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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Mag. R W in W, vertreten durch die Bernardini & Co Wirtschaftsprüfung GmbH in 1130 Wien, Trazerberggasse 85, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. November 2021, Zl. RV/5101315/2019, betreffend Einkommensteuer 2017, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber erhielt im Jahr 2017 Einkünfte als Verwaltungsratspräsident von einer in der Schweiz ansässigen Aktiengesellschaft. Das Finanzamt qualifizierte diese Einkünfte als steuerpflichtige nichtselbständige Einkünfte ohne inländischen Lohnsteuerabzug unter Anrechnung der ausländischen Steuer mit der Begründung, dass Vergütungen eines Verwaltungsrates, der nicht mit der Überwachung, sondern mit der Geschäftsführung betraut ist, nicht unter Art. 16 des DBA-Schweiz fielen.
2 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde und beantragte, die Einkünfte als unter Art. 16 des DBA-Schweiz fallende und damit unter Progressionsvorbehalt steuerfreie selbständige Einkünfte zu berücksichtigen.
3 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag führte das Bundesfinanzgericht eine mündliche Verhandlung durch und wies die Beschwerde als unbegründet ab. Es stellte fest, dass der Revisionswerber Präsident des Verwaltungsrates der X AG in der Schweiz sei. Laut Handelsregisterauszug sei er mit Einzelunterschrift zeichnungsbefugt, ebenso wie die drei weiteren Verwaltungsratsmitglieder. Der Revisionswerber halte laut seinen Angaben rund 30% an den Stimmrechten und rund 29 % der Anteile an der Muttergesellschaft der X AG. Die Tätigkeit des Revisionswerbers als Verwaltungsratspräsident werde von Österreich aus ausgeübt. Österreich sei der Ansässigkeitsstaat im Sinne des Art. 4 DBA-Schweiz. Der Revisionswerber habe mit der X AG einen Geschäftsführervertrag abgeschlossen, in dem er die Führung der Geschäfte der X AG nach Maßgabe des Vertrages, des Gesetzes, der Gesellschaftsstatuten und den vom Verwaltungsrat erteilten Weisungen übernommen habe. Er sei nach dem Geschäftsführervertrag verpflichtet, der X AG seine ganze Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Es stehe ihm für seine Tätigkeit ein fester Monatslohn von 1.600 € zu, zusätzlich habe er bei gutem Ergebnis der Geschäftsführung einen Anspruch auf einen angemessenen Bonus. Weiters sei ein Auslagenersatz und ein jährlicher Ferienanspruch von fünf Wochen geregelt worden. Insgesamt hätten die Geschäftsführerbezüge 2017 brutto 49.596 € betragen.
4 Nach Auskunft des Revisionswerbers beinhalte seine Tätigkeit als Verwaltungsratspräsident insbesondere die Planung, Anordnung, Leitung und Überwachung der gesellschaftsrechtlichen, steuerlichen, aufsichtsrechtlichen und wirtschaftlichen Verpflichtungen einer Schweizer Aktiengesellschaft sowie einer Schweizer Vermögensverwaltung, sowie die Planung, Leitung und Überwachung der operativen Betriebsleistung. Weiters die Gestaltung, Verhandlung und den Abschluss der Verträge mit Kunden und vertraglichen Dienstleistungslieferanten. Das Vertragsverhältnis mit einem Dienstleister sei vom Revisionswerber abgeschlossen und auch wieder beendet worden. Laut Geschäftsführerverträgen zwischen der X AG und zwei anderen Verwaltungsräten stünden diesen Bezüge in Form eines festen Monatslohnes von 900 € bzw. 551 € zu; zusätzlich hätten sie bei gutem Ergebnis der Geschäftsführung einen Anspruch auf einen angemessenen Bonus. Die tatsächlich an die beiden Verwaltungsräte ausbezahlten Bezüge im Jahr 2017 hätten 6.464 € zuzüglich Reisekostenersätze bzw. 0 € zuzüglich Reisekostenersätze betragen. Ein schriftliches, vom Verwaltungsrat erlassenes Organisationsreglement liege bei der X AG nicht vor und auch kein schriftliches Protokoll eines Verwaltungsratsbeschlusses, das die Geschäftsführung der Gesellschaft festlege.
5 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht aus, die Begriffe „Aufsichtsrat“ und „Verwaltungsrat“ würden weder im OECD-Musterabkommen noch im OECD-Musterkommentar definiert; sie seien aber abkommensautonom auszulegen und funktionsbezogen zu verstehen. Die österreichische Rechtsprechung und Verwaltungspraxis würden insgesamt eine enge, funktionsbezogene Auslegung des Art. 16 DBA-Schweiz vertreten; dieser beziehe sich in seiner Gesamtheit lediglich auf die Überwachung der Geschäftsführung, nicht hingegen auf Vergütungen an die mit der Geschäftsführung selbst befassten Organe.
