Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* GmbH, *, vertreten durch Dr. Christian M. Egger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei E* GmbH, *, vertreten durch Mag. Johannes Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei D*, vertreten durch Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts (Streitwert 1.292.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 3. Dezember 2021, GZ 3 R 143/21a-36, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin war Vorkaufsberechtigte hinsichtlich einer Liegenschaft, die die Beklagte von deren Eigentümer kaufte. Aufgrund des der Klägerin vom Nebenintervenienten übermittelten Kaufanbots erklärte sie, auf eine Einlösung zu verzichten, und gab eine grundbuchsfähige Löschungserklärung ab. Mit der Behauptung, der zwischen der Beklagten und dem Verkäufer in der Folge abgeschlossene Kaufvertrag habe von dem der Einlösungsofferte zugrunde liegenden Anbot abweichende Gewährleistungsbestimmungen enthalten, mangels gehöriger Anbietung sei die Frist des § 1075 ABGB daher noch nicht in Gang gesetzt worden, macht die Klägerin ihren Abforderungsanspruch gegenüber der Beklagten geltend.
[2] Das Erstgericht wies die Klage ab.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
[5] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor. Den in der unterlassenen Wiedereröffnung angeblich liegenden Mangel des Verfahrens erster Instanz wegen des Verstoßes gegen § 194 ZPO hat das Berufungsgericht geprüft und mit ausführlicher Begründung verneint. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht nicht als solche anerkannt hat, können aber nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963), dies gilt etwa auch für das vom Berufungsgericht gebilligte Unterbleiben der Wiedereröffnung des Verfahrens (RS0042963 [T10]). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RS0042963 [T58]).
[6] 2.1. Zur Frage des notwendigen Inhalts und der Auslegung eines Einlösungsangebots liegt bereits höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Demnach hat ein gehöriges Einlösungsangebot detaillierte Angaben auch zu „Nebenbedingungen“ zu enthalten, worunter außer den vom Drittkäufer zugesicherten Nebenleistungen auch die übrigen Vertragsbestimmungen (wie Zahlungskonditionen, Gefahrtragung, Gewährleistung und die Kosten der Vertragserrichtung) zu verstehen sind (RS0020216). Die Frist zur Einlösung beginnt nämlich erst zu jenem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Verpflichtete dem Berechtigten die Kenntnis aller Tatsachen verschafft hat, welche dieser kennen muss, um über die Ausübung des Vorkaufsrechts zu entscheiden, somit Gegenstand, Preis, Zahlungsmodalitäten, Bedingungen, Nebenrechte und -pflichten (RS0020353). Eine unzureichende Anbietung löst die Einlösungspflicht nicht aus (RS0020353 [T4]).
[7] 2.2. Zur Auslegung eines Einlösungsangebots sprach der Oberste Gerichtshof bereits aus (2 Ob 40/09k), dass darauf abzustellen ist, wie eine derartige Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage von einem redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war (vgl RS0113932). Auf einen im Einlösungsangebot nicht zum Ausdruck kommenden übereinstimmenden Parteiwillen ist daher nicht abzustellen. Dem entspricht die ständige Judikatur (RS0016198), wonach im Verhältnis untereinander die Partner des Kaufvertrags frei sind zu erklären, worauf ihre Absicht vorzüglich gerichtet ist und was als Endzweck ihrer Vereinbarung wie eine Bedingung wirken soll, sie im Verhältnis zum vorkaufsberechtigten Dritten aber an die Beschränkungen des Gesetzes gebunden bleiben und Vereinbarungen zum Zweck der Umgehung dieser Bestimmung wirkungslos wären. Dass im Verhältnis zum vorkaufsberechtigten Dritten nicht auf einen aus dem Einlösungsangebot nicht hervorgehenden übereinstimmenden Parteiwillen abzustellen ist, ist durch höchstgerichtliche Rechtsprechung daher bereits geklärt. Daraus ist für die Revisionswerberin aber nichts zu gewinnen.
[8] 3.1. Hier war das Kaufanbot der Beklagten vom 4. 2. 2019 Grundlage des Einlösungsangebots an die Klägerin. Nach den Feststellungen des Erstgerichts gab dieses Kaufanbot – auch in seinen Nebenbestimmungen zu Gewährleistungszusagen – die Einigung der Parteien des Kaufvertrags richtig und vollständig wieder. Das Anbot war daher gehörig. Es löste die 30-tägige Einlösungsfrist für die Klägerin aus, innerhalb der sie erklärte, auf eine Einlösung zu verzichten. Es liegt hier daher gerade nicht der Fall vor, dass dem Berechtigten der Inhalt des Vorkaufsfalls anlässlich des der Klägerin übermittelten Kaufanbots unrichtig mitgeteilt worden wäre; nur diesfalls existierte der mitgeteilte Vorkaufsfall in Wahrheit gar nicht und das Einlösungsangebot und die allfällige Einlösungserklärung (bzw hier die Erklärung, auf eine Einlösung zu verzichten) bezögen sich daher auf einen nicht bestehenden Vorkaufsfall und wären unwirksam, sodass das Vorkaufsrecht allenfalls weiter bestehen könnte (vgl Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1072 Rz 35). Die Klägerin wurde vielmehr richtig und vollständig von allen Haupt- und Nebenabreden zum Vorkaufsfall in Kenntnis gesetzt.
[9] 3.2. Die Veränderungen des Wortlauts von Gewährleistungsbestimmungen gegenüber dem Kaufanbot in der grundbuchsfähigen Kaufvertragsurkunde beruhten teils auf deren irrtümlicher und von den Vertragsparteien übersehener Übernahme aus einem Kaufvertragsmuster, teils auf einer präzisierenden Formulierung, die keine Änderung gegenüber der Einigung der Vertragsparteien bedeutete, zumal die Freiheit von Bestandrechten oder sonstigen Nutzungsrechten jedenfalls auch außerbücherliche Dienstbarkeitsrechte dritter Personen betrifft, die nach ihrer Legaldefinition als beschränkte dingliche Nutzungsrechte an fremden Sachen zu verstehen sind (Merth/Spath in Schwimann/Kodek ABGB Praxiskommentar5 § 472 ABGB Rz 1). Die Auslegung des Berufungsgerichts, mittels Nachtrags zum Kaufvertrag hätten die Kaufvertragsparteien auch hinsichtlich der von der Revisionswerberin selbst als Gewährleistungszusage bezeichneten Formulierung betreffend Aufschließung sowie Geh- und Fahrtrecht – mit Wirkung ex tunc (vgl 2 Ob 27/13d) – klargestellt, dass nur das – solche Zusagen nicht enthaltende – Kaufanbot den Vertragsinhalt ihrer Einigung bildet, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Auf die Frage, ob der Klägerin diese Umstände ohnedies bekannt waren, kommt es daher nicht an.
[10] 4. Auch auf die weiteren im Zulassungsantrag angesprochenen Rechtsfragen, ob ein inhaltlich vom Kaufanbot abweichender Kaufvertrag eine neue Einlösungsofferte ist und ob der verbücherte Vorkaufsberechtigte im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Abforderungsanspruchs gemäß § 1079 S 2 ABGB gegen Dritterwerber auch dann als solcher zu behandeln ist, wenn dieser im Vertrauen auf eine tatsächlich nicht erfolgte gehörige Anbietung seine Zustimmung zur Löschung des grundbücherlich sichergestellten Vorkaufsrechts erteilt hat, ist mangels Relevanz nicht mehr einzugehen.
[11] 5. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E134511European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00008.22W.0310.000Im RIS seit
25.04.2022Zuletzt aktualisiert am
25.04.2022