Entscheidungsdatum
20.01.2022Norm
GewO 1994 §13 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin HR Mag. Marihart über die Beschwerde des Herrn A, geboren am ***, vertreten durch Rechtsanwalt B, ***, ***, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten vom 19.07.2021, Zl. ***, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe“, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten (im Folgenden: belangte Behörde) vom 19.07.2021, Zl. ***, wurde Herrn A (im Folgenden: Beschwerdeführer) die Gewerbeberechtigung „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe“ entzogen.
Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 01.03.2019, Zl. ***, rechtskräftig am 25.03.2019, nach § 83 Abs. 1 StGB §§ 15, 144 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden sei. Die Gewerbeberechtigung sei von der Behörde gemäß § 87 GewO 1994 zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 zutreffen, nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten sei oder der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze.
Weiters wurde ausgeführt, dass die Behörde nicht verkenne, dass die gegenständliche Tat im familiären Umfeld begangen wurde, jedoch der Versuch sich unrechtmäßig zu bereichern, insbesondere auch bei der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes, abermals erfolgen könne und die erfolgte Körperverletzung auf eine nur bedingt vorhandene Selbstkontrolle schließen lasse. Das gesetzte Verhalten werde offenbar als geeignetes Mittel Forderungen durchzusetzen erachtet, wobei im Geschäftsbetrieb offene Forderungen gegenüber Geschäftspartnern, Kunden usw. keine Seltenheit seien und daher nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Beschwerdeführers die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat auch bei der Ausübung des Gewerbes zu befürchten sei.
Sowohl die Wirtschaftskammer Niederösterreich als auch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich hätten in ihren Stellungnahmen gegen den Entzug der Gewerbeberechtigung keine Einwände erhoben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass es richtig sei, dass er seit 25.03.2019 eine strafrechtliche Verurteilung aufweise, dies sei jedoch im vorliegenden Fall nicht schädlich. Die strafrechtliche Verurteilung fuße auf einer Familienstreitigkeit und stehe die Verurteilung in auffallenden Widerspruch zu seiner Persönlichkeitsstruktur. Es könne ausgeschlossen werden, dass er in seiner Funktion als gewerberechtlicher Geschäftsführer erneut in eine familienrechtliche Streitigkeit geraten oder ein sonstiges strafrechtlich relevantes Verhalten setzen würde. Darüber hinaus führe er seit der Verurteilung einen untadeligen Lebenswandel und verhalte sich wohl. Zudem sei die Eigenart der strafbaren Handlung, welche zur Verurteilung führte, nicht geeignet, eine günstige Prognose in Zweifel zu ziehen, da er in einer emotionalen Ausnahmesituation gehandelt hätte. Abschließend führte der Beschwerdeführer aus, dass er sein Gewerbe seit fast zehn Jahren anstandslos und ordentlich betreibe und offene Forderungen am Rechtsweg durchsetze. Seine Mutter zähle nicht zu seinem Kundenbereich, weshalb die Ansicht der Behörde, dass die Begehung einer gleichen oder ähnlichen strafbaren Handlung zu befürchten wäre, nicht haltbar sei.
Als Beschwerdegründe wurden inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Behörde habe sich kein persönliches Bild vom Beschwerdeführer gemacht und sei es daher verwunderlich, ihm eine nur bedingt vorhandene Selbstkontrolle zu unterstellen. Darüber hinaus sei dem Beschwerdeführer das Schreiben über die beabsichtigte Entziehung der Gewerbeberechtigung nie zugegangen, und liege somit eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör vor.
