Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Cede sowie Hofrätin Mag. I. Zehetner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag.Dr. Gotsbacher, über die Revision des J L in A, vertreten durch Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Burgfriedstraße 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2019, W257 2210069-1/10E, betreffend Einstellung der Bezüge gemäß § 12c Abs. 1 Z 2 GehG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommando Streitkräfte, vormals: Kommando Landesstreitkräfte), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber stand bis zu seiner durch Bescheid vom 2. Februar 2017 mit Wirksamkeit vom 31. März 2017 verfügten Versetzung in den Ruhestand als Vizeleutnant in einem öffentlich-rechtlichen Aktiv-Dienstverhältnis zum Bund.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers gegen einen Bescheid des Kommandos Landstreitkräfte vom 29. August 2018, mit dem seine Bezüge für die Zeit vom 12. August 2015 bis einschließlich 26. Oktober 2016 wegen ungerechtfertigter Abwesenheit vom Dienst gemäß § 12c Abs. 1 Z 2 Gehaltsgesetz 1956 (im Folgenden: GehG) eingestellt wurden, keine Folge.
3 Der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zufolge lag dieser Einstellung der Bezüge das folgende Geschehen zugrunde:
4 Mit Schreiben vom 26. März 2015 habe die Dienstbehörde des Revisionswerbers „aufgrund eines Gutachtens vom 17.03.2015“ die Dienstunfähigkeit des Revisionswerbers festgestellt und ein Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit eingeleitet. Sie habe dieses Schreiben dem Militärkommando Niederösterreich mit dem Ersuchen übermittelt, dem Revisionswerber einen Fragebogen „für die Erstellung eines Gutachtens der Beamten-Versicherungs-Anstalt“ (gemeint wohl: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, nunmehr: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau) zu übergeben. Am 29. April 2015 sei neuerlich ein entsprechendes Schreiben verfasst und dem Militärkommando Niederösterreich mit dem Auftrag zur Zustellung an den Revisionswerber übermittelt worden, in dem die Einleitung des Verfahrens zur Versetzung in den Ruhestand mitgeteilt und dem ein vom Revisionswerber auszufüllender Fragebogen beigelegt worden sei.
5 Den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zufolge könne „nicht festgestellt werden“, dass dem Revisionswerber das Schreiben vom 29. April 2015 „zugestellt“ worden sei. In der Beweiswürdigung findet sich in diesem Zusammenhang die Aussage, die genannten Schreiben hätten die „Zustellsphäre“ des Revisionswerbers erreicht (wobei die Annahme dieses - im Erkenntnis zeitlich nicht näher eingeordneten - Umstandes damit begründet wurde, dass sich der Revisionswerber auf diese Schreiben berufen habe, woraus sich seine „Kenntnis“ von den genannten Schreiben ergebe).
6 Mit Beschluss des Bezirksgerichts Amstetten vom 20. September 2016 sei für den Revisionswerber ein einstweiliger Sachwalter für die Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern, zur Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten und zur Regelung der Wohnsituation, insbesondere auch des Strombezugs, bestellt worden.
7 Mit Schreiben vom 7. März 2017 habe der Revisionswerber die Dienstbehörde um Aufklärung und Überweisung der aushaftenden Bezüge von 1. August 2015 bis 31. November 2016 ersucht. In Beantwortung dieses Ersuchens habe ihm die Dienstbehörde mitgeteilt, dass er „seit dem 10.12.2014 krankheitsbedingt gerechtfertigt abwesend“ gewesen sei, dass aufgrund eines medizinischen Gutachtens ein Ruhestandsversetzungsverfahren eingeleitet worden und er „im Zuge des Pensionsverfahrens nicht erreichbar“ gewesen sei. Da auch alle nachfolgenden Kontaktaufnahmen erfolglos geblieben seien, sei die Dienstbehörde davon ausgegangen, dass „nicht mehr länger eine durch Krankheit gerechtfertigte Dienstabwesenheit“ gegeben und eine „Abgängigkeit“ des Revisionswerbers vorgelegen sei. Am 27. Oktober 2016 sei er wieder zum Dienst erschienen und es seien ihm ab diesem Tag die Bezüge wieder ausbezahlt worden.
