Entscheidungsdatum
09.02.2022Norm
BAO §284Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch MMag. Kammerhofer als Einzelrichter über die Säumnisbeschwerde der A GmbH & Co KEG, vertreten durch die B Rechtsanwälte OG in ***, ***, vom 16. November 2021 wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bürgermeister der Stadtgemeinde *** den
BESCHLUSS:
1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 284 Abs. 2 Bundesabgabenordnung - BAO
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Begründung:
1. Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin stellte einen Antrag auf Ausstellung eines Bescheides betreffend Wasserbezugsgebühr für die Liegenschaft *** in ***, der per E-Mail am 1. März 2021 bei der Stadtgemeinde eingebracht wurde. Es sei von der Gemeinde ein Schreiben übermittelt worden, mit dem festgehalten worden sei, dass eine verbrauchte Wassermenge erwiesen sei. Das Schreiben gehe von falschen Voraussetzungen aus. Beim gegenständlichen Zähler sei die Nacheichfrist gemäß § 15 Abs 5 des Maß- und Eichgesetzes bereits abgelaufen gewesen. Ein derartiges Messgerät habe daher nicht mehr zur Messung des Wasserverbrauches verwendet werden dürfen. Auch eine Befundprüfung gemäß § 47 des Maß- und Eichgesetzes scheide aus, da keine Eichung mehr vorliege. Der Wasserverbrauch sei daher nicht gesetzmäßig festgestellt. Der Einhaltung der Vorschriften des Maß- und Eichgesetzes könne nicht dadurch begegnet werden, dass die Ablesung eines nicht geeichten Zählers herangezogen werde. Es werde daher der Antrag gestellt, einen Bescheid über den angeblichen Wasserrückstand auszustellen, damit der Rechtsweg beschritten werden könne.
Mit Schreiben vom 15. November 2021, eingelangt beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich per E-Mail am 16. November 2021, erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Säumnisbeschwerde gegen die belangte Behörde Bürgermeister der Stadtgemeinde *** wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht. Der Antrag auf Ausstellung eines Bescheides, der per E-Mail am 1. März 2021 bei der Stadtgemeinde eingebracht wurde, sei bislang nicht erledigt worden.
Der belangten Abgabenbehörde (Bürgermeister der Stadtgemeinde ***) wurde in der Folge mit Verfügung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 19. November 2021 gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufgetragen, über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 1. März 2021 binnen drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 2. Februar 2022 wurde die Wasserbezugsgebühr für den Zeitraum 1. Jänner 2016 bis 31. Dezember 2016 festgesetzt. Mit einem weiteren Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** – ebenfalls vom 2. Februar 2022 – wurde die Wasserbezugsgebühr für den Zeitraum 1. Jänner 2017 bis 31. Dezember 2017 festgesetzt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):
§ 1.
(1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
[…]
§ 2a.
Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden.
§ 284.
(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.
(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.
(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt. […]
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Säumnisbeschwerde die Säumnis des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** zur Entscheidung über ihren Antrag auf Erlassung eines Bescheides geltend gemacht. Mit den nunmehr vorgelegten Bescheiden vom 2. Februar 2022 hat der Bürgermeister der Stadtgemeinde *** meritorisch über diesen Antrag entschieden. Mit der Erlassung dieser Bescheide wurde über jenen Antrag entschieden, hinsichtlich dessen die Säumnis mit der vorliegenden Beschwerde geltend gemacht wurde, und die vom Beschwerdeführer angestrebte Sachentscheidung getroffen.
Das Rechtsschutzinteresse an der Entscheidung über die Säumnisbeschwerde, welches auf die Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides gerichtet war, ist damit fortgefallen. Es liegen daher die Voraussetzungen für die Einstellung wegen sonstiger Gegenstandslosigkeit vor (vgl. VwGH Zl. 2011/17/0166).
Durch die Erlassung des Bescheides vom 2. Februar 2022 ist die Entscheidungspflicht und damit auch ihre Verletzung weggefallen (vgl. VwSlg. 8.937 A). Im Verfahren über eine Säumnisbeschwerde ist der Beschwerdeführer damit klaglos gestellt, da dem Beschwerdebegehren (Entscheidung über den Antrag vom 1. März 2021) Rechnung getragen wurde. Durch die Erlassung der Bescheide der Abgabenbehörde ist dem Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers damit Rechnung getragen; die von ihm mit Säumnisbeschwerde begehrte Entscheidung über seinen Antrag liegt vor (vgl. VwGH Ra 2014/16/0033).
Die Rechtmäßigkeit eines solcherart wirksam erlassenen Bescheides ist dabei nicht zu prüfen. Liegt ein wirksam erlassener Bescheid der Abgabenbehörde vor, darf das Verwaltungsgericht nicht mehr in der Sache entscheiden (vgl. dazu nochmals VwGH Ra 2014/16/0033). Ein solcherart erlassener Bescheid der Abgabenbehörde ist wirksam und rechtsmittelfähig. Damit wird auch dem Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers ausreichend Rechnung getragen.
Wegen Erlassung des beantragten Bescheides durch die belangte Behörde ist daher das Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO einzustellen.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG (iVm Art. 133 Abs. 9 B-VG) ist die Revision gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Insbesondere ergibt sich im Falle der Bescheiderlassung durch die Abgabenbehörde die Rechtsfolge der Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens bereits unmittelbar aus der Bestimmung des § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO.
Schlagworte
Finanzrecht; Verfahrensrecht; Säumnisbeschwerde; Rechtsschutzbedürfnis; Gegenstandslosigkeit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1952.001.2021Zuletzt aktualisiert am
21.04.2022