Entscheidungsdatum
10.02.2022Norm
AWG 2002 §62 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Warum als Einzelrichter über die Beschwerde des A, in ***, ***, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 16.12.2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und das Straferkenntnis gemäß § 50 VwGVG und § 27 Abs. 1 VStG wegen örtlicher Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha aufgehoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang und entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
1.1. Die Fa. C GmbH mit Unternehmenssitz in ***, ***, betreibt am Standort Gemeinde ***, Gst. Nr. *** und ***, KG ***, eine Abfallbehandlungsanlage in Form einer Sortier- und Recyclinganlage samt Zwischenlagerflächen und Nebenanlagen, zuletzt genehmigt mit Bescheid der Landeshauptfrau von NÖ vom 19.12.2019, ***.
Der Beschwerdeführer ist seit 20.11.2018 verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG sowie seit 19.11.2018 gemäß § 26 Abs. 3 AWG 2002 abfallrechtlicher Geschäftsführer der Fa. C GmbH.
1.2.1. Nach Durchführung einer Überprüfungsverhandlung am 22.10.2020 erließ die Landeshauptfrau von NÖ als Abfallrechtsbehörde gegenüber der Fa. C GmbH mit Bescheid vom 14.1.2021, ***, bei der oben genannten Abfallbehandlungsanlage den nachstehenden Auftrag zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002:
„1. Die auf der Dichtfläche –Süd auf insgesamt 4 Haufwerken zwischengelagerten Baustellenabfälle bzw. sortierte Baustellenabfälle mit einer Gesamtmenge von ca. 4.900 m3 sind nachweislich ordnungsgemäß bis spätestens 15. März 2021 aus der Anlage zu entfernen oder in genehmigte Container umzulagern. Die Entfernungsnachweise bzw. die Verständigung über die durchgeführte Umlagerung sind der Abfallrechtsbehörde bis spätestens 20. März 2021 unaufgefordert vorzulegen.
2. Die Lagerungen von Dippelbäumen, Holzstämmen bzw. Bau- und Abbruchholz im Ausmaß von ca. 60 m3 sind nachweislich ordnungsgemäß bis spätestens 15. März 2021 aus der Anlage zu entfernen oder in genehmigte Container umzulagern. Die Entfernungsnachweise bzw. die Verständigung über die durchgeführte Umlagerung sind der Abfallrechtsbehörde bis spätestens 20. März 2021 unaufgefordert vorzulegen.“
1.2.2. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
1.3. Mit Schriftsatz vom 14.4.2021 übermittelte die Landeshauptfrau von NÖ als Abfallrechtsbehörde an den Magistrat der Stadt St. Pölten eine Sachverhaltsdarstellung, wonach die Fa. C GmbH dem Entfernungsauftrag vom 14.1.2021 nicht nachgekommen sei und um verwaltungsstrafrechtliche Beurteilung des Sachverhalts ersucht werde.
1.4. Der Magistrat der Stadt St. Pölten trat mit Schreiben vom 15.9.2021 das Verwaltungsstrafverfahren „hinsichtlich Übertretung/en nach AWG 2002 gemäß § 27 VStG“ an die belangte Behörde ab.
1.5. Mit Straferkenntnis vom 16.12.2021, ***, legte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die nachstehende Verwaltungsübertretung zur Last:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit: von zumindest 15.03.2021 bis zumindest 14.04.2021 (Datum der Anzeige)
Ort: Gemeindegebiet von ***, Grdst.Nr. *** und ***, KG ***, Sortier- und Recyclinganlage
Tatbeschreibung:
Sie haben als verantwortlicher abfallrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma C GmbH mit dem Sitz in ***, *** zu verantworten, dass von zumindest 20.03.2021 bis zumindest 14.04.20210 (Datum der Anzeige) der Bescheid der Landeshauptfrau von NÖ vom 14.01.2021, *** gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002 nicht erfüllt wurde, obwohl, wenn der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 AWG 2002 genehmigungspflichtig ist, besteht, so hat die zuständige Behörde gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002 den Inhaber einer Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Dieser Herstellungsfrist sind Sie jedoch von zumindest 20.03.2021 bis zumindest 14.04.2021 nicht nachgekommen.
Zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes erging mit dem o.a. Bescheid vom 14.10.2021 gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002 folgender Auftrag:
1. Die auf der Dichtfläche -Süd auf insgesamt 4 Haufwerken zwischengelagerten Baustellenabfälle bzw. sortierte Baustellenabfälle mit einer Gesamtmenge von ca. 4.900 m3 sind nachweislich ordnungsgemäß bis spätestens 15. März 2021 aus der Anlage zu entfernen oder in genehmigte Container umzulagern. Die Entfernungsnachweise bzw. die Verständigung über die durchgeführte Umlagerung sind der Abfallrechtsbehörde bis spätestens 20. März 2021 unaufgefordert vorzulegen.
