TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/21 Ro 2019/15/0010

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Veröffentlicht am 21.03.2022
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §35 Abs2
KommStG 1993 §8 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz in 4041 Linz, Hauptstraße 1 - 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. Jänner 2019, Zl. LVwG-450350/4/HW/MA, betreffend Kommunalsteuer für den Zeitraum 1. September 2017 bis 31. Dezember 2017 (mitbeteiligte Partei: F GmbH in L, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstraße 41), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Die mitbeteiligte GmbH weist in ihrer Satzung als Mittel zur Erreichung des Gesellschaftszwecks (hierzu gehört die Förderung der Gesundheit und körperlichen Ertüchtigung, insbesondere das Motivieren von Kindern und Jugendlichen zu einer langfristigen Bewegungsausübung) u.a. die Durchführung von „bewegten Stunden“ in Schulen aus.

2        Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz wurde der Mitbeteiligten Kommunalsteuer für den Zeitraum 1. September 2017 bis 31. Dezember 2017 in Höhe von 1.882,80 € vorgeschrieben.

3        Die dagegen erhobene Berufung wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz ab und führte begründend aus, dass der Befreiungstatbestand des § 8 Z 2 KommStG nicht zur Anwendung komme.

4        Die Mitbeteiligte erhob Beschwerde.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde Folge und änderte den Spruch der Berufungsentscheidung dahingehend ab, dass der Abgabenbescheid des Magistrates ersatzlos behoben wurde.

6        Zur Begründung führte es aus, durch das Projekt „Tägliche Bewegungs- und Sporteinheit“ (TBuS) solle der Bewegungsmangel bei Kindern und Jugendlichen bekämpft werden. Das Projekt TBuS werde von den Landesschulräten in Zusammenarbeit mit den Landes-Sportdachverbänden koordiniert. Die Durchführung der TBuS gestalte sich unterschiedlich je nach Schulform und den im Stundenplan vorgesehenen Bewegungs- und Sportstunden. Es solle ein Gesamtumfang von fünf Einheiten Bewegung und Sport pro Woche erreicht werden. In Zusammenhang mit der TBuS gestalteten so genannte Bewegungscoaches Bewegungsstunden an Schulen. Die von Bewegungscoaches abgehaltenen Stunden seien für die Schüler grundsätzlich nicht verpflichtend. Die Bewegungscoaches seien an einer Pädagogischen Hochschule speziell für ihre Tätigkeit ausgebildet. Die Tätigkeit der Mitbeteiligten betreffe die Umsetzung der TBuS, wobei sie unter anderem auch Bewegungscoaches, welche an Schulen die Bewegungsstunden durchführten, beschäftige. In diesem Zusammenhang habe die Mitbeteiligte Arbeitslöhne im Sinne des KommStG bezahlt, für welche die strittige Kommunalsteuer vorgeschrieben worden sei.

7        Strittig sei, ob die Mitbeteiligte Zwecken auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge im Sinne von § 8 Z 2 KommStG diene und damit von der Kommunalsteuer befreit sei. Der Gesellschaftszweck der Mitbeteiligten liege laut Errichtungserklärung in der Förderung der Gesundheit und körperlichen Ertüchtigung sowie der Setzung von präventiven Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge und ziele insbesondere darauf ab, Kinder und Jugendliche zu einer langfristigen Bewegungsausübung zu motivieren. Die tatsächlich von der Mitbeteiligten zur Erreichung des Gesellschaftszwecks ausgeübte Tätigkeit betreffe die Umsetzung der TBuS. Die Mitbeteiligte habe dafür Bewegungscoaches, welche an Schulen Bewegungsstunden durchführten, beschäftigt.

8        Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts könne der Gesellschaftszweck als der begünstigte Zweck der Gesundheitspflege im Sinne des KommStG angesehen werden. Auch wenn die Mitbeteiligte diesen Zweck bzw. das Ziel der Gesundheitspflege in tatsächlicher Hinsicht (im Wesentlichen) durch körperliche Ertüchtigung und sportliche Betätigung verfolge bzw. verwirkliche, ändere dies nichts am eigentlichen Zweck der Tätigkeit, nämlich der Förderung der Gesundheit und körperlichen Ertüchtigung und der Setzung von präventiven Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge. Unter dem Zweck der Gesundheitspflege iSd KommStG könnten durchaus auch Formen von Bewegung und körperlicher Ertüchtigung verstanden werden, sofern und solange diese - wie im gegenständlichen Fall - der Förderung der Gesundheit bzw. der Gesundheitsvorsorge dienten und die Förderung der Gesundheit auch primär bezweckt werde. Dass die Mitbeteiligte mit der Umsetzung der TBuS darüber hinaus den Zweck verfolge, spezielle sportartenspezifische Fähigkeiten zu vermitteln, oder die Bewegung bzw. körperliche Ertüchtigung in einem Ausmaß betrieben werde, welches über die Gesundheitspflege hinausgehe und einen Leistungstrainings- bzw. Wettkampfcharakter annehme, sei nicht der Fall. Somit diene die Tätigkeit der Mitbeteiligten einem Zweck auf dem Gebiet der Gesundheitspflege iSd § 8 Z 2 KommStG. Die Mitbeteiligte sei somit von der Kommunalsteuer befreit.

9        Eine Revision erklärte das Landesverwaltungsgericht wegen der Rechtsfrage, wie eine Gesellschaft kommunalsteuerlich zu beurteilen sei, die den Zweck der Förderung der Gesundheit bzw. der Gesundheitsvorsorge im Wesentlichen durch Tätigkeiten in Zusammenhang mit der körperlichen Ertüchtigung bzw. sportlichen Betätigung verfolge, für zulässig.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz.

11       Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

12       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13       § 8 Kommunalsteuergesetz 1993 in der Fassung BGBl. I Nr. 180/2004 lautet:

„§ 8. Von der Kommunalsteuer sind befreit:

1.   Das Unternehmen ÖBB-Gesellschaften (§ 3 Abs. 4) und die Österreichischen Bundesbahnen mit 66% der Bemessungsgrundlage;

2.   Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, soweit sie mildtätigen Zwecken und/oder gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge dienen (§§ 34 bis 37, §§ 39 bis 47 der Bundesabgabenordnung). § 5 Abs. 3 letzter Satz ist sinngemäß anzuwenden.“

§ 35 BAO lautet:

„§ 35. (1) Gemeinnützig sind solche Zwecke, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird.

(2) Eine Förderung der Allgemeinheit liegt nur vor, wenn die Tätigkeit dem Gemeinwohl auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder materiellem Gebiet nützt. Dies gilt insbesondere für die Förderung der Kunst und Wissenschaft, der Gesundheitspflege, der Kinder-, Jugend- und Familienfürsorge, der Fürsorge für alte, kranke oder mit körperlichen Gebrechen behaftete Personen, des Körpersports, des Volkswohnungswesens, der Schulbildung, der Erziehung, der Volksbildung, der Berufsausbildung, der Denkmalpflege, des Natur-, Tier- und Höhlenschutzes, der Heimatkunde, der Heimatpflege und der Bekämpfung von Elementarschäden.“

14       § 8 Z 2 KommStG enthält eine taxative Aufzählung derjenigen gemeinnützigen Zwecke, die eine Befreiung von der Kommunalsteuer nach sich ziehen. Von den in § 35 Abs. 2 BAO - dort in einer bloß beispielhaften Aufzählung - genannten gemeinnützigen Zwecken sind nur die Zwecke der Gesundheitspflege und die näher umschriebenen Fürsorgezwecke von der Kommunalsteuer befreit (vgl. VwGH 24.6.2004, 2001/15/0005).

15       In der Revision wird vorgebracht, das Landesverwaltungsgericht habe wegen der Umsetzung des Konzepts „Tägliche Bewegungs- und Sporteinheit“ angenommen, dass die Betätigung der Mitbeteiligten der Gesundheitspflege diene und daher (insgesamt) die Befreiung nach § 8 Z 2 KommStG zur Anwendung komme. Der Gesetzgeber habe in § 35 Abs. 2 BAO die „Gesundheitspflege“ einerseits und den „Körpersport“ andererseits als eigenständige - eine Förderung der Allgemeinheit bewirkende - Begriffe verwendet, in § 8 Z 2 KommStG aber bewusst darauf verzichtet, Tätigkeiten auf dem Gebiet des Körpersports von der Kommunalsteuer zu befreien. Es sei daher eine Abgrenzung dieser beiden Begriffe vorzunehmen. Unter dem Begriff Körpersport seien sportliche Aktivitäten zur körperlichen Ertüchtigung zu verstehen. Die von der Mitbeteiligten angebotene „Tägliche Bewegungs- und Sporteinheit“ falle unter den Begriff Körpersport. Daran ändere nichts, dass Bewegung auch der Verbesserung der Gesundheit der Kinder diene. Unter „Gesundheitspflege“ seien Tätigkeiten zu verstehen, die primär der Behandlung des menschlichen Körpers und der Hygiene dienten.

16       Mit diesem Vorbringen vermag die Revision die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen:

17       § 8 Z 2 KommStG knüpft die Befreiung von der Kommunalsteuer (abgesehen vom Fall der Erfüllung mildtätiger Zwecke) an taxativ aufgezählte gemeinnützige Zwecke, wobei von den im § 35 Abs. 2 BAO genannten gemeinnützigen Zwecken nur die Zwecke der Gesundheitspflege und die näher umschriebenen Fürsorgezwecke von der Kommunalsteuer erfasst werden, nicht aber die Förderung des Körpersports (vgl. VwGH 20.11.2019, Ra 2019/15/0103; 28.5.2019, Ra 2018/15/0030; 19.10.2006, 2005/14/0132; und 24.6.2004, 2001/15/0005).

18       Dieses gesetzgeberische Konzept führt dazu, dass die Förderung der Gesundheitspflege von der Förderung des Körpersports abgegrenzt werden muss. Auch wenn Körpersport ohne Zweifel positive Auswirkungen auf die Gesundheit entfaltet, kommt der Regelung des § 8 Z 2 KommStG nicht die Bedeutung bei, dass sie durch das Tatbestandsmerkmal „gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Gesundheitspflege“ generell auch den Zweck der Förderung des Körpersports erfasst.

19       Eine generelle Subsumtion der mittels Bewegungscoaches vorgenommenen Anleitung zu täglicher sportlicher Betätigung unter den Begriff der Gesundheitsvorsorge überzeugt daher nicht. Geht es - unabhängig von konkreten individuellen medizinischen oder therapeutischen Bedürfnissen - allgemein um die Entfaltung sportlicher Betätigungen, liegt eine Tätigkeit zur Förderung des Körpersports vor, die in den von § 8 Z 2 KommStG taxativ aufgezählten gemeinnützigen Zwecken keine Deckung findet.

20       Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 21. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2019150010.J00

Im RIS seit

22.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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