Polizeibeamte mit einem Pfefferspray - somit einer Waffe iSd WaffG - vorgehen zu wollen.
Die als erwiesen angenommenen Tatsachen würden mit Rücksicht auf den Unrechtsgehalt und die darin zum Ausdruck kommende besondere sozialschädliche Neigung des Revisionswerbers eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und eine Bedrohung schutzwürdiger Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit darstellen.
4 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde ab; die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
Das Verwaltungsgericht gab - zusammengefasst - den bisherigen Verfahrensgang wieder und stellte auszugsweise den Inhalt des vom Revisionswerber am 31. Dezember 2017 an die Landespolizeidirektion Niederösterreich und diverse natürliche Personen gesendeten E-Mails fest:
„Prolog: An den sehr gering geehrten korrupten und asozialen [B]:
Ich wünsche mir sehr, dass ich das nächste Mal zu Hause bin, wenn Sie mir (einem unbescholtenen Bürger) wieder vor meinem Wohnhaus auflauern, mich stalken, mich ohne richterliche Genehmigung beharrlich verfolgen, sich rechtwidrig Zutritt zum Stiegenhaus verschaffen, dort asozial herumschreien, Lärmbelästigung betreiben, Angst und Schrecken verbreiten, mit dem Fuß gegen meine Eingangstüre treten, Sturmläuten oder ein sonst wie trottelhaftes Verhalten zeigen. Das würde ich als Nötigung empfinden, mich und mein Haustier im Rahmen des Selbstschutzes vor ‚unnötigen Qualen‘ gemäß § 222 Abs. 1 Z 1 StGB zu schützen, Gefahr abzuwenden und Ihnen dafür eine geballte Ladung Pfefferspray entgegenzuhalten um sie rechtmäßig zu vertreiben und uns vor einem korrupten, brutalen, asozialen Gewalttäter namens [B] zu schützen. Kommen sie nächstes Mal daher bitte, bitte wenn ich zu Hause bin und ich werde das als privaten Besuch, als Stalking, als Ruhestörung des Gewalttäters [B] werten, selbst wenn sie sich als Polizist verkleidet haben. Sie sind für mich eine elendige dumme Witzfigur, der eine Uniform braucht um Wahrgenommen (aber doch nicht Ernstgenommen) zu werden, da sie offensichtlich an einem sehr geringen narzisstischen Größenselbst leiden dürften. Ich empfehle ihnen dringend Antipsychotika einzunehmen, die würden ihnen helfen gegen die Stimmen und Schritte in ihrem Kopf, die sie in einer leeren Wohnung hören können, in der kein einziger Nachbar irgendetwas hören kann (weil es ein Passivhaus ist). Sie widern mich an, Herr [B]! Und sie sind eine Schande für die LPD NÖ, Herr [B]!
...“
5 Das Verwaltungsgericht nahm weiters auf die vorliegenden Sachverständigengutachten Bezug, deren - einander teilweise widersprechenden - Ergebnisse zusammengefasst wiedergegeben wurden.
6 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht fallbezogen (zusammengefasst) Folgendes aus:
Der Revisionswerber habe per E-Mail den Einsatz eines Pfeffersprays - und damit einer Waffe gemäß § 1 Z 1 WaffG - gegen einen namentlich genannten Polizisten angekündigt. Diese Drohung lasse ein missbräuchliches Verwenden von Waffen befürchten, auch wenn es sich nicht um eine strafbare Handlung mit schweren Folgen handle. Selbst wenn in einem der Gutachten die Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen mit schweren Folgen durch den Revisionswerber verneint werde, sei somit die Verhängung eines Waffenverbots gerechtfertigt. Abgesehen davon würde die Gefährlichkeit des Revisionswerbers in den Gutachten unterschiedlich beurteilt.
Schon der angedrohte Einsatz eines Pfeffersprays gegen Polizeiorgane rechtfertige daher die Verhängung eines Waffenverbotes, weshalb es dahingestellt bleiben könne, ob die weiteren im behördlichen Bescheid angeführten Argumente für sich alleine ein Waffenverbot tragen könnten.
7 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG. Dieser hat deren Behandlung mit Beschluss vom 30. November 2021, E 3744/2021-5, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
8 Daraufhin erhob der Revisionswerber die vorliegende - außerordentliche - Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht (zusammengefasst) Folgendes geltend:
Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, „wie bzw. nach welchem Maßstab die einschreitende Behörde einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt zu beurteilen [habe], wenn das gerichtliche Strafverfahren aus den Gründen des § 11 StGB eingestellt [werde], ohne dass es zu einer Anklageschrift bzw. einem Urteil gekommen [sei] und in dem auch kein ,Geständnis‘ vorliege und der Verdächtige die ihm zur Last gelegten Tathandlungen immer bestritten [habe]“.
Darüber hinaus liege ein Verfahrensmangel vor, weil nicht sämtliche vorhandenen neurologisch-psychiatrische Gutachten verwertet worden seien, obwohl die Frage der Gefährlichkeit des Revisionswerbers aus neurologisch-psychiatrischer Sicht entscheidungswesentlich sei.
13 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.
14 Hinsichtlich der für die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf VwGH 8.9.2020, Ra 2020/03/0117, mwN, verwiesen:
15 Danach ist - zusammengefasst - für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt „bestimmte Tatsachen“ iSd § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden.
16 Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger („missbräuchlicher“) Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist.
17 In seiner ständigen Rechtsprechung judiziert der Verwaltungsgerichtshof, dass nicht nur die Bedrohung eines Menschen mit dem Erschießen eine „konkrete Tatsache“ iSd § 12 Abs 1 WaffG, die ein für die Beurteilung der Voraussetzungen eines Waffenverbots relevantes Bild von der Persönlichkeit eines Menschen vermitteln kann und wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotentials ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermag, darstellt, vielmehr erlauben auch andere massive Drohungen mit Gewalttaten die für die Verhängung des Waffenverbots erforderliche Gefährdungsprognose (vgl. z.B. VwGH 17.5.2017, Ra 2016/03/0106).
18 Es entspricht weiters der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Behörde (und das in weiterer Folge angerufene Verwaltungsgericht) die für eine Erlassung oder Aufhebung eines Waffenverbotes nach den vom WaffG vorgegebenen Kriterien ohne eine Bindungswirkung eigenständig zu beurteilen hat, wenn es zu einem Freispruch von einem Tatvorwurf gekommen ist oder die Strafverfolgungsbehörde von einer Verfolgung - allenfalls nach diversionellem Vorgehen - Abstand genommen hat (vgl. nur etwa VwGH 27.1.2022, Ra 2021/03/0330, 22.11.2017, Ra 2017/03/0031, je mwN).
19 Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das über den Revisionswerber verhängte Waffenverbot auf Basis der von ihm getroffenen Feststellung zu bestätigen, liegt daher innerhalb der durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gezogenen Leitlinien.
20 Wenn die Revision weiters geltend macht, es seien nicht alle vorhandenen Gutachten verwertet worden, ohne konkret dazulegen, welche (anderen) Feststellungen das Verwaltungsgericht aufgrund welcher Beweisergebnisse hätte treffen sollen, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargelegt, weshalb damit schon deswegen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird. Abgesehen davon ist die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen iSd § 12 Abs. 1 WaffG unabhängig von der Zurechnungsfähigkeit des Betreffenden zu beurteilen (vgl. VwGH 29.5.2009, 2006/03/0087).
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
22 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 1. April 2022
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweismittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030037.L00Im RIS seit
25.04.2022Zuletzt aktualisiert am
10.05.2022