TE OGH 2022/2/2 6Ob122/21s

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Veröffentlicht am 02.02.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber sowie den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Firmenbuchsache der beim Landesgericht Linz zu FN * eingetragenen L* M* GmbH mit Sitz in P*, wegen Eintragung eines Gesellschafterwechsels, über den Revisionsrekurs der 1. R* GmbH, *, 2. F* GmbH, *, beide vertreten durch Huber und Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, 3. Z* GmbH, *, vertreten durch Dr. Breitwieser Rechtsanwalts-Kommanditpartnerschaft in Bad Schallerbach, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 26. April 2021, GZ 6 R 41/21y-10, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 15. Februar 2021, GZ 32 Fr 784/21x-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Firmenbuchsache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1]       Im Firmenbuch ist zu FN * die L* M* GmbH mit dem Sitz in P* (= Gesellschaft) eingetragen. Als Gesellschafter waren unter anderem eingetragen die R* GmbH mit einer übernommenen und zur Gänze geleisteten Stammeinlage von 142.500 EUR, die F* GmbH mit einer übernommenen und zur Gänze geleisteten Stammeinlage von 75.000 EUR, die Z* GmbH mit einer übernommenen und zur Gänze geleisteten Stammeinlage von 75.000 EUR (alle drei Rechtsmittelwerber), die M* GmbH mit einer übernommenen und zur Gänze geleisteten Stammeinlage von 75.000 EUR, M* S* mit einer übernommenen und zur Gänze geleisteten Stammeinlage von 120.000 EUR sowie die L* GmbH mit einer übernommenen und zur Gänze geleisteten Stammeinlage von 120.000 EUR.

[2]            Der alleinvertretungsbefugte Geschäftsführer der Gesellschaft meldete eine Änderung im Stand der Gesellschafter zur Eintragung in das Firmenbuch an, die aufgrund von Call-Optionen vom 28. 7. 2019 und Ausübungserklärungen vom 5. 2. 2021 vollzogen worden sei, sodass sämtliche Geschäftsanteile der R* GmbH, der F* GmbH, der Z* GmbH und der M* GmbH sowie ein Teil des Geschäftsanteils des M* S* im Nominale von 7.500 EUR an die L* GmbH übertragen worden seien. Die übernommene Stammeinlage der L* GmbH betrage nunmehr 495.000 EUR, jene des M* S* 112.500 EUR. Die Abtretungen seien jeweils mit postalischer Zustellung der Ausübungserklärungen an die abtretenden Gesellschafter am 8. 2. 2021 wirksam geworden. Zustimmungserklärungen der ausscheidenden Gesellschafter könnten wegen Unstimmigkeiten nicht vorgelegt werden.

[3]            Das Erstgericht bewilligte die begehrte Eintragung.

[4]            Das von den gelöschten Gesellschaftern R* GmbH, F* GmbH und Z* GmbH angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Selbst bei Zutreffen der Behauptungen der in erster Instanz nicht gehörten Rechtsmittelwerber sei die angefochtene Eintragung nicht fehlerhaft. Nach § 68 Abs 1 lit f NO führe nicht das Unterbleiben der „Vorlesung“ (iSd § 52 NO) zur Unwirksamkeit des Notariatsakts, sondern nur ein unterbliebener Hinweis auf diese am Schluss des Notariatsakts; letzterer sei aber erfolgt. Auch die Rekursausführungen, die Call-Optionen seien deshalb unwirksam, weil bei der Errichtung der Notariatsakte die Parteien nicht bis zur Unterfertigung gleichzeitig anwesend gewesen seien, gingen mangels Unwirksamkeitssanktion ins Leere. Soweit sich die Rechtsmittelwerber auf die Unwirksamkeit der Ausübungserklärungen stützten, weil diese unter Missachtung der dafür einvernehmlich vorgesehenen Voraussetzungen (Verletzung der Sponsoringverpflichtung, Abtretungsnotwendigkeit infolge FIFA/UEFA Regularien, unerwünschte erbrechtliche Rechtsnachfolge) erfolgt seien, sei darauf Bedacht zu nehmen, dass ein vom objektiven Wortlaut der schriftlichen Optionsverträge abweichender natürlicher Konsens der Vertragsparteien nicht von der Notariatsaktsform gedeckt sei, zumal die behaupteten Bedingungen für die Ausübung der Option in den Verträgen nicht einmal angedeutet seien; da es sich nicht um bloße Nebenabreden, sondern um wesentliche Vertragsbestandteile handle, seien aber auch sie formpflichtig. Die zudem behauptete Ausübung der Call-Option, um „unliebsame“ Gesellschafter „loszuwerden“, sei im vorliegenden Fall nicht als rechtsmissbräuchliche Rechtsausübung zu werten, weil es sich beim Bestreben, den behaupteten Konflikt um einen Stadionneubau zu lösen, um ein grundsätzlich legitimes Interesse handle. Schließlich sei die Ausübungserklärung auch nicht deshalb unwirksam, weil das Optionsrecht zwei Berechtigten (der L* GmbH und dem L*Club) gegenüber eingeräumt, aber nur von einem ausgeübt worden sei, ohne dass zuvor eine § 906 ABGB entsprechende Willenserklärung abgegeben worden sei. Im vorliegenden Fall ergebe sich kein Wahlrecht der Optionsverpflichteten; die Rechtslage sei vielmehr mit § 892 ABGB zu vergleichen, wonach jeder Gläubiger ohne Zustimmung der Übrigen die gesamte Leistung verlangen könne und das Innenverhältnis der Mitgläubiger deren Sache bleibe.