Mit Schreiben vom 01.09.2021 hat der Bürgermeister der Stadt St. Pölten den Verwaltungsakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt. Zugleich wurde mitgeteilt, dass von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung kein Gebrauch gemacht werde.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 12.01.2022 eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. Das gegenständliche Verfahren wurde auf Grund des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges mit dem Verfahren zu Zl. LVwG –AV- 1458/001-2021 (Entziehung der Gewerbeberechtigung für das Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker verbunden mit Kraftfahrzeugtechnik (verbundenes Handwerk) verbunden. Im Rahmen dieser Verhandlung hat das LVwG NÖ Beweis aufgenommen durch Verlesung des bezughabenden Strafaktes des Landesgerichtes St. Pölten zu Zl. *** und den übermittelten Verwaltungsakten des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten zu Zl. *** und Zl. *** sowie der bezughabenden Gerichtsaktes des LVwG NÖ. Weiters wurde in dieser Verhandlung der Beschwerdeführer sowie die Zeugen C, D, E, F, G, H und I einvernommen.
Zu Beginn der mündlichen Verhandlung wurde seitens des Vertreters des Beschwerdeführers eine Stellungnahme der Firma J, aus welcher sich die reibungslose Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer ergibt, vorgelegt. Diese wurde als Beilage ./1 zum Akt genommen.
Nach Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung steht für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer ist seit dem 04.11.2014 im Besitz einer aufrechten Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker verbunden mit Kraftfahrzeugtechnik (verbundenes Handwerk)“ sowie für das Gewerbe „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe“ am Standort ***, ***. Der Beschwerdeführer betreibt eine KFZ- Werkstätte am oben angeführten Standort. Diese wurde von 04.11.2014 bis 21.06.2018 in Form einer Kommanditgesellschaft (KFZ Werkstatt K KG) betrieben. Die Kommanditgesellschaft wurde gemeinsam mit dem Vater und der Schwester des Beschwerdeführers gegründet. Seit 22.06.2018 betreibt der Beschwerdeführer die KFZ-Werkstätte als Einzelunternehmer.
Die Liegenschaft zur EZ *** in der Katastralgemeinde ***, auf welcher sich die KFZ- Werkstätte befindet, steht im Alleineigentum des Vaters des Beschwerdeführers. Mit Baurechtsvertrag vom 06.11.2013 wurde ein Baurecht zugunsten der KFZ Werkstatt K KG eingeräumt. Es ist ein jährlicher Bauzins in Höhe von 2.880,00 EUR p.a. zu bezahlen. In den letzten Jahren wurden Pauschalbeträge für die Benutzung der Liegenschaft (Wartung der auf dem Grundstück befindlichen elektrischen Leitungsanlagen) durch die L AG sowie durch die M AG in Höhe von jeweils ca. 10.000 EUR, sohin insgesamt ca. 20.000 EUR an den Vater des Beschwerdeführers bezahlt. Diese Beträge wurden zahlungshalber für den vom Beschwerdeführer geschuldeten Baurechtszins direkt auf das Konto des Vaters des Beschwerdeführers überwiesen. Es erfolgt sohin eine Gegenrechnung des Baurechtszinses mit dem vom Vater des Beschwerdeführers erhaltenen Pauschalbeträgen. Die Betriebskosten der KFZ-Werkstätte werden vom Beschwerdeführer getragen.
Mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 01.03.2019, Zl. ***, rechtskräftig am 25.03.2019, wurde der Beschwerdeführer nach § 83 Abs. 1 StGB und §§ 15, 144 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Für die Probezeit wurde Bewährungshilfe angeordnet. Diese wurde mit Beschluss des Landesgerichtes *** vom 05.11.2021 aufgehoben.
Der Beschwerdeführer hat am 29.10.2018 seine Mutter mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, mit Gewalt sowie durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper zu einer Handlung zu nötigen versucht, die diese oder einen anderen am Vermögen schädigen sollte. Konkret zur schenkungsweisen Überschreibung jener Liegenschaft, auf welcher sich die KFZ-Werkstätte befindet, an den Beschwerdeführer. Die Mutter des Beschwerdeführers wurde durch die Gewaltausübung des Beschwerdeführers vorsätzlich am Körper verletzt.
Nach dem derzeitigen Stand der Strafregistereintragung ist der Tilgungszeitraum zurzeit nicht errechenbar.
