TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/13 96/18/0234

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Veröffentlicht am 13.06.1996
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Index

20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. März 1996, Zl. SD 804/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. März 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz- FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im November 1990 sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist, habe am 30. Jänner 1991 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und aufgrund dieser Ehe in der Folge einen Befreiungsschein und Sichtvermerke erhalten. Mittlerweile sei die Ehe des Beschwerdeführers vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Aus den Entscheidungsgründen des in Rechtskraft erwachsenen Urteils vom 22. September 1995 ergebe sich, daß die Ehe nur deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer eine Arbeits- und eine Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen. Angesichts dessen habe die Erstbehörde zu Recht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG als gegeben erachtet. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handle es sich bei seinem Gesamt(fehl)verhalten um einen die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigenden, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzusetzenden Rechtsmißbrauch, der eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 leg. cit. darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige.

In bezug auf § 19 FrG sei festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers ebensowie seine Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin basierten. Selbst wenn man unbeschadet dessen einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers annehmen wollte, so wäre damit für ihn nichts gewonnen. Denn diesfalls wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen.

Bei Annahme eines Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. wäre die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen, zumal weder familiäre noch sonstige enge Bindungen des Beschwerdeführers hätten festgestellt werden können. Sein Hinweis auf das zwischen der EU und der Türkei abgeschlossenen Assoziationsabkommen sei nicht zielführend, weil sowohl der Aufenthalt des Beschwerdeführers als auch seine Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien. Dies habe weiters zur Folge, daß auch das Ausmaß seiner Integration nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sei. Die belangte Behörde vertrete jedenfalls die Auffassung, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe das Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer keine Scheinehe geschlossen hätte, nicht berücksichtigt und auch diesbezüglich angebotene Beweise nicht aufgenommen, ist das - in der Beschwerde unwidersprochen - in Rechtskraft erwachsene Urteil vom 22. September 1995 über die Nichtigerklärung der Ehe des Beschwerdeführers entgegenzuhalten, aus dessen Begründung sich nach der unbestritten gebliebenen Feststellung im bekämpften Bescheid ergibt, daß die Ehe lediglich zum Zweck der Beschaffung einer Beschäftigungsbewilligung und einer Aufenthaltsberechtigung für den Beschwerdeführer geschlossen worden sei. Damit aber konnte die belangte Behörde in unbedenklicher Weise von einer - i.S. der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. November 1995, Zl. 95/18/1154, und die Erkenntnisse vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/1380, Zl. 95/18/1395, und Zl. 95/18/1404, jeweils mwN) - rechtsmißbräuchlichen Eingehung der Ehe ausgehen.

2. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ist der ihm solcherart zur Last liegende Rechtsmißbrauch als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen, welche die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt, darüber hinaus aber auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen läßt und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig macht (vgl. nochmals die vorzitierten hg. Erkenntnisse). Von daher gesehen bedurfte es - anders als die Beschwerde meint - weder aus dem Blickwinkel des § 18 Abs. 1 FrG noch aus dem des § 19 leg. cit. einer Bedachtnahme auf das "übrige Verhalten" des Beschwerdeführers.

3. Auch das Ergebnis der von der belangten Behörde für den Fall der Annahme eines i.S. des § 19 FrG relevanten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers zu Recht als erforderlich angesehenen Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG stößt auf keinen Einwand. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der mehrjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und auch seine Beschäftigung hinsichtlich ihrer jeweiligen Berechtigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen sind und darauf gründend den einwandfreien Schluß gezogen, daß weder Aufenthalt noch Beschäftigung noch das daraus ableitbare Ausmaß einer Integration des Beschwerdeführers wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sind (vgl. auch dazu die vorzitierten hg. Erkenntnisse vom 8. Februar 1996). Den mithin nur schwach ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers war das große Gewicht des durch sein Fehlverhalten beeinträchtigten maßgeblichen öffentlichen Interesses gegenüberzustellen - was die belangte Behörde zu der berechtigten zusammenfassenden Beurteilung geführt hat, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

4. An der damit dargelegten Unbedenklichkeit des angefochtenen Bescheides vermögen weder die Behauptung, die belangte Behörde hätte mit ihrer Entscheidung bis zur Erledigung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung zuwarten müssen, noch der Hinweis auf das Assoziierungsabkommen EWG - Türkei aus dem Jahr 1963 etwas zu ändern.

4.1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war die belangte Behörde nicht gehalten, mit ihrer Entscheidung zuzuwarten, da die von ihm erkennbar angesprochene Bestimmung des § 17 Abs. 4 FrG idF BGBl. Nr. 110/1994 nicht auch Verfahren zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes, vielmehr ausschließlich Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung erfaßt.

4.2. Mit dem vom Beschwerdeführer erhobenen Einwand, daß er aufgrund des Assoziierungsabkommens EWG - Türkei ex 1963 "Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung hat und demgemäß die Versagung derselben ungesetzlicher Weise erfolgte", ist für ihn schon deshalb nichts gewonnen, weil Gegenstand der bekämpften Entscheidung nicht die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung (nach dem Aufenthaltsgesetz), sondern die Erlassung eines auf das Fremdengesetz gestützten Aufenthaltsverbotes ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 95/18/1322).

5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996180234.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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