[5]            Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil eine Konkretisierung zum Umfang der materiellen Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts im vereinfachten Anmeldungsverfahren wie auch zur Frage der Nichtigkeit des Notariatsakts bei mangelnder „Vorlesung“ „wünschenswert“ wäre. Außerdem fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein vom objektiven Vertragstext abweichender „natürlicher Konsens“ in Bezug auf Bedingungen der an sich notariatsaktspflichtigen (Call-)Option insbesondere im vereinfachten Anmeldungsverfahren Bedeutung zukommen könne.

Rechtliche Beurteilung

[6]       Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Folgen der Verletzung von Formvorschriften eines Notariatsakts abgewichen ist; er ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

[7]            1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem GmbH-Gesellschafter Rechtsmittellegitimation zu, wenn die Entscheidung nach dem konkreten Verfahrensstand seine firmenbuchrechtliche Rechtssphäre berührt, etwa weil es um seine Eintragung oder Nichteintragung oder seine Löschung als Gesellschafter geht (6 Ob 154/18t [ErwGr 3.3.]).

[8]            War der Gesellschafter – wie hier die Rechtsmittelwerber – am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt, kommt ihm im Rekursverfahren Neuerungserlaubnis zu (vgl Pilgerstorfer in Jabornegg/Artmann, UGB³ § 15 FBG Rz 171, § 18 FBG Rz 30; Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 18 Rz 53). Das Rekursgericht hat in einem solchen Fall nach Möglichkeit in der Sache selbst zu entscheiden. Wenn sich schon aufgrund der Angaben des Rekurswerbers ergibt, dass der angefochtene Beschluss zur Gänze zu bestätigen ist, so hat das Rekursgericht mit Bestätigung vorzugehen (§ 58 Abs 1 AußStrG). Auch wenn dies nicht der Fall ist, hat das Rekursgericht nach § 58 Abs 3 AußStrG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der angefochtene Beschluss ohne weitere Erhebungen abgeändert werden kann. Andernfalls ist er aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückzuverweisen (6 Ob 154/18t [ErwGr 2.1.]).

[9]       2. Zutreffend hat das Rekursgericht ausgeführt, dass das Firmenbuchgericht die Anmeldung in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen hat und auch in Fällen der vereinfachten Anmeldung die materielle Prüfpflicht gilt (6 Ob 3/20i; vgl auch 6 Ob 154/18t; 6 Ob 196/20x). Diese umfasst auch die Formgültigkeit und Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Geschäftsanteilsübertragungen einer GmbH (vgl 6 Ob 59/20z; 6 Ob 3/20i; 6 Ob 154/18t).