6 Für das Bundesfinanzgericht stehe unzweifelhaft fest, dass der Revisionswerber sich nicht nur auf die Überwachung der Geschäftsleitung beschränkt, sondern seine Tätigkeit auch unmittelbare Leitungs- oder Mitwirkungsaufgaben umfasst habe. Die vom Revisionswerber genannten Aufgaben (Gestaltung, Verhandlung und Abschluss der Verträge mit Dienstleistungslieferanten und Kunden) seien typische Maßnahmen der Geschäftsführung, die nach § 95 AktG einem Aufsichtsrat nicht übertragen werden könnten. Der Revisionswerber sei im Handelsregister seit Mai 2012 mit der Funktion Präsident des Verwaltungsrates und der Zeichnungsart „Einzelunterschrift“ eingetragen. Er sei mit „Geschäftsführervertrag“ vom 31. März 2013 mit der Führung der Geschäfte der X AG nach Maßgabe dieses Vertrages, des Gesetzes, der Gesellschaftsstatuten und den vom Verwaltungsrat erteilten Weisungen betraut worden. Eine nach Art. 716b OR (Schweizerisches Obligationenrecht) und Artikel 18 der Gesellschaftsstatuten der X AG mögliche Übertragung der Geschäftsführung nach Maßgabe eines Organisationsreglements an einzelne Verwaltungsratsmitglieder oder an Dritte sei nicht vorgenommen worden. Gegen die Annahme einer sich auf die Überwachung der Geschäftsleitung beschränkenden Tätigkeit spreche auch die Höhe der Vergütungen an den Revisionswerber und der Vergleich mit der Höhe der Vergütungen an diejenigen Personen, die nach Vorbringen des Revisionswerbers die Geschäfte geleitet hätten. Die Höhe seiner Vergütungen sei nur vor dem Hintergrund der höheren Verantwortlichkeit seiner Geschäftsführungstätigkeit verständlich.
7 Art. 16 DBA-Schweiz beziehe sich in seiner Gesamtheit lediglich auf die Überwachung der Geschäftsführung, nicht hingegen auf Vergütungen an die mit der Geschäftsführung selbst befassten Organe. Eine Aufteilung der Einkünfte auf die Überwachungstätigkeit und die Geschäftsführertätigkeit sei im Revisionsfall nicht möglich, weil die Vergütung allein auf dem Vertrag, mit dem der Revisionswerber die Geschäftsführung der Gesellschaft übernommen habe, beruhe. Diese Vergütung lasse sich nicht nach objektiven Abgrenzungskriterien den verschiedenen Funktionen zuordnen. Sitzungsgelder seinen keine ausbezahlt worden.
8 Die Vergütungen für die Tätigkeit des Revisionswerbers als Verwaltungsratspräsident der X AG fielen daher nicht unter Art. 16 DBA-Schweiz. Das Besteuerungsrecht komme diesbezüglich Österreich als Ansässigkeitsstaat des Revisionswerbers zu. Gemäß Art. 23 DBA-Schweiz komme die Befreiungsmethode zu Anwendung. Die Schweiz habe die gegenständlichen Einkünfte zu befreien, ein Recht auf Quellenbesteuerung der gegenständlichen Vergütungen finde sich im DBA-Schweiz nicht. Eine Anrechnungsverpflichtung der Schweizer Abzugssteuer von 25% in Österreich komme daher nicht in Betracht.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, dass zur Frage der Zuteilung der Einkünfte als Verwaltungsrat im DBA-Schweiz höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Der Revisionswerber macht als Revisionspunkt geltend, er sei in seinem subjektiven Recht auf Entlastung von der Doppelbesteuerung der in der Schweiz erzielten Einkünfte verletzt.
14 Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. (vgl. VwGH 3.9.2019, Ro 2018/15/0006, mwN).
15 Gemäß § 41 Abs. 1 VwGG obliegt es dem Verwaltungsgerichtshof nur, das angefochtene Erkenntnis u.a. im Rahmen des geltend gemachten Revisionspunktes zu überprüfen. Die Zulässigkeitsbegründung enthält allerdings keinerlei Vorbringen zum geltend gemachten Revisionspunkt, weshalb sich die Revision schon aus diesem Grund als unzulässig erweist.
16 Ungeachtet dessen vermag die Zulässigkeitsbegründung keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 31. Juli 1996, 92/13/0172, ausgesprochen, dass die Zuteilungsregel des Art. 16 DBA-Schweiz Einkünfte aus der geschäftsführenden Tätigkeit für eine Aktiengesellschaft nicht betrifft. Daran ändert nichts, dass Art. 712 des Schweizerischen Obligationenrechtes den Ausdruck des Verwaltungsrates für den Fall verwendet, dass mehrere Personen mit der Verwaltung betraut werden. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kam es bei diesem Erkenntnis für die Auslegung des Art. 16 DBA-Schweiz nicht darauf an, dass die damalige Schweizer Aktiengesellschaft nicht operativ tätig war.
17 Das Bundesfinanzgericht ist aufgrund einer nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung zur Beurteilung gekommen, dass die Tätigkeit des Revisionswerbers auch die Geschäftsführung umfasst hat und die strittigen Einkünfte für diese Geschäftsführungstätigkeit bezahlt wurden. Dagegen wendet sich das Zulässigkeitsvorbringen nicht.
18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 8. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022150021.L00Im RIS seit
20.04.2022Zuletzt aktualisiert am
21.04.2022