8 Mit weiteren Schreiben vom 19. April 2017 und vom 13. Dezember 2017 habe der Revisionswerber dieser Darstellung widersprochen und die Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Rechtmäßigkeit der Bezugseinstellung beantragt.
9 Mit Bescheid vom 12. August 2018 habe das Kommando Landstreitkräfte ausgesprochen, dass dem Revisionswerber gemäß § 12c Abs. 1 Z 2 GehG „für die Zeit der nicht gerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst - nämlich vom 12 08 2015 - 26 10 2016 - von Amts wegen die Bezüge eingestellt worden sind“.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers keine Folge und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.
11 Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, der Revisionswerber habe an einer ihm zumutbaren ärztlichen Untersuchung im Zeitraum von „zirka Februar 2015 bis April 2015“ nicht mitgewirkt. Von einem Beamten sei „anzunehmen“, dass er sich, auch im Fall einer Dienstunfähigkeit wie jener des Revisionswerbers, hin und wieder, „zumindest nach ein paar Monaten bei seiner Dienststelle meldet“. Dies gelte umso mehr, als dem Revisionswerber die Bezüge mit 12. August 2015 eingestellt worden seien.
12 In dem mit „rechtliche Beurteilung“ überschriebenen Abschnitt des Erkenntnisses führte das Bundesverwaltungsgericht nach auszugsweiser Wiedergabe von § 12c Abs. 1 GehG und § 51 BDG 1979 aus, der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 21. Februar 2001, 2000/12/0216, festgehalten, dass das Vorliegen einer ärztlichen Bescheinigung über seine Erkrankung die Abwesenheit eines Beamten vom Dienst allein noch nicht rechtfertige, weil die Beurteilung der Frage seiner Dienstfähigkeit eine Rechtsfrage darstelle, deren Lösung der Dienstbehörde zustehe. Zu den Bestimmungen des § 51 Abs. 2 BDG 1979 und § 12c Abs. 1 Z 2 GehG habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. Dezember 2010, 2009/12/0203, festgehalten, dass „das Vertrauen auf die ärztliche Bescheinigung und damit auf eine Rechtfertigung der Dienstverhinderung“ lediglich dann nicht geeignet sei, „einen ausreichenden Entschuldigungsgrund im Sinne des § 13 Abs. 3 Z 2 (nunmehr § 12c Abs. 1 Z 2) GehG herzustellen“, wenn der Beamte „auf Grund besonderer Umstände keinesfalls mehr auf die Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung und somit auf das Vorliegen einer Rechtfertigung für die Dienstverhinderung vertrauen konnte oder durfte“. Der Revisionswerber habe nicht mehr von einer dauernden Dienstunfähigkeit ausgehen dürfen, weil „das Gutachten ... mehr als 18 Monate alt“ gewesen sei. Es seien damit „besondere Umstände“ im Sinne der zitierten Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes gegeben.
13 Dem Revisionswerber sei zudem im Sinne des § 51 Abs. 2 BDG 1979 „die Mitwirkung zumutbar“ gewesen. Es seien „ausreichende und eingehende Versuche“, den Revisionswerber aufzusuchen, dokumentiert. Es sei nicht relevant, dass dem Revisionswerber die „Einleitungsmitteilung“ nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Aus einem (im Erkenntnis nicht näher dargestellten) medizinischen Gutachten vom 7. Dezember 2016 habe sich - so das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung - ergeben, dass der Revisionswerber im März oder April 2015 aus medizinischer Sicht „psychisch durchschnittlich belastbar“ gewesen sei, woraus folge, dass ihm zu dieser Zeit „die Mitwirkung an der ärztlichen Untersuchung“ zumutbar gewesen sei. Einem „psychisch durchschnittlich belastbaren“ Beamten könne man zumuten, „dass er an der Mitwirkung des gegen ihn laufenden Pensionierungsverfahrens mitwirken kann“.