[10]           3. Eine unterbliebene Verlesung des Notariatsakts bewirkt den Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde:

[11]           3.1 Nach § 68 Abs 1 lit e und f NO muss ein Notariatsakt „bei Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde“ insbesondere enthalten

„(e) den Inhalt des Geschäfts [...],

(f) am Schlusse die Anführung, dass der Akt den Parteien vorgelesen worden [sei ...].“

[12]           3.2 Wird – wie hier – eine Privaturkunde, die den Inhalt des Geschäfts enthält, iSd § 54 NO notariell bekräftigt, so ersetzt dies zwar die Errichtung eines Notariatsakts über den Inhalt der Urkunde (RS0070805). Der Oberste Gerichtshof hat jedoch in der ausführlich begründeten Entscheidung 2 Ob 13/18b bereits ausgesprochen, dass darin aber nur scheinbar eine Ausnahme von § 68 Abs 1 lit e und f NO liegt, weil die Urkunde durch die Mantelung ergänzender Bestandteil des Notariatsakts wird (§ 54 Abs 3 NO) und daher als solcher ebenfalls zu verlesen ist. Werden diese Förmlichkeiten nicht eingehalten, liegt kein formgültiger Notariatsakt vor (§ 68 Abs 1 lit e und f, § 66 iVm § 54 NO). Wurde die Privaturkunde, der der Inhalt des Geschäfts zu entnehmen ist, den Parteien nicht vorgelesen, ist der Notariatsakt ungültig (2 Ob 13/18b; vgl auch N. Aburumieh/S. Hoppel, GesRZ 2020, 423 [425 f Pkt 5] zu 6 Ob 59/20z).

[13]           In der Entscheidung 6 Ob 20/20i wurde diese Ansicht geteilt. Wie aus dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hervorgeht, war in dem dort zu beurteilenden Notariatsakt angeführt, dass dieser den Parteien vorgelesen worden sei (§ 68 Abs 1 lit f NO). Das dortige Berufungsgericht hatte den Einwand, der Notariatsakt sei tatsächlich nicht allen Beteiligten vorgelesen worden, als unerheblich erachtet, weil die mangelnde Verlesung nicht zum Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde führe. Vor diesem Hintergrund kann – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – kein Zweifel daran bestehen, dass sich die diesbezüglichen Ausführungen des Senats auf die Frage bezogen haben, ob ein den Vertragsparteien im Zuge der Errichtung entgegen dem erfolgten Hinweis nicht vorgelesener Notariatsakt von der Sanktion des § 68 Abs 1 lit f NO erfasst ist.

[14]           3.3 Die Erwägungen P. Bydlinskis (in Notariatsakt und Notariatshaftung, NZ 1991, 235; idS wohl auch Wagner/Knechtel, NO6 § 52 Rz 1), die sich auf den Wortlaut des § 68 Abs 1 lit f NO in seiner systematischen Einbettung und auf den teleologischen Aspekt stützen, bei einer nach außen hin gewahrten Form müsse das Rechtsgeschäft im Interesse der allgemeinen Rechtssicherheit als voll wirksam qualifiziert werden, überzeugen nicht. Sie berücksichtigen nicht ausreichend, dass auch der Solennitätsverlust nach § 66 NO an das Versäumnis verschiedener Vorkehrungen (§§ 54–65 NO) anlässlich der Errichtung des Notariatsakts anknüpft, die der Kenntnisnahme des Vertragsinhalts durch die Parteien dienen und die außenstehenden Dritten nicht als (Form-)Gebrechen beim Zustandekommen des Notariatsakts offenbar werden.

[15]           3.4 Es liegen daher keine beachtlichen Argumente dafür vor, in Ansehung des in § 68 Abs 1 lit f NO geregelten Solennitätsverlusts zwischen der „Anführung“ als bloßem Formalerfordernis und der eigentlichen Verlesung zu differenzieren (idS bereits 6 Ob 20/20i; 2 Ob 13/18b); vielmehr wird durch diese Bestimmung der tatsächlich erfolgten Verlesung besonderes Gewicht eingeräumt. Dagegen spricht auch nicht, dass andere in § 68 Abs 1 NO nicht genannte Verstöße gegen § 52 NO, wie etwa eine Verletzung der Belehrungspflicht (9 Ob 82/04f) oder der Pflicht zur gleichzeitigen Anwesenheit der Parteien (dazu Pkt 4.), die Wirksamkeit des Notariatsakts grundsätzlich unberührt lassen.

