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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ABGB §2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde der A, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. August 1995, Zl. SD 1015/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. August 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Gemäß § 17 Abs. 1 FrG seien Fremde - gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 leg. cit. - mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten.
Bosnische Staatsangehörige seien nach den Bestimmungen des FrG in Verbindung mit dem Sichtvermerksabkommen bis 14. April 1995 zur sichtvermerksfreien Einreise und zu einem sichtvermerksfreien Aufenthalt in der Dauer von drei Monaten berechtigt gewesen, wenn sie bei der Einreise über einen gültigen Reisepaß verfügt hätten. Sie seien darüber hinaus aufgrund der zu § 12 des Aufenthaltsgesetzes ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 389/1995 zum vorübergehenden Aufenthalt - derzeit bis Ende Juni 1996 - berechtigt, wenn sie ihre Heimat wegen der bewaffneten Konflikte verlassen und anderweitig keinen Schutz gefunden hätten und - sofern sie nach dem 30. Juni 1993 nach Österreich eingereist seien - sich der Grenzkontrolle gestellt hätten und ihnen entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet worden sei.
Die Beschwerdeführerin sei laut ihren eigenen Angaben am 5. Mai 1995 ohne im Besitz eines Sichtvermerkes zu sein in einem PKW mit österreichischem Kennzeichen bei B in das Bundesgebiet eingereist. Wie sie vor der Erstbehörde ausgeführt habe, wäre dieser PKW an der Grenze durchgewunken worden.
Angesichts dieses Sachverhaltes sei davon auszugehen gewesen, daß sich die Beschwerdeführerin, in deren Reisepaß sich kein Einreisestempel befinde, offensichtlich nicht der Grenzkontrolle gestellt habe, da hiezu ein aktives Tätigwerden ihrerseits erforderlich gewesen wäre. Jedenfalls sei ihr - und dies sei im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung - die Einreise entsprechend internationaler Gepflogenheiten nicht gestattet worden. Somit halte sie sich seit ihrer Einreise unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodaß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG gegeben seien. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden die Ausweisung zu verfügen, wenn dem nicht die Bestimmung des § 19 FrG entgegenstehe.
Aufgrund des kurzen und zudem illegalen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und im Hinblick auf das Fehlen familiärer Bindungen liege ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinne des § 19 FrG nicht vor. Es sei daher die Frage, ob ihre Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei, nicht zu prüfen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin erstattet ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995, und leitet aus dieser - im Ergebnis - ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet ab, welches der Ausweisung entgegenstünde.
Gemäß § 1 Abs. 1 der genannten Verordnung haben "Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, .. ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet". Gemäß § 1 Abs. 2 der genannten Verordnung besteht dieses "Aufenthaltsrecht .. weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1 (- diesem Personenkreis ist die Beschwerdeführerin zuzurechnen -), sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrollstelle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde".
Die Beschwerdeführerin bringt - unter Hinweis auf § 10 Abs. 3 des Grenzkontrollgesetzes - vor, daß sie sich bei ihrer Einreise nach Österreich bei einer Grenzkontrollstelle "im Rahmen der dort gegebenen Verkehrsstauung zur Grenzkontrolle und somit zur Einreise in das Bundesgebiet eingereiht (habe) und .. von dem die Kontrolle durchführenden Grenzkontrollorgan - offensichtlich zur Beschleunigung des Verkehrs, jedoch unter Vorweisung (ihres) Reisepasses - über die Grenzkontrollstelle hinaus durchgewunken" worden sei. Von einer nicht den internationalen Gepflogenheiten entsprechenden Grenzkontrolle könne in ihrem Fall keine Rede sein, da es nicht an ihr, sondern an dem die Grenzkontrolle durchführenden Grenzkontrollorgan gelegen sei, eine mehr oder weniger genaue Überprüfung durchzuführen. Die rechtliche Beurteilung des Vorbringens betreffend den näheren Hergang ihrer Einreise bei der Grenzkontrollstelle unter dem Gesichtspunkt des Erfordernisses, sich im Sinne der genannten Verordnung der Grenzkontrolle zu stellen, kann dahingestellt bleiben, da es sich dabei um eine erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebrachte und somit unbeachtliche Neuerung handelt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).
2. Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid weiters ein, daß "aufgrund der Bestimmungen des Sichtvermerksabkommens bosnische Staatsangehörige bis 14. April 1995 zur sichtvermerksfreien Einreise und einem sichtvermerksfreien Aufenthalt in der Dauer von drei Monaten" berechtigt gewesen seien, "wenn sie bei der Einreise über einen gültigen Reisepaß verfügten". Die Einreise der Beschwerdeführerin sei "lediglich zwei Wochen nach Ende dieser Frist" erfolgt "und war bosnischen Staatsangehörigen dieser Umstand zum Zeitpunkt (ihrer) Einreise am 5. Mai 1995 nicht bekannt und mußte dies auch noch nicht bekannt sein".
Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, da die Aussetzung des Sichtvermerksabkommens im Verhältnis zur Republik Bosnien-Herzegowina im Bundesgesetzblatt unter BGBl. Nr. 252/1995 gehörig kundgemacht wurde und daher - auf dem Boden der Judikatur - die Kenntnis der damit geschaffenen Rechtslage auch bei Personen, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, erwartet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis VwSlg. 8181(A)/1972.
3. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995181411.X00Im RIS seit
20.11.2000