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
15 Zur Zulässigkeit der Revision führt der Revisionswerber aus, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 21.2.2001, 2000/12/0216) abgewichen, weil dem Revisionswerber (nach vorausgegangener ärztlicher Untersuchung) von seiner Dienstbehörde mitgeteilt worden sei, dass er dienstunfähig sei. Der Beamte dürfe auf eine ärztliche Bescheinigung vertrauen, bis ihm die Dienstbehörde Entgegenstehendes nachweislich mitteile. Derartiges sei ihm jedoch von der Dienstbehörde nicht zur Kenntnis gebracht worden. Das vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2010, 2009/12/0203, sei nicht einschlägig, weil es die - hier nicht relevante - Frage betroffen habe, in welchen Fällen auf die Richtigkeit einer ärztlichen Bestätigung eines privat beigezogenen Arztes vertraut werden dürfe. Dem Revisionswerber sei (nach vorausgegangener Untersuchung) mitgeteilt worden, dass er nicht dienstfähig sei, er einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit einbringen könne, und dass ansonsten ein Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen eingeleitet werde. Daher hätte er davon ausgehen dürfen, dass seine Dienstunfähigkeit eine dauernde sei. Es fehle zudem Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die „dem Beamten zur Kenntnis gebrachte Dienstunfähigkeit“ als ausreichender Entschuldigungsgrund im Sinne des § 12c Abs. 1 Z 2 GehG zu werten sei. Weiters fehle Rechtsprechung dazu, ob der Beamte in einem solchen Fall „bei bloßer Verständigung über ein allenfalls einzuleitendes Ruhestandsversetzungsverfahren“ zusätzlich verpflichtet sei, sich von sich aus und ohne Aufforderung der Dienstbehörde nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen, „insbesondere eine ärztliche Untersuchung einzufordern“, und ob im Fall fehlender Erkundigung und Meldung die Nichterfüllung einer Mitwirkungspflicht angenommen werden könne, insbesondere, „ob nach Feststellung der Dienstunfähigkeit aufgrund einer ärztlichen Untersuchung noch eine zusätzliche Untersuchung eingefordert werden“ müsse. Es fehle weiters Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob der Beamte in einem solchen Fall eine „zusätzliche ärztliche Bescheinigung im Sinne des § 51 Abs. 2 BDG 1979“ vorzulegen habe, und ob die fehlende Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung im Sinne von § 51 Abs. 2 BDG 1979 auch dann angenommen werden könne (wohl: dürfe), wenn trotz der dem Beamten gegenüber von der Dienstbehörde festgestellten und zur Kenntnis gebrachten Dienstunfähigkeit die Übermittlung eines Formblattes an den Beamten unterlassen worden sei. Schließlich sei die Revision auch deshalb zulässig, weil das Bundesverwaltungsgericht zu einem unvertretbaren Auslegungsergebnis gelangt sei, weil seine Entscheidung „nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich“ sei.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:
17 Die Revision ist bereits im Hinblick auf die geltend gemachte Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig. Sie ist auch berechtigt.
18 § 12c Abs. 1 Z 2 Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54 (GehG), lautet in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 140/2011:
„Entfall der Bezüge
§ 12c. (1) Die Bezüge entfallen
1. ...
2. wenn der Beamte eigenmächtig länger als drei Tage dem Dienst fernbleibt, ohne einen ausreichenden Entschuldigungsgrund nachzuweisen, für die Gesamtdauer der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst;“
19 § 14 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 (in der hier maßgeblichen Fassung der zuletzt durch BGBl. I Nr. 140/2011 geänderten Absätze 1 bis 3 dieser Bestimmung), lautet auszugsweise:
„Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit
§ 14. (1) Die Beamtin oder der Beamte ist von Amts wegen oder auf ihren oder seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er dauernd dienstunfähig ist.