[16]           3.5 Den Rechtsmittelwerbern steht die Behauptung und die Beweisführung (§ 35 iVm § 292 Abs 2 ZPO) offen, dass entgegen der Beurkundung in der öffentlichen Urkunde (§ 35 AußStrG iVm § 292 Abs 1 ZPO) der Notariatsakt tatsächlich nicht verlesen worden sei (vgl 6 Ob 49/11s [ErwGr 2.3]: Sprachkundigkeit).

[17]           4. Eine fehlende gleichzeitige Anwesenheit der Vertragsparteien bei Errichtung des Notariatsakts bewirkt nicht den Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde:

[18]     4.1 Nach gefestigter Rechtsprechung ergibt sich zwar aus § 52 NO, dass die als erschienen angeführten Vertragsparteien bei Errichtung und Unterfertigung eines Notariatsakts grundsätzlich gleichzeitig anwesend sein müssen (VwGH 92/16/0102 ecolex 1994, 428; Wagner/Knechtel, Notariatsordnung6 [2006] § 52 NO Rz 19). Eine abweichende Vorgangsweise bewirkt jedoch nicht den Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde und damit der Wirksamkeit des Geschäfts (4 Ob 197/08m; VwGH 92/16/0102; vgl 6 Ob 206/20t; 6 Ob 167/17b). Allerdings ist auch in einem solchen Fall (auch) der nachträglich unterfertigenden Partei der Notariatsakt vorzulesen (Wagner/Knechtel, NO6 § 68 Anm zu E 6).

[19]     4.2 Damit erweist sich die Behauptung der Rechtsmittelwerber, es seien nicht alle Vertragsparteien beim Solennisierungsvorgang gleichzeitig anwesend gewesen, hier als nicht rechtserheblich.

[20]           5. Die von den Rechtsmittelwerbern behauptete Vereinbarung über Voraussetzungen für eine Ausübung der Option wäre von der Notariatsaktspflicht erfasst:

[21]           5.1 Nach § 76 Abs 2 GmbHG bedarf es zur Übertragung von Geschäftsanteilen mittels Rechtsgeschäfts unter Lebenden eines Notariatsakts. Der gleichen Form bedürfen Vereinbarungen über die Verpflichtung eines Gesellschafters zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils. Die Verletzung der Formvorschrift hat Ungültigkeit des Geschäfts zur Folge (6 Ob 186/20a; vgl RS0059756; RS0060256 [T11]).

[22]           Während reine Nebenabreden nicht formpflichtig sind – wobei darauf abzustellen ist, ob eine Nebenabrede dem Formzweck zuwiderläuft (6 Ob 186/20a) –, können wesentliche Vertragsbestandteile, etwa solche, die die unmittelbare Wirksamkeit des Abtretungsvertrags betreffen, nicht als Nebenabreden vereinbart werden; solche unterliegen vielmehr der Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG schon wegen deren Klarstellungsfunktion (9 Ob 165/02h [Zeitpunkt des Bedingungseintritts]; vgl 6 Ob 3/20i).

[23]           5.2 Zutreffend hat das Rekursgericht die von den Rechtsmittelwerbern behauptete Vereinbarung über die Voraussetzungen der Optionsausübung als wesentlichen Bestandteil der Optionsvereinbarung selbst und nicht als bloße Nebenabrede qualifiziert, woraus folgt, dass auch dieser Teil der Vereinbarung von der Notariatsaktspflicht erfasst ist. Mangels jeglicher Andeutung im Notariatsakt (vgl RS0118519), läge aber nach den Behauptungen der Rechtsmittelwerber insoweit keine formgültige und daher rechtswirksame Erklärung der Vertragsteile vor.

[24]     5.3 Dies führte allerdings – entgegen der Auffassung des Rekursgerichts – nicht dazu, dass die Optionsvereinbarung ohne die behaupteten Bedingungen zustande gekommen wäre: Als Vertragsinhalt gilt vielmehr, was die Parteien gewollt haben (RS0017280). Während der Parteiwille auch bei einem Rechtsgeschäft, das einer bestimmten Form bedarf, mit Hilfe der allgemeinen Auslegungsregeln zu ergründen ist, ist nach der „Andeutungstheorie“, deren Reichweite durch den Formzweck begrenzt wird, (nur) die weitere Frage zu lösen, ob – und bejahendenfalls inwieweit – der Parteiwille auch formgültig und daher rechtswirksam erklärt wurde (1 Ob 213/03k; 5 Ob 73/20a).