Die Straftat ist im privaten Umfeld vorgefallen, sie wurde nicht im Zusammenhang mit der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes begangen.
Der Beschwerdeführer wurde von Mai 2019 bis Oktober 2021 von der Bewährungshilfe betreut und war er im Rahmen dieser angehalten, regelmäßig Termine wahrzunehmen und sich aktiv zu beteiligen. Diese wurden von ihm gewissenhaft eingehalten. Darüber hinaus wurde im Rahmen der Bewährungshilfe die der Verurteilung zugrundeliegende Tat reflektiert und insbesondere Strategien zur Bereinigung des dahinterstehenden Familienkonfliktes erarbeitet. Grundsätzlich wurde im Rahmen der Bewährungshilfe das Thema Konfliktbewältigung sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld sehr umfangreich erörtert und zeigte der Beschwerdeführer über den gesamten Zeitraum hinweg zu keinem Zeitpunkt ein aggressives Verhalten. Vielmehr war dieser äußerst kooperativ und entwickelte von sich aus Strategien um Treffen mit seiner Familie (insbesondere mit seiner Mutter und seiner Schwester) künftig zu meiden bzw. um Probleme auf Gesprächsbasis zu lösen.
Mit Beschluss des LG *** vom 05. November 2021 wurde die angeordnete Bewährungshilfe vorzeitig aufgehoben worden, da diese auf Grund guter Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer nicht mehr erforderlich gewesen ist.
Seit der Begehung der Tat am 29.10.2018 hat sich der Beschwerdeführer wohlverhalten. Es liegen keine weiteren Verurteilungen vor.
Das gegenständliche Gewerbe ist mit Kundenkontakt verbunden, in Ausübung des Gewerbes hat es noch keinerlei Vorfälle gegeben, wobei der nunmehrige Beschwerdeführer das Gewerbe seit knapp 8 Jahren ausübt. Im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung kam es auch noch nie zu aggressiven Verhalten oder Drohungen des Beschwerdeführers gegenüber Kunden oder Geschäftspartnern. Jene Fälle, in denen die Rechnung durch die Kunden nicht beglichen werden konnte, wurde vom Beschwerdeführer an seinen Rechtsanwalt übergeben. Die Kunden des Beschwerdeführers sind mit seiner Arbeit äußerst zufrieden und besteht auch mit den Zulieferfirmen ein sehr gutes Einvernehmen. Auch mit Behörde gab es bis dato betreffend die Ausübung der Gewerbeberechtigung keine Probleme.
Der Beschwerdeführer ist in aufrechter Ehe, lebt allerdings alleine. Er hat eine Tochter für die er sorgepflichtig ist. Sein durchschnittliches Jahresnettoeinkommen beträgt in etwa 28.000 Euro. Er beschäftigt einen Mitarbeiter geringfügig.
Der Beschwerdeführer ist ausgebildeter Kraftfahrzeugtechniker. Als KFZ-Techniker ist der Beschwerdeführer seit 2014 selbstständig tätig. Seit 2014 ist der Beschwerdeführer ermächtigt Prüfgutachten gemäß § 57a KFG auszustellen und stellt im Monat in etwa 50 Gutachten aus.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen in dem unbedenklichen Akt der belangten Behörde, des gegenständlichen Gerichtsaktes sowie des Gerichtsaktes des Landesgerichtes *** zur Zl. *** und der durchgeführten öffentlich mündlichen Verhandlung.
Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung persönlich einvernommen und zeigte sich in dieser reumütig und reflektiert betreffend die Streitigkeiten mit seiner Familie. Insbesondere führte er glaubwürdig aus, dass er die Konflikte mit seiner Familie rückblickend als Fehler betrachtet und es seit der Verurteilung zu keinerlei Konflikten mehr innerhalb der Familie kam und allfällige zukünftige Konflikte vermeiden wolle. Dies begründete er vor allem damit, dass er von sich aus den Kontakt zu seiner Familie großteils meidet. Dies wurde auch durch die Aussage des Vaters des Beschwerdeführers bestätigt, welcher angab, dass der Beschwerdeführer mit seiner Mutter und seiner Schwester seit der Verurteilung keinerlei Kontakt mehr hat. Hinsichtlich des Verhältnisses des Beschwerdeführers und seines Vaters schilderten beide übereinstimmend, dass es eine Aussprache gab und „Frieden“ geschlossen wurde. Weiters wurde nachvollziehbar ausgeführt, dass es nur unregelmäßig zu Kontakt zwischen den beiden kommt. Der Vater besucht den Beschwerdeführer hin und wieder in der KFZ- Werkstätte, Besuche des Beschwerdeführers in der Wohnung seiner Eltern finden keine statt. Insgesamt entstand für das Gericht der glaubhafte Eindruck, dass die laufenden „Familienstreitigkeiten“ welche letztendlich zur Tat des Beschwerdeführers, welche der Verurteilung zugrunde liegt, durch den Kontaktabbruch bzw. die Kontaktreduzierung vermieden werden konnten und der Beschwerdeführer ernsthaft bemüht ist, keine neuen Familienstreitigkeiten aufkommen zu lassen. So wie sich der Beschwerdeführer insgesamt präsentierte, würde man sich von ihm die Straftat, die auf seinem Strafregisterauszug aufscheint, nicht erwarten.
Dieser Eindruck wurde auch durch die Aussagen des Bewährungshelfers des Beschwerdeführers untermauert, welcher ausführte, dass der Beschwerdeführer ein sehr ruhiger Mensch ist und man mit ihm auf Dialogbasis sprechen kann. Trotz der Konfrontation mit unangenehmen Themen, ist dieser nie aggressiv geworden. Durch die regelmäßigen Treffen sowohl in der Werkstatt des Beschwerdeführers als auch im Büro des Bewährungshelfers, hat er einen Rundumeinblick bekommen und ist es nie zu Problemen oder Aggressionen gekommen. Das gewaltvolle Verhalten, welches zur strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers geführt hat, steht auch für den Bewährungshelfer in Widerspruch zum persönlichen Eindruck, welchen er in einem Zeitraum von knapp zwei Jahren vom Beschwerdeführer gewonnen hat.
Die Feststellungen betreffend die strafbaren Handlungen und die strafgerichtliche Verurteilung beruhen insbesondere auf der Einsichtnahme in den unbedenklichen Akt des Landesgerichts *** zur Zahl *** und in das Strafregister der Republik Österreich. Aus dem den strafgerichtlichen Akt des Landesgerichtes *** inneliegenden Baurechtsvertrag vom 06.11.2013 sowie den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seines Vaters in der mündlichen Verhandlung ergeben sich die Feststellungen bezüglich des Inhaltes des Baurechtsvertrages.
Die Feststellungen zur Art der Gewerbeausübung und den Gewerbeberechtigungen ergeben sich aus der Einsichtnahme in den GISA-Auszug zur GISA-Zahl ***.
Hinsichtlich der Ausführungen betreffend Kunden- und Geschäftskontakte folgt das Gericht den glaubhaften und übereinstimmenden Aussagen der Zeugen C, D, E, F und G, welche die reibungslose und gewissenhafte Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer einheitlich betonten und dessen Arbeitsweise als sehr genau und korrekt beschrieben. Zudem führten alle Zeugen aus, dass sie den Beschwerdeführer immer als hilfsbereit und entgegenkommend erlebt haben und es im Laufe der Zusammenarbeit bzw. im Rahmen des Kundenkontaktes nie zu Auseinandersetzungen oder besonderen Vorkommnissen gekommen ist.
Generell konnte sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung ein Bild vom nunmehrigen Beschwerdeführer machen, der zu den Streitigkeiten in der Vergangenheit steht und sie auch nicht beschönigen will, allerdings den Eindruck vermittelt hat, dass er Beruf und Privatleben strikt voneinander trennt und zeigte er sich durch die Verurteilung geläutert, in dem Sinne, dass er bestrebt ist, nicht mehr mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.