(2) Die Beamtin oder der Beamte ist dienstunfähig, wenn sie oder er infolge ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung ihre oder seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihr oder ihm im Wirkungsbereich ihrer oder seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben sie oder er nach ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihr oder ihm mit Rücksicht auf ihre oder seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.
(3) Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 2 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, ist von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter - ausgenommen für die gemäß § 17 Abs. 1a des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996, den dort angeführten Unternehmen zugewiesenen Beamtinnen und Beamten - Befund und Gutachten einzuholen. Für die gemäß § 17 Abs. 1a PTSG zugewiesenen Beamtinnen und Beamten ist dafür die Pensionsversicherungsanstalt zuständig.“
20 § 51 BDG 1979 lautet in der hier maßgeblichen Stammfassung, BGBl. Nr. 333:
„Abwesenheit vom Dienst
§ 51. (1) Der Beamte, der vom Dienst abwesend ist, ohne vom Dienst befreit oder enthoben zu sein, hat den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich seinem Vorgesetzten zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen.
(2) Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder Gebrechen an der Ausübung seines Dienstes verhindert, so hat er seinem Vorgesetzten eine ärztliche Bescheinigung über den Beginn der Krankheit und nach Möglichkeit über die voraussichtliche Dauer der Dienstverhinderung vorzulegen, wenn er dem Dienst länger als drei Arbeitstage fernbleibt oder der Vorgesetzte oder der Leiter der Dienststelle es verlangt. Kommt der Beamte dieser Verpflichtung nicht nach, entzieht er sich einer zumutbaren Krankenbehandlung oder verweigert er die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt.
21 § 52 BDG 1979 lautet in der Fassung BGBl. I Nr. 90/2006:
„3. Unterabschnitt
Sonstige Dienstpflichten
Ärztliche Untersuchung
§ 52. (1) Bestehen berechtigte Zweifel an der für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erforderlichen gesundheitlichen Eignung des Beamten, so hat sich dieser auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
(2) Der infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens vom Dienst abwesende Beamte hat sich auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zur Prüfung seines Gesundheitszustandes zu unterziehen. Wenn es zur zuverlässigen Beurteilung erforderlich ist, sind Fachärzte heranzuziehen. Eine Anordnung im Sinne des ersten Satzes ist spätestens drei Monate nach Beginn der Abwesenheit vom Dienst und sodann in Abständen von längstens drei Monaten zu erteilen.“
22 In seiner rechtlichen Würdigung stützte das Bundesverwaltungsgericht den Entfall der Bezüge auf zwei Alternativbegründungen:
23 Zum einen bezog sich das Bundesverwaltungsgericht auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 2001, 2000/12/0216, und vom 15. Dezember 2010, 2009/12/0203, und führte dazu aus, dass der Revisionswerber „nicht mehr von der Richtigkeit“ einer ärztlichen Bestätigung habe ausgehen dürfen, weil „das Gutachten mehr als 18 Monate alt“ gewesen sei (angefochtenes Erkenntnis, Seite 11 oben).
24 Zum anderen stützte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine dem Revisionswerber vorgeworfene Verletzung einer Mitwirkungspflicht, die es darin erblickt, dass der Revisionswerber an einer „Untersuchung“ nicht mitgewirkt habe (angefochtenes Erkenntnis [Beweiswürdigung] Seite 8 oben), beziehungsweise während einer langen Abwesenheit „nicht regelmäßig ... mit der Dienststelle in Kontakt“ getreten sei (aaO Seite 8 Mitte), wodurch „der Tatbestand des § 51 Abs. 2 BDG erfüllt“ und der Revisionswerber daher „nicht vom Dienst gerechtfertigt abwesend“ gewesen sei (aaO Seite 11 unten).