[25]           Mangels eines die wesentlichen Vertragsbestandteile enthaltenden Notariatsakts (siehe Pkt 5.1) wäre in diesem Fall somit die gesamte Optionsvereinbarung wegen Verletzung der Formvorschrift des § 76 Abs 2 GmbHG ungültig. Die Beurteilung einer Restgültigkeit des formgerechten Teils der Optionsvereinbarung unter dem Aspekt des § 878 ABGB wäre in diesem Fall nicht erforderlich (vgl 7 Ob 208/00i).

[26]           6. Einer gemeinsamen Ausübung der Option durch die Berechtigten bedurfte es nicht:

[27]     6.1 Zu Unrecht beanstanden die Rechtsmittelwerber die Auffassung des Rekursgerichts, wonach ausgehend von der behaupteten Vertragslage im vorliegenden Fall – ähnlich wie nach §§ 892, 895 ABGB – jedem der beiden Optionsberechtigten die Ausübung der Option ohne Zustimmung des anderen zustehe und das Innenverhältnis deren Sache bleibe:

[28]           Ihr Verweis auf höchstgerichtliche Judikatur zum gleichzeitig (ohne nähere Bestimmung der konkreten Ausübungsberechtigung) mehreren Personen eingeräumten Vorkaufsrecht, als Unterfall der Option, das im Zweifel von allen Berechtigten gemeinsam auszuüben sei (siehe RS0020257; 2 Ob 89/13x), lässt sich mit ihren eigenen Rechtsmittelbehauptungen im Rekursverfahren nicht in Einklang bringen. Danach obliege es nach den Optionsverträgen alleine den beiden Optionsberechtigten (der L* GmbH und dem L*Club) zu bestimmen, welcher der beiden Optionsberechtigten in welchem Umfang von der Kaufoption tatsächlich Gebrauch mache, was auch dem Wortlaut der dazu vorgelegten Notariatsakte (jeweils Punkt 2.1 der Beilagen ./P, ./Q und ./R) entspricht. Zudem hat nach diesen Urkunden die Ausübung der Call-Option durch Abgabe einer schriftlichen Ausübungserklärung in Notariatsaktsform der tatsächlich ausübenden Optionsberechtigten gegenüber der Optionsverpflichteten zu erfolgen. Mit deren erfolgter Übermittlung (durch eingeschriebenen Brief) soll der optionsgegenständliche Geschäftsanteil auf den tatsächlich ausübenden Optionsberechtigten übergehen. Eine Abgabe weiterer Erklärungen, insbesondere eines die Option nicht ausübenden Optionsberechtigten, ist nicht vorgesehen.

[29]           Ausgehend von diesen ausdrücklichen Regelungen betreffend die Ausübung der Option kann von einem Zweifelsfall (vgl 2 Ob 89/13x [ErwGr 4.2.3.2]) im Sinn der dargestellten Judikatur zum Vorkaufsrecht nicht gesprochen werden.

[30]     6.2 Mit der zutreffenden Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass aus § 906 ABGB mangels Wahlrechts der Optionsverpflichteten für die Rechtsmittelwerber nichts zu gewinnen ist, setzen sich diese inhaltlich ohnehin nicht auseinander.

7. Ergebnis:

[31]           Damit ist dem Revisionsrekurs im Sinne des Aufhebungsantrags Folge zu geben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, das im fortgesetzten Verfahren im Sinne der vorstehenden Ausführungen Feststellungen dazu zu treffen haben wird, ob der Notariatsakt über die Optionsvereinbarung tatsächlich verlesen wurde (Pkt 3.5) und/oder ob die Parteien der Optionsvereinbarung die von den Rechtsmittelwerbern behaupteten Voraussetzungen für die Ausübung der Option vereinbarten, sodass der diesbezügliche Notariatsakt alle wesentlichen Vertragsbestandteile enthält (Pkt 5.3). Erst danach kann beurteilt werden, ob die Anteilsabtretung wirksam erfolgte und die begehrte Eintragung bewilligt werden kann.

[32]     8. Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 AußStrG.

Textnummer

E134482

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00122.21S.0202.000

Im RIS seit

22.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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