TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/28 Ra 2021/01/0307

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Veröffentlicht am 28.03.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des M A in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2021, Zl. W270 2195973-1/27E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) in der Sache den Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Afghanistan, auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2        Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit vorliegend wesentlich aus, dem Revisionswerber sei eine Rückkehr in seine Heimatregion (Kabul) möglich. Diese Einschätzung stützte das Verwaltungsgericht auf den Informationsbericht der EASO über Afghanistan zu den sozioökonomischen Schlüsselindikatoren mit Fokus auf die Städte Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat von August 2020 unter Bedachtnahme auf Länderberichte aus Mai bis Anfang Juni 2021, auf die der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren verwiesen hat.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Das BFA erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu I.:

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Im Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten enthält die Revision kein Zulässigkeitsvorbringen nach § 28 Abs. 3 VwGG, weshalb die Revision im Umfang des diesbezüglichen Abspruchs des Verwaltungsgerichts schon aus diesem Grund gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen ist.

Zu II.:

8        Zulässig und begründet erweist sich die Revision in Bezug auf die Bekämpfung der Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz und die rechtlich darauf aufbauenden weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Erkenntnisses.

9        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Asylbehörde bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Dies gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Das Verwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnisses im Herkunftsstaat können auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben (vgl. etwa VwGH 24.1.2022, Ra 2021/20/0367, Rn. 11, mwN).

10       Der Revisionswerber weist zu Recht darauf hin, dass sich seit Herausgabe der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Länderberichte die Situation in Afghanistan in maßgeblicher Weise verändert hatte, sodass das Verwaltungsgericht im Fall der Berücksichtigung aktueller - in der Revision näher bezeichneter und im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses auch dem Bundesverwaltungsgericht zugänglicher - Berichte (im Besonderen lagen im Entscheidungszeitpunkt bereits diverse weitere, auf aktuelle Ereignisse in Afghanistan Bezug nehmende Informationen der Staatendokumentation vor; vgl. etwa die von ihr herausgegebene Kurzinformation vom 19. Juli 2021) zu anderen Feststellungen und aufgrund dieser auch zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte kommen können (vgl. zur Lageänderung in Afghanistan nochmals etwa VwGH Ra 2021/20/0367).

11       Schon deshalb war das angefochtene Erkenntnis in Bezug auf die Abweisung der Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz und die darauf aufbauenden Aussprüche gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

12       Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 28. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021010307.L00

Im RIS seit

22.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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