25 Diese Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts stehen mit der Rechtslage nicht in Einklang.
26 Die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner auf die genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes gestützten Begründungsalternative herangezogenen Aussagen aus dem Erkenntnis vom 21. Februar 2001, 2000/12/0216, bezogen sich darauf, dass „[d]er Beamte, der die ihm zukommende Melde- und Bescheinigungspflicht erfüllt hat“, „grundsätzlich so lange auf die ärztliche Bescheinigung vertrauen und jedenfalls von einer gerechtfertigten Dienstverhinderung ausgehen [darf], bis ihm die Dienstbehörde Entgegenstehendes nachweislich mitteilt“. Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof in dem weiters vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Erkenntnis (VwGH 15.12.2010, 2009/12/0203, unter Anführung weiterer Rechtsprechungsnachweise) aus, dass „[u]nter ‚Entgegenstehendes‘ ... in diesem Zusammenhang eine medizinische Beurteilung gemeint [ist], die jener des privat beigezogenen Arztes entgegen steht“. Der Gerichtshof hielt dazu fest: „Das Vertrauen auf die ärztliche Bescheinigung und damit auf eine Rechtfertigung der Dienstverhinderung ist lediglich dann nicht geeignet, einen ausreichenden Entschuldigungsgrund im Sinne des § 12c Abs. 1 Z. 2 GehG herzustellen, wenn der Beamte auf Grund besonderer Umstände keinesfalls mehr auf die Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung und somit auf das Vorliegen einer Rechtfertigung für die Dienstverhinderung vertrauen konnte oder durfte“.
27 Die zitierte Rechtsprechung ist im Fall des Revisionswerbers schon deswegen nicht einschlägig, weil der Revisionswerber nicht unter Berufung auf eine von ihm selbst vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom Dienst abwesend war (nur in diesem Fall hätte sich die in der zitierten Rechtsprechung behandelte Frage gestellt, ob der Beamte auf eine solche Bescheinigung vertrauen durfte). Die Lage stellte sich vielmehr so dar, dass die Dienstbehörde selbst, basierend auf einem nach ärztlicher Untersuchung des Revisionswerbers erstellten, mit 17. März 2015 datierten medizinischen Gutachten von der Dienstunfähigkeit des Revisionswerbers ausgegangen ist und ein Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen eingeleitet hat. Daraus resultiert die gerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst.
28 Auch die alternativ zur Begründung des Entfalls der Bezüge angenommene Verletzung einer Mitwirkungspflicht durch den Revisionswerber lässt sich mit der Rechtslage und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vereinbaren. Eine Mitwirkungspflicht, an deren Nichtbeachtung das Gesetz die Vermutung einer ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst knüpft (woraus gemäß § 12c Abs. 1 Z 2 GehG der Entfall der Bezüge resultiert) sieht § 51 Abs. 2 zweiter Satz BDG 1979 für den Fall vor, dass der Beamte seiner Verpflichtung zur ärztlichen Bescheinigung der Krankheit nicht nachkommt, weiters für den Fall, dass sich dieser einer zumutbaren Krankenbehandlung entzieht, oder dann, wenn der Beamte die „zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung“ verweigert.
29 Im Revisionsfall kam der (vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene) dritte Tatbestand des § 51 Abs. 2 zweiter Satz BDG 1979 in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Verweigerung der zumutbaren Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung nur dann vor, wenn eine solche ärztliche Untersuchung von der Behörde wirksam angeordnet wurde (vgl. zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 31 Abs. 2 der NÖ DPL 1972 VwGH 29.1.2014, 2012/12/0152) und dem Beamten die Mitwirkung objektiv zumutbar gewesen ist. Die Anordnung hat in Form einer Weisung stattzufinden (vgl. VwGH 19.12.2001, 98/12/0139, 99/12/0028; 19.2.2003, 2002/12/0122). Die ärztliche Untersuchung ist eigenverantwortlich von der Behörde zu organisieren. Den Beamten trifft nur die Pflicht, daran mitzuwirken (vgl. zur insofern vergleichbaren Rechtslage nach der NÖ GdBDO 1976 VwGH 27.9.2011, 2009/12/0198, 0199).
30 Weisungen sind empfangsbedürftig (VwGH 28.9.1994, 93/12/0068). Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass die Erlassung einer Weisung an keine besonderen Formerfordernