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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ABGB §435Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, in der Revisionssache des A P in W, vertreten durch Mag. Rupert Rausch, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Dannebergplatz 6/4/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22. Dezember 2021, VGW-112/055/15360/2021-9, betreffend Gehsteigherstellung nach der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 17. September 2021, mit welchem gegenüber dem Revisionswerber in Bezug auf eine näher bezeichnete, nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis als „Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiete für ganzjähriges Wohnen“ gewidmete Liegenschaft in Wien gemäß § 54 Abs. 12 der Bauordnung für Wien (BO) die Breite, Höhenlage, Bauart und Länge des Gehsteiges bekanntgegeben und festgelegt worden war, dass der Gehsteig nach Anordnung der Behörde herzustellen sei, sowie ausgesprochen worden war, dass die Gehsteigherstellung gemäß § 54 Abs. 3 leg.cit. auf jederzeitigen Widerruf gestundet werde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einer näher ausgeführten Spruchmaßgabe als unbegründet abgewiesen (I.). Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (II.).
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht dazu, soweit relevant, aus, die Grundparzelle, auf der das zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses im Rohbaustadium befindliche Kleingartenwohnhaus errichtet worden sei, sei von der Stadt Wien als Grundstückseigentümerin an den Z Verband verpachtet und von diesem im Rahmen eines Unterpachtvertrages an den Revisionswerber weiterverpachtet; wiedergegeben werden in der Folge nähere relevante Regelungen des Generalpachtvertrages vom 14. Dezember 1989. Auf dem Einreichplan vom 26. April 2021 zum gegenständlichen Kleingartenwohnhaus, so das Verwaltungsgericht weiter, finde sich der Vermerk der Magistratsabteilung 69 (MA 69) als Vertreterin der Grundstückseigentümerin, wonach die Zustimmung der Grundstückseigentümerin die Einleitung des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens ermögliche, nicht aber dessen Ausgang vorwegnehme. Die Baulichkeit sei laut diesem Vermerk ein Superädifikat und gehe nicht in das Eigentum der Grundeigentümerin über. Laut eines vom Revisionswerber persönlich übernommenen Schriftsatzes der MA 69 vom 19. Mai 2021 sei der Revisionswerber unter Bezugnahme auf das konkrete Bauvorhaben u.a. davon informiert worden, dass die Unterfertigung der Baupläne seitens der Stadt Wien davon abhängig gemacht werde, dass ihm als Unterpächter bewusst und er damit einverstanden sei, dass er mit der Bauführung Eigentümer „des Bauwerks (Superädifikates)“ werde und die Nutzung dieses Bauwerks vom aufrechten Bestand des Unterpachtrechtes an jener Kleingartenfläche, auf der sich das Bauwerk befinde, abhängig sei; dieser Unterpachtvertrag sei auflösbar. Einer weiteren „Erklärung“ des Revisionswerbers vom 18. Mai 2021, die von diesem unterfertigt worden sei, sei u.a. zu entnehmen, dass er als Pächter der Kleingartenfläche beabsichtige, auf dieser ein Kleingartenwohnhaus zu errichten, sowie dass das Bauwerk von ihm als Bauwerber in der Absicht errichtet werde, nicht stets auf dem gegenständlichen Pachtgrund zu verbleiben, sodass dem Revisionswerber bewusst sei, dass es sich dabei um ein Superädifikat handle und er durch die Bauführung Eigentum an der Baulichkeit erwerbe. Unter Verweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes kam das Verwaltungsgericht sodann zur Frage des Eigentums an der Baulichkeit, an die die verfahrensgegenständliche Verpflichtung gemäß § 54 Abs. 12 BO (samt Stundung gemäß § 54 Abs. 3 leg.cit.) zur Gehsteigherstellung anknüpft, zum Ergebnis, dass das Kleingartenwohnhaus als Superädifikat im Eigentum des Revisionswerbers anzusehen sei.
6 In der Zulässigkeitsbegründung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision bestreitet der Revisionswerber zusammengefasst das Vorliegen eines Superädifikates und bringt vor, das Kleingartenwohnhaus stehe nicht in seinem Eigentum, sondern in jenem der Stadt Wien. Die zivilrechtliche Vorfrage, „ob der Bescheidadressat Eigentümer (Miteigentümer) eines Neu-, Zu- oder Umbaues im Bauland oder einer fundierten Einfriedung an einer Baulinie“ sei, sei unrichtig beantwortet worden.
7 Die Revision ist unzulässig.
8 Die Frage, wer Eigentümer einer bestimmten Anlage (hier: des Kleingartenwohnhauses, an dessen Bau die Verpflichtung zur Gehsteigherstellung nach § 54 Abs. 12 BO anknüpft) ist, ist eine zivilrechtliche Vorfrage. Bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der Verwaltung fallenden Rechtsmaterien kommt dem Verwaltungsgerichtshof keine Leitfunktion zu; er ist zur Fällung grundlegender Entscheidungen auf dem Gebiet des Zivilrechts nicht berufen, sodass die Auslegung zivilrechtlicher Normen auch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründen kann, solange dem Verwaltungsgericht dabei keine krasse Fehlentscheidung unterlaufen ist. Eine Unvertretbarkeit ist in der Regel dann auszuschließen, wenn das Verwaltungsgericht eine zivilrechtliche Vorfrage im Einklang mit der Rechtsprechung der Obersten Gerichtshofes gelöst hat (vgl. VwGH 21.11.2017, Ro 2015/05/0009, mwN).
9 Eine krasse Fehlbeurteilung ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar, und zwar auch nicht unter Einbeziehung der zur Zulässigkeit der Revision genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 30. Jänner 2020, 2Ob79/19k, aus der sich nicht ergibt, dass und aus welchem Grund das in Rede stehende Kleingartenwohnhaus nicht als Superädifikat im Eigentum des Revisionswerbers stehen könnte. Dagegen hat sich das Verwaltungsgericht in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses sachverhaltsbezogen eingehend mit der Frage des Eigentums am Kleingartenwohnhaus auseinandergesetzt und dazu sowohl Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes als auch des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen geführt. In den Revisionszulässigkeitsgründen wird nicht auf diese Ausführungen, insbesondere auch nicht auf die vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, eingegangen (vgl. dazu auch VwGH 29.1.2021, Ra 2020/05/0252, mwN).
10 Dazu kommt, dass die Frage, ob eine bestimmte bauliche Anlage ein Superädifikat ist, den jeweiligen Einzelfall betrifft. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. nochmals VwGH 29.1.2021, Ra 2020/05/0252, oder auch 1.6.2021, Ra 2019/05/0052, 0053; jeweils mwN). Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht dargestellt und ist angesichts der eingehenden und jedenfalls nicht unvertretbaren Begründung des Verwaltungsgerichtes auch nicht ersichtlich.
11 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 24. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022050059.L00Im RIS seit
22.04.2022Zuletzt aktualisiert am
17.05.2022