Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden und die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Schwarzenbacher, MMag. Matzka, Dr. Faber sowie Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* P*, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T* Ltd, *, vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 15.393,92 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 22. Oktober 2021, GZ 11 R 152/21k-24, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 26. Juli 2021, GZ 54 Cg 2/21t-18, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Beklagte bot auf ihrer Website die Teilnahme an verschiedenen Glücksspielen an, darunter Online-Poker, ohne über eine Konzession nach dem österreichischen GSpG zu verfügen. Der Kläger nützte dieses Angebot als Verbraucher und verlor vom 8. 5. 2009 bis 2. 2. 2020 insgesamt 15.393,92 EUR.
[2] Der Kläger begehrt die Rückzahlung seines Spieleinsatzes aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung und des Schadenersatzes, weil es sich um verbotenes Glücksspiel gehandelt habe.
[3] Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, das österreichische Glücksspielmonopol sei unionsrechtswidrig. Im Übrigen wendete sie Gegenforderungen ein.
[4] Die Vorinstanzen erkannten den Klagsanspruch als zu Recht und die Gegenforderungen als nicht zu Recht bestehend und verurteilten die Beklagte zur Zahlung des Klagsbetrags. Wenn auch das inländische Sitzerfordernis für eine Konzessionserteilung gemäß der bis 30. 12. 2010 geltenden Fassung des GSpG unionsrechtswidrig sei, so betreffe dies nicht die sonstigen Kriterien für eine Konzessionserteilung. Die Beklagte habe auch nicht behauptet, dass sie diese erfülle. Das Glücksspiel der Beklagten sei daher sittenwidrig und der Kläger berechtigt, die ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten zurückzufordern.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die dagegen von der Beklagten erhobene ordentliche Revision ist aus Mangel an erheblichen Rechtsfragen, die der Oberste Gerichtshof mittlerweile in einer Entscheidung über einen nahezu identen Sachverhalt gelöst hat, nicht zulässig.
[6] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RS0112921 [T5]).
[7] 2. Der Oberste Gerichtshof hat mit der Entscheidung 6 Ob 229/21a vom 2. 2. 2022 klargestellt, dass zwar das in § 21 Abs 1 Z 1 GSpG (bzw § 14 Abs 1 Z 1 GSpG) idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 normierte Sitzerfordernis, nicht aber das Konzessions- bzw Monopolsystem an sich unionsrechtswidrig (gewesen) sei. Dass die Beklagte jemals um eine Konzession angesucht habe, geschweige denn die übrigen in § 14 Abs 2, § 21 Abs 2 GSpG normierten Voraussetzungen erfüllt hätte, werde nicht einmal behauptet. Aus diesem Grund bestehe auch für die Einholung des angeregten Vorabentscheidungsersuchens kein Raum. Die Beklagte erfülle auch die bereicherungsrechtliche Passivlegitimation, zumal ihre Rolle über jene einer bloßen „Abwicklungstreuhänderin“ hinaus gehe. Es könne kein Zweifel bestehen, dass der zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag, mit dem dem Kläger die Teilnahme an Online-Pokerspielen auf der Website der Beklagten ermöglicht worden sei, nach § 879 ABGB nichtig sei. Die Rückforderbarkeit werde nicht durch die Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld ausgeschlossen. Auch ein späterer Wegfall eines einmal eingetretenen Nutzens (durch Auszahlung von Gewinnen an Andere) befreie den Bereicherungsschuldner nicht.
[8] 3. Das hier angefochtene Berufungsurteil steht mit der eben zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Einklang. Die Revisionen in beiden Verfahren sind praktisch wortident. Die ursprünglich gegebene Erheblichkeit der von der Beklagten in ihrer Revision angezogenen Rechtsfragen ist daher durch deren ausführliche Klärung zu 6 Ob 229/21a weggefallen. Die Revision ist somit zurückzuweisen.
[9] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Textnummer
E134491European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00229.21M.0223.000Im RIS seit
21.04.2022Zuletzt aktualisiert am
21.04.2022