Darüber hinaus konnte der Beschwerdeführer dem erkennenden Gericht glaubhaft vermitteln, dass er seine Arbeit gewissenhaft und zufriedenstellend erledigt. Dies wurde auch von den Zeugen nachvollziehbar und glaubwürdig bestätigt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat wie folgt erwogen:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist – die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls – zufolge § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss. Soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lauten (auszugsweise) wie folgt:
Gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie von einem Gericht verurteilt worden sind, wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und die Verurteilung nicht getilgt ist.
Nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 GewO 1994 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.
Erwägungen:
Vorab ist festzuhalten, dass die Entziehung der Gewerbeberechtigung keinen Strafzwecken dient, sondern stellt eine administrative Maßnahme dar, die den Zweck verfolgt, das Vertrauen der Kunden und Geschäftspartner von Gewerbetreibenden in die Zuverlässigkeit der Gewerbeausübung zu sichern (VwGH 24. März 2004, Zl. 2004/04/0031).
Bei dem Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 handelt es sich um einen Entziehungstatbestand allgemeiner Natur, der auf Inhaber aller Gewerbe zutreffen kann. Bei der Entziehung der Gewerbeberechtigung handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, die nicht im Ermessen der Behörde liegt (arg; „[…] ist […] zu entziehen […]“; Stolzlechner u.a., GewO4, § 87, Rz 2). Der Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO besteht aus zwei Tatbestandselementen: Einerseits muss einer der in § 13 Abs. 1 oder 2 GewO angeführten Ausschlussgründe (nicht getilgte strafgerichtliche Verurteilung im Mindestausmaß von drei Monaten) zutreffen, andererseits muss nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des verurteilten Gewerbeinhabers die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes zu befürchten sein (Prognoseentscheidung).
Durch die Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monate, welche bedingt nachgesehen wurde, liegt unzweifelhaft das erste Tatbestandselement vor. Eine Tilgung liegt nicht vor. Somit ist auch § 13 Abs. 1 Z 2 GewO 1994 erfüllt.
An das vorliegende Urteil ist die Behörde gebunden, lediglich die übrigen Tatbestandvoraussetzungen können seitens der Behörde selbstständig geprüft werden. Für das gewerbebehördliche Entziehungsverfahren sind gerichtliche Aussprüche über die bedingte Strafnachsicht grundsätzlich nicht von Relevanz, die Behörde hat eigenständig eine Prognose zu erstellen.
Bei der Prüfung der Frage, ob die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewebes zu befürchten ist, hat die Behörde sowohl auf die Eigenart der strafbaren Handlung als auch auf die Persönlichkeit des Verurteilten Bedacht zu nehmen (siehe dazu Erkenntnis des VwGH vom 25. September 2012, 2012/04/0113). Zu berücksichtigen sind dabei auch alle äußeren Umstände, die auf die Persönlichkeitsentwicklung – sei es im positiven oder negativen Sinn – von Einfluss sein können, wie z.B. die unbescholtene Lebensführung seit Tatbegehung, der Rückfall in neuerliche Straftaten, Schadenswiedergutmachung etc. Diese Umstände sind mit der Eigenart und Schwere begangener Straftaten sowie stets mit Blick auf die Frage abzuwägen, ob eine nachvollziehbare Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer bei Ausübung des Gewerbes gleiche oder ähnliche Straftaten begehen werde. Diese Abwägung kann in der Regel aufgrund allgemein menschlicher Wahrungen vorgenommen werden, die Einholung eines psychologischen Gutachtens ist daher nicht erforderlich (siehe dazu Kommentar zur Gewerbeordnung Grabler/Stolzlecher/Wendl, Randziffer 10 zu § 26).
Bei der Eigenart der strafbaren Handlung ist auf das beeinträchtigte Rechtsgut abzustellen.
Auf den gegenständlichen Fall umgelegt, bedeutet dies wie folgt:
Bei der gegenständlichen Verurteilung ist das beeinträchtigte Rechtsgut die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum.
Für die begangene strafbare Handlung wurde der Beschwerdeführer vom Landesgericht *** rechtskräftig verurteilt, wobei die Strafe von 15 Monaten bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren und der Beigebung eines Bewährungshelfers nachgesehen wurde.
Wie bereits festgestellt, wurde der Beschwerdeführer im Zeitraum von Mai 2019 bis Oktober 2021 durch den Verein O durch einen Bewährungshelfer betreut und wurde im Rahmen der Bewährungshilfe sowohl seine private als auch seine berufliche Situation besprochen und reflektiert. Seit dem Vorfall am 29.10.2018 hat sich der Beschwerdeführer wohl verhalten und zeigt er sich hinsichtlich der Konflikte innerhalb der Familie reflektiert und reumütig.
Ebenso gab es bisher bei Ausübung des gegenständlichen Gewerbes keinerlei Probleme bzw. Schwierigkeiten (Aggressionsschwierigkeiten) des Beschwerdeführers gegen Dritte (Angestellte, Kunden, Geschäftspartner).
Im Zusammenhang mit dem Ausschlussgrund des § 13 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ist es zwar ohne rechtliche Relevanz, ob eine Straftat im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes erfolgte, allerdings muss die Eigenart der begangenen strafbaren Handlungen im Zusammenwirken mit der Persönlichkeit des verurteilten Gewerbeinhabers die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes in der Zukunft mit gutem Grund befürchten lassen (vgl. ständige Judikatur des VwGH).
Dabei ist auch nicht zu übersehen, dass sich die strafbare Handlung im privaten Bereich ereignet hat und sind dem erkennenden Gericht derzeit keine Anknüpfungspunkte denkbar, die aufgrund der Ausübung des gegenständlichen Gewerbes für einen Rückfall sprechen würden.
Das gegenständliche Gewerbe bietet keinen zusätzlichen Anknüpfungspunkt für eine Wiederholungstat, vielmehr ist davon auszugehen, dass bei Ausübung des Gewerbes gerade keine ähnliche Straftat begangen wird, führte doch der Beschwerdeführer als auch der Bewährungshelfer nachvollziehbar aus, dass es sich bei der der Verurteilung zugrunde liegenden Straftat um eine „Familienstreitigkeit“ handelte und wurde auch von den Geschäftspartnern und Kunden glaubhaft vermittelt, dass sie den Beschwerdeführer noch nie aggressiv erlebt haben sondern dieser vielmehr als sehr verlässlich und zuvorkommend geschätzt wird.
Ebenso spricht der positive Bericht des Bewährungshelfers wie das Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit der letzten Tat für die Abgabe einer günstigen Prognose.
Im gegenständlichen Fall ist das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der Ansicht, dass die Entziehung der gegenständlichen Gewerbeberechtigung nicht verhältnismäßig wäre, müsste doch die Entziehung gewichtigen öffentlichen Interessen dienen und zur Erreichung dieses Zieles geeignet sein, unbedingt erforderlich und adäquat.
Obwohl die strafbaren Handlungen keinesfalls zu bagatellisieren sind, geht das erkennende Gericht aufgrund der obigen Ausführungen davon aus, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das erkennende Gericht, keine nachvollziehbare Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer bei Ausübung des Gewerbes gleiche oder ähnliche Straftaten begehen werde.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (siehe die zitierten Entscheidungen). Insbesondere war der Entscheidung eine einzelfallbezogene Prognose zugrunde zu legen, weshalb der Entscheidung keine Bedeutung über den konkreten Anlassfall hinaus zukommt.
Schlagworte
Gewerbliches Berufsrecht; Handelsgewerbe; Entziehung; Straftat; Prognoseentscheidung; Persönlichkeit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1459.001.2021Zuletzt aktualisiert am
20.04.2022