2. Die Lagerungen von Dippelbäumen, Holzstämmen bzw. Bau- und Abbruchholz im Ausmaß von ca. 60 m 3 sind nachweislich ordnungsgemäß bis spätestens 15. März 2021 aus der Anlage zu entfernen oder in genehmigte Container umzulagern. Die Entfernungsnachweise bzw. die Verständigung über die durchgeführte Umlagerung sind der Abfallrechtsbehörde bis spätestens 20. März 2021 unaufgefordert vorzulegen.
Diesem Auftrag ist die C GmbH nicht nachgekommen. Seitens der C GmbH wurden bis zumindest 14.04.2021 der Abfallrechtsbehörde weder entsprechende Entsorgungsnachweise noch eine Verständigung über die Umlagerung in genehmigte Container vorgelegt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 62 Abs.2 iVm § 79 Abs.1 Z.17 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG)“
Die belangte Behörde verhängte unter Anwendung von § 79 Abs. 1 AWG 2002 über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von € 4.200,- (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden) und verpflichtete ihn zum Tragen der Verfahrenskosten in Höhe von € 85,-.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Straferkenntnis auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, welches auf Grund einer Anzeige der Landeshauptfrau von NÖ vom 14.4.2021 durchgeführt worden sei, gründe. Nach erneuter Wiedergabe des Spruches des Straferkenntnis führte die belangte Behörde aus, dass die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung als erwiesen angenommen werden könne, da er einer Aufforderung zur Rechtfertigung unentschuldigt keine Folge geleistet habe. Das Verwaltungsstrafverfahren sei gemäß § 42 VStG ohne weitere Anhörung durchzuführen gewesen.
im Hinblick auf das Verschulden sei auf § 5 Abs. 1 VStG zu verweisen, ein Entlastungsbeweis sei nicht gelungen. Zur Strafbemessung sei von einem monatlichen Nettoeinkommen von € 3.000,- auszugehen gewesen. Besondere Milderungs- oder Erschwerungsgründe wären nicht vorgelegen.
1.6. Gegen das Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer, nunmehr anwaltlich vertreten, rechtzeitig Beschwerde.
Darin wird zusammengefasst zunächst die örtliche Unzuständigkeit der belangten Behörde releviert. Der Magistrat der Stadt St. Pölten habe das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 27 VStG abgetreten. Eine Abtretung nach dieser Bestimmung begründe aber keine Zuständigkeit der Wohnsitzbehörde. Sachlich zuständige Behörde gemäß § 27 VStG sei im vorliegenden Fall der Magistrat der Stadt St. Pölten als Tatortbehörde, weil Verstöße gegen Melde-, Anzeige, Auskunfts- oder Ablieferungspflichten am Sitz jener Behörde begangen würden, bei der die Meldung oder Anzeige zu erstatten gewesen sei. Der Magistrat hätte daher das Verfahren nur an die belangte Behörde als Wohnsitzbehörde des Beschwerdeführers abtreten dürfen, nicht aber nach § 27 VStG. Es sei daher von Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit auszugehen.
Weiters wird zusammengefasst vorgebracht, dass aus dem Spruch des Straferkenntnisses nicht ersichtlich sei, welcher Tatzeitraum konkret als erwiesen angenommen werde. Damit würde das Straferkenntnis den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG nicht gerecht.
Weiters leide das Straferkenntnis unter einem Begründungsmangel, weil es sich neben einigen Stehsätzen in einer „copy/paste-Wiederholung“ des Spruchs und in der Aussage, der Beschwerdeführer habe der Aufforderung zur Rechtfertigung unentschuldigt keine Folge geleistet, erschöpfe.
Schließlich wird vorgebracht, dass Dippelbäume kein Abfall im Sinne des AWG 2002 seien. Es handle sich dabei um Baustoffe. In der Verhandlungsschrift vom 22.10.2020 würde jegliche sachverständige Erörterung fehlen, aus der sich die Abfalleigenschaft der Dippelbäume ergebe. Insoweit dem Beschwerdeführer die nicht zeitgerechte Entfernung der Dippelbäume vorgeworfen werde, sei dieser Vorwurf mangels Abfalleigenschaft haltlos.
2. Beweiswürdigung:
Das erkennende Gericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde, ***, darin inliegend insbesondere die Sachverhaltsdarstellung samt Entfernungsauftrag der Abfallrechtsbehörde, das Schreiben über die Abtretung des Verwaltungsstrafverfahrens vom 15.9.2021 des Magistrats der Stadt St. Pölten, das Straferkenntnis der belangten Behörde sowie die Beschwerde. Der Inhalt des Verwaltungsstrafakts erwies sich als unbedenklich und konnte, soweit es die gegenständliche Entscheidung betrifft, dieser ohne Weiteres zugrunde gelegt werden.
3. Rechtslage:
3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) lauten auszugsweise:
(1) Sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, sind nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar.
(2) Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.
[…]
(1) Örtlich zuständig ist die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
(2) Ist danach die Zuständigkeit mehrerer Behörden begründet oder ist es ungewiß, in welchem Sprengel die Übertretung begangen worden ist, so ist die Behörde zuständig, die zuerst eine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen hat.
[…]
Wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird, kann die zuständige Behörde das Strafverfahren oder den Strafvollzug an die sachlich zuständige Behörde übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Hauptwohnsitz oder Aufenthalt hat. Das Strafverfahren darf nur an eine Behörde im selben Bundesland, der Strafvollzug nur an eine Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion, insoweit diese zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, übertragen werden.
(1) Liegen einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last, so sind die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind.
[…]“
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) lauten auszugsweise:
(1) […]
(2) Besteht der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage, die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig ist, so hat die Behörde – unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens – den Inhaber einer Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Kommt der Inhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.
[…]
(1) Wer
1.
- 17. […]
17.
den Anordnungen oder Aufträgen gemäß § 62 Abs. 2, 2a, 2b, 3, 6, 7, 8, 9 oder 10 nicht nachkommt,
18.
- 21. […]
begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 € bis 41 200 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 € bedroht.
[…]“
4. Erwägungen:
4.1. Eingangs ist auszuführen, dass der auf § 62 Abs. 2 AWG 2002 gestützte Bescheid der Abfallrechtsbehörde vom 14.1.2021 rechtskräftig wurde. Eine inhaltliche Prüfung oder gar Abänderung dieses Entfernungsauftrages kann in einem nachfolgenden Strafverfahren nicht mehr erfolgen (vgl. VwGH 27.4.2017, Ra 2017/07/0033, zu einer insofern vergleichbaren Situation betreffend eines wasserrechtlichen Alternativauftrages nach § 138 Abs. 2 WRG 1959). Auf die Frage, ob der Bescheid vom 14.1.2021 und die darin vorgeschriebenen Aufträge zu Recht ergangen sind, kommt es im gegenständlichen (und dem Bescheid nachfolgenden) Strafverfahren also nicht an.
4.2. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer einen Verstoß gegen die bescheidmäßig vorgeschriebenen Aufträge vom 14.1.2021 iSd § 62 Abs. 2 iVm § 79 Abs. 1 Z 17 AWG 2002 vorgeworfen. Wesentliche Frage dabei ist, ob die belangte Behörde zur Erlassung des gegenständlichen Straferkenntnisses örtlich zuständig im Sinne des § 27 Abs. 1 VStG ist.
4.2.1. Zur Auslegung des Begriffes des Ortes der Begehung im Sinne des § 27 Abs. 1 VStG muss § 2 Abs. 2 VStG herangezogen werden. Eine Verwaltungsübertretung ist regelmäßig als dort begangen anzusehen, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen (vgl. VwGH 20.10.2009, 2008/05/0078), wobei es nach § 27 Abs. 1 VStG gleichgültig ist, wo der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist (vgl. schon VwGH 26.3.1987, 87/08/0031). Bei Delikten von juristischen Personen kommt es dabei vielfach auf den Sitz der Unternehmensleitung an, wobei jedoch stets auf das betreffende Tatbild Bedacht zu nehmen ist (etwa VwGH 27.6.2017, Ra 2017/05/0092, mwN). Wird ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, wird zwar als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzusehen sein, es ist jedoch hiebei stets auf das betreffende Tatbild Bedacht zu nehmen (VwGH 15.9.2005, 2003/07/0022, mwN).
Bei der Nichterfüllung von Auflagen, Anordnungen und gesetzlichen Geboten im Zusammenhang mit Unterlassungsdelikten ist vor allem dann nicht vom Unternehmenssitz als Tatort auszugehen, wenn die gebotene Handlungspflicht nur an einem bestimmten Ort erfüllt werden kann, wenn also nur an diesem bestimmten Ort gehandelt hätte werden können, um die Unterlassung zu vermeiden. Im Vordergrund steht die Ortsbezogenheit, weil nur dort tatsächlich der Rechtsbruch vermieden werden kann (VwGH 3.10.2019, Ra 2019/02/0125, mwN).
Bei Verstößen gegen Auskunfts-, Anzeige- oder Meldepflichten ist Tatort der Sitz jener Behörde, an die die Auskunft, Anzeige oder Meldung zu erstatten ist (vgl. VwGH 18.12.2012, 2011/07/0171, betreffend die Erfüllung der Meldeverpflichtung nach § 79 Abs. 2 Z 14 AWG 2002).
4.2.2. Den Aufträgen des Bescheides vom 14.1.2021 kann nun zweierlei entnommen werden:
4.2.2.1. Zum einen verpflichtete die Abfallrechtsbehörde die Fa. C GmbH, die auf der Dichtfläche Süd auf insgesamt vier Haufwerken zwischengelagerten Baustellenabfälle bzw. sortierten Baustellenabfälle mit einer Gesamtmenge von ca. 4.900 m3, als auch die Lagerungen von Dippelbäumen, Holzstämmen bzw. Bau- und Abbruchholz im Ausmaß von ca. 60 m3 „nachweislich ordnungsgemäß bis spätestens 15. März 2021 aus der Anlage zu entfernen oder in genehmigte Container umzulagern“.
Wird dem vorgeschriebenen Auftrag nicht nachgekommen, handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts um ein Unterlassungsdelikt: Die Fa. C GmbH wäre verpflichtet gewesen, die im Auftrag genannten beweglichen Sachen zu entfernen bzw. umzulagern, sie hätte also handeln sollen. Diese gebotene Handlungspflicht kann außerdem nicht am Unternehmenssitz in ***, sondern lediglich am Ort der Abfallbehandlungsanlage am Standort ***, wo die Gegenstände lagerten, erfüllt werden, können diese denn logischerweise nur von dort aus weggebracht werden. Im Sinne der Rechtsprechung ist als Tatort dahingehend also der Standort der Abfallbehandlungsanlage – der sich im Bezirk *** und nicht im Bezirk *** befindet – anzunehmen.
4.2.2.2. Zum zweiten wurde die Verpflichtung aufgetragen, dass die „Entfernungsnachweise bzw. die Verständigung über die durchgeführte Umlagerung […] der Abfallrechtsbehörde bis spätestens 20. März 2021 unaufgefordert vorzulegen“ sind.
Dabei handelt es sich wiederum, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, um einen Verstoß gegen Auskunfts-, Anzeige- oder Meldepflichten. Nach der oben angeführten Rechtsprechung ist in dieser Hinsicht Tatort der Sitz jener Behörde, an die die Auskunft, Anzeige oder Meldung zu erstatten ist, gegenständlich also der Magistrat der Stadt St. Pölten, zumal die Meldungen bei der Abfallrechtsbehörde, die ihren Sitz in St. Pölten hat, einzubringen gewesen wären. Davon ist auch die Abfallrechtsbehörde ausgegangen, als sie die Sachverhaltsdarstellung an den Magistrat der Stadt St. Pölten übermittelte.
4.2.3. Der Magistrat der Stadt St. Pölten hat mit Schreiben vom 15.9.2021 das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 27 VStG an die belangte Behörde abgetreten. Die Bestimmungen des § 27 Abs. 1, 2 und 2a VStG enthalten allerdings zwingende Zuständigkeitsregelungen (vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 27 Rz 1). Eine Abtretung des Verwaltungsstrafverfahrens auf Grundlage des § 27 VStG an eine eigentlich örtlich unzuständige Verwaltungsstrafbehörde ist deshalb nicht möglich.
Denkbar wäre eine Abtretung allenfalls im Wege des § 29a VStG, dies ist im Ergebnis jedoch explizit nicht erfolgt, weshalb auch nicht näher zu prüfen war, ob die Abtretung des Verwaltungsstrafverfahrens ihrem objektiven Wortlaut nach als eine solche zu verstehen gewesen wäre.
4.3. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die belangte Behörde gegenständlich zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses örtlich unzuständig war. Entscheidet nun eine unzuständige Behörde, so hat das Verwaltungsgericht das Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben (VwGH 28.1.2016, Ra 2015/07/0140).
Angemerkt wird an dieser Stelle, dass die wegen Unzuständigkeit der Behörde ausgesprochene ersatzlose Aufhebung eines Straferkenntnisses nicht die Wirkung der Einstellung des Strafverfahrens hat (vgl. VwGH 16.12.1998, 97/04/0090). Für ein allfälliges fortgesetztes Verfahren sei außerdem auf die Bestimmung des § 30 Abs. 1 VStG hingewiesen.
4.4. Da das Straferkenntnis bereits aus diesem Grund aufzuheben war, brauchte auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen werden.
5. Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte trotz Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung davon abgesehen werden, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.
6. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Verwaltungsstrafe; Unzuständigkeit; Tatort;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.293.001.2022Zuletzt aktualisiert am
21.04.2022