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32/02 Steuern vom Einkommen und ErtragNorm
B-VG Art144 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im AnlassfallSpruch
I. Die beschwerdeführende Partei ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1. Die beschwerdeführende Partei hat in den Jahren 2015 bis 2017 im Rahmen von mit dem Betriebsrat abgeschlossenen Sozialplanvereinbarungen an die von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter Einmalzahlungen anlässlich der Auflösung des jeweiligen Dienstverhältnisses ausbezahlt. Diese Zahlungen wurden von der beschwerdeführenden Partei als Betriebsausgabe erfasst.
2. Nach Durchführung einer Außenprüfung wurde der beschwerdeführenden Partei der Betriebsausgabenabzug für die Sozialplanzahlungen gemäß §12 Abs1 Z8 KStG 1988 iVm §20 Abs1 Z8 EStG 1988 versagt, weil die Sozialplanzahlungen gemäß §67 Abs6 EStG 1988 nicht dem Steuersatz von 6% unterliegen würden. Die Abgabenbehörde nahm in den betroffenen Jahren Gewinnerhöhungen vor. Unter Anwendung des §20 Abs1 Z8 EStG 1988 wurde die gegen die Bescheide erhobene Beschwerde vom Bundesfinanzgericht als unbegründet abgewiesen.
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
4. Das Bundesfinanzgericht und die Abgabenbehörde haben die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
5. Der Bundesminister für Finanzen hat eine Äußerung erstattet.
6. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §20 Abs1 Z8 EStG 1988, BGBl 400/1988, idF BGBl I 13/2014 ein. Mit Erkenntnis vom 16. März 2022, G228/2021, hob der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig auf.
7. Die Beschwerde ist begründet.
8. Das Bundesfinanzgericht hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war. Die beschwerdeführende Partei wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
9. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
10. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
11. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
VfGH / Anlassfall, EinkommensteuerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E3068.2020Zuletzt aktualisiert am
21.04.2022