Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
GewO 1994 §366 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der M in F, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 12. Dezember 1995, Zl. VwSen-221144/3/Schi/Ka, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 12. Dezember 1995 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 17. November 1994, betreffend Übertretung der GewO 1994, keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die Strafnorm zu lauten hat: "§ 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO 1994". Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, über die Beschwerdeführerin sei mit dem genannten Straferkenntnis eine Geldstrafe von S 20.000,-- (12 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt worden, weil sie als verantwortliche gewerberechtliche Geschäftsführerin der H Auto- und KFZ-Verwertung, Ersatzteile, Reifen- und Eisenhandel Ges.m.b.H., wie anläßlich einer Überprüfung durch die Bezirkshauptmannschaft Freistadt am 5. September 1994 festgestellt worden sei, in der Zeit vom 20. April 1993 (Überprüfung der Anlage durch das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung) bis zumindest 5. September 1994 auf den Grundstücken Nr. 2400, 2399/1, 2399/2, 2398, 2397 und 2396, alle KG und Gemeinde G, und zwar im Bereich des Anwesens G Nr. 36, eine genehmigungspflichtige "gewerberechtliche" Betriebsanlage, nämlich i.V.m. dem Handelsgewerbebetrieb (Standort in G 36), eine Lager- und Betriebsfläche für ca. 34 Fahrzeuge (zum Großteil Kraftfahrzeuge mit gefährlichen Stoffen), Fahrzeugteile und Altreifen im Ausmaß von insgesamt ca. 5.600 m2, und ein Betriebsgebäude im Ausmaß von ca. 10 m x 15 m, ohne Vorliegen der hiefür erforderlichen gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung betrieben habe, sodaß durch die Lagerung der Fahrzeuge und Fahrzeugteile eine Gefährdung des Grundwassers und durch das Hantieren an den Fahrzeugen eine Belästigung der Nachbarn durch Lärm möglich gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 2 i.V.m. § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 begangen. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich habe aufgrund der Berufung der Beschwerdeführerin gegen dieses Straferkenntnis Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt zur Zl. Ge96-120-1994-Pa-Gra, aus welchem er i.V.m. den Ausführungen in der Berufungsschrift sowie im Zusammenhang mit dem dieselbe gewerbliche Betriebsanlage betreffenden Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1. März 1994 (Tatzeitraum: 3. März 1992 bis 20. April 1993) einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden habe. Demnach liege eine genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlage i.S.d. § 74 Abs. 2 GewO 1994 vor, die - entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin - auch betrieben worden sei. Die Beschwerdeführerin habe daher tatbestandsmäßig, rechtswidrig und - wie näher dargelegt - auch schuldhaft gehandelt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht verletzt, der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und dafür auch nicht bestraft zu werden. Sie bringt hiezu im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe den Sachverhalt der Betriebsführung ohne Genehmigung aktenwidrig und ohne Deckung durch das Beweisverfahren angenommen, somit gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung des § 45 AVG und gegen den Grundsatz der Amtswegigkeit des § 39 AVG verstoßen, in dem sie die ausschließlich auf die gesetzeskonforme Entsorgung der Fahrzeuge bezogene "Betriebsführung" laut behördlichen Aufträgen nicht festgestellt habe. Sie habe entgegen dem Verbot "ne bis in idem" in Erfüllung der gesetzeskonformen Entsorgung eine betriebliche Tätigkeit und damit eine Verwaltungsübertretung erblickt und bei der Verhängung der Strafe überdies gegen die Bestimmungen der §§ 19, 20 und 21 VStG verstoßen.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1. März 1994, Zl. VwSen-220683/5/Schi/Ka, der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis der BH Freistadt vom 27. Juli 1993, betreffend Übertretung der GewO 1994, keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß
1) der Spruch des Straferkenntnisses wie folgt zu lauten hat:
"Die Beschuldigte, Frau M, wohnhaft in F, W-Gasse 19, hat als verantwortliche gewerberechtliche Geschäftsführerin (§ 370 Abs. 2 GewO 1973), der H Auto- und KFZ-Verwertung, Ersatzteile, Reifen- und Eisenhandel GesmbH, wie anläßlich einer Überprüfung durch das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung sowie der Bezirkshauptmannschaft Freistadt am 20. April 1993 festgestellt wurde, in der Zeit vom 3. März 1992 (Überprüfung durch die Gendarmerie Freistadt) bis zumindest 20. April 1993 auf den Grundstücken Nr. 2400, 2399/1, 2399/2, 2398, 2397 und 2396, alle KG und Gemeinde G, eine genehmigungspflichtige gewerberechtliche Betriebsanlage, nämlich eine KFZ-Verschrottungsanlage sowie i.V.m. ihrem Handelsgewerbebetrieb (G 36), auch eine Lager- und Betriebsfläche für ca. 150 Autowracks, Schrotteile, Alteisen und Motorteile im Ausmaß von insgesamt 5.600 m2, einen Kranwagen, einen Tieflader, eine Planierraupe, zwei Abschleppautos und ein Betriebsgebäude im Ausmaß von ca. 10 m x 15 m, ohne Vorliegen der hiefür erforderlichen gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung betrieben, sodaß durch die Lagerung der Autowracks, Schrotteile, Alteisen und Motorteile eine Gefährdung des Grundwassers und durch das Hantieren bzw. Ausschlachten der Autowracks eine Belästigung der Nachbarn durch Lärm möglich war",
und
2) die Strafnorm zu lauten hat: "§ 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO 1994".
Das genannte Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin - laut Begründung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1. März 1994 - am 30. Juli 1993 zugestellt.
Ausgehend von der, der Beschwerdeführerin sachverhaltsmäßig zur Last gelegten Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 handelt es sich dabei um ein sogenanntes fortgesetztes Delikt, das die Anwendung des in § 22 VStG normierten Kummulationsprinzips ausschließt. Allerdings folgt aus dem Wesen einer Straftat als fortgesetzes Delikt, daß die Bestrafung für einen bestimmten Tatzeitraum auch die in diesem gelegenen - wenn auch allenfalls erst später bekannt gewordenen - Einzeltathandlungen umfaßt. Das bedeutet, daß ungeachtet einer im Spruch des Strafbescheides der Behörde erster Instanz angeführten Tatzeit alle Einzeltathandlungen bis zu der mit seiner Zustellung erfolgten Erlassung des Strafbescheides erster Instanz erfaßt sind und daher wegen solcher Einzeltathandlungen nicht neuerlich gegen den Täter eine Strafe verhängt werden darf (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 95/04/0183, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Im vorliegenden Fall umfaßte daher die Bestrafung der
Beschwerdeführerin durch das Straferkenntnis der BH Freistadt
vom 27. Juli 1993 - ungeachtet der Anführung der Tatzeit
"3. März 1992 ... bis zumindest 20. April 1993" - auch
Tathandlungen, die der Beschwerdeführerin im angefochtenen
Bescheid für den Zeitraum vom "20. April 1993 ... bis zumindest
5. September 1994" zur Last gelegt wurden.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie gegen das Verbot der mehrfachen Bestrafung verstoßen und solcherart den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieser war daher - ohne auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das die Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren war mangels Erforderlichkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996040045.X00Im RIS seit
20.11.2000