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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art132 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des S L, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 13. Jänner 2022, Zl. LVwG-M-33/001-2021, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach § 38 Sicherheitspolizeigesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers gegen die im Zuge einer Amtshandlung am 30. März 2021 von Polizeibeamten ausgesprochene Wegweisung „verbunden mit fehlender Androhung bzw. Ankündigung vor zwangsweiser Durchsetzung durch Polizeibeamte“ keine Folge gegeben und die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (I.). Der Revisionswerber wurde zu näher bezeichnetem Aufwandersatz an die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht verpflichtet (II.). Eine Revision wurde für nicht zulässig erklärt (III.).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers richte sich gegen den Ausspruch der gegen ihn gerichteten Wegweisung. Der Revisionswerber behaupte, ohne vorherige Androhung oder Ankündigung unter Anwendung von Zwangsgewalt durch einen Polizeibeamten „von der Brücke ‚weggeschoben‘ worden zu sein“.
3 Zum Sachverhalt stellte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen fest, am 30. März 2021 habe sich eine Personengruppe von einer Brücke über die Autobahn A 4 abgeseilt und dadurch den Verkehr auf der Mannswörtherstraße bzw. der B 9, insbesondere im dortigen Kreuzungsbereich, blockiert. Die zum Vorfallsort kommandierten Kräfte der Polizei seien angewiesen worden, sämtlichen unbeteiligten Personen den Zutritt zum Vorfallsort, insbesondere zum Bereich der Brücke, zu verwehren und Personen von der Amtshandlung fernzuhalten, um die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht durch die eingesetzten Beamten sichern zu können. Im Zuge dessen sei der Revisionswerber, der als freiberuflicher Fotograf und Journalist die Vorfälle dokumentieren habe wollen, unter Verweis auf ein „Platzverbot“ aus dem räumlichen Nahebereich der Brücke verwiesen worden, wobei der Revisionswerber immer wieder „insistierend“ versucht habe, zum Ort des Geschehens zu gelangen bzw. „hinter dem Rücken der Beamten zum Vorfallsort vorzudringen“.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, aus dem Blickwinkel der einschreitenden Exekutivbeamten sei die Annahme des Anfangsverdachtes unter anderem des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung gemäß § 176 StGB schlüssig begründet gewesen. Durch das Abseilen von Personen vom Brückenbereich auf eine Autobahn sei die Annahme begründet gewesen, dass „es zu unkontrollierten Vollbremsungen oder zu notwendigen abrupten Auslenkmanövern von Verkehrsteilnehmern kommen kann, die mit hoher Geschwindigkeit den Vorfallsort passieren oder sich diesem nähern, verbunden mit einer akuten Gefährdung von Leib, Leben und Eigentum“.
5 Die Wegweisung des Revisionswerbers habe dem präventiven Schutz des Revisionswerbers vor allfälligen Gefahren in einer noch nicht übersehbaren, aber doch den Umständen nach als gefährlich zu bewertenden Situation gedient, die durch einen gefährlichen Angriff ausgelöst worden sei, sodass auf § 38 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) zu verweisen sei.
6 Darüber hinaus erweise sich die Wegweisung allein schon deshalb als berechtigt, da der Tatort einer offensichtlich strafbaren Handlung zu sichern und beschuldigte Personen nach den Bestimmungen der StPO vorläufig festzunehmen gewesen seien, „infolge“ die Spuren der Straftat zu sichern und zu dokumentieren gewesen seien, dies gestützt unter anderem auf § 93 StPO.
7 Die Wegweisung sei auch als verhältnismäßig zu bewerten. Durch die vorsätzlich versuchte Vereitelung der Absperrmaßnahmen sowie das versuchte Vorbeidrängen, um an den Tatort zu gelangen, habe der Revisionswerber ganz bewusst einen passiven Körperkontakt mit anwesenden, eingesetzten Polizeibeamten in Kauf genommen. Das Einschreiten der mit den Absperrmaßnahmen beauftragten Polizeibeamten sei verhältnismäßig, notwendig und rechtskonform gewesen. Die Wegweisung sei keineswegs ausgesprochen worden, um den Revisionswerber in seinem Recht auf Pressefreiheit zur Anfertigung von Bild- und Tonmaterial zu verletzen.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichts dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Revisionswerber behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa VwGH 4.6.2021, Ra 2021/01/0178, mwN).
10 Vorliegend erachtet sich der Revisionswerber durch das angefochtene Erkenntnis
„in seinem Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 38 Abs. 1a, 2 und 3 SPG weggewiesen bzw. nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 93 Abs. 3 StPO am Betreten der Brücke gehindert zu werden“
als verletzt. Zudem erachtet sich der Revisionswerber
„in seinem Recht auf Androhung bzw. Ankündigung von unmittelbarer Zwangsgewalt vor deren Einsatz gemäß § 50 Abs. 2 SPG verletzt“.
Sohin sei der Revisionswerber zur Erhebung der gegenständlichen außerordentlichen Revision legitimiert.
11 Das subjektiv-öffentliche Recht eines Maßnahmenbeschwerdeführers besteht aber alleine darin, dass der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird (vgl bereits VwGH 4.6.2021, Ra 2021/01/0178, mit Verweis auf VwGH 5.12.2017, Ra 2017/01/0373, Rn. 59, mwN).
12 Mit den genannten Ausführungen werden sohin keine tauglichen Revisionspunkte im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geltend gemacht.
13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 24. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010067.L00Im RIS seit
22.04.2022Zuletzt aktualisiert am
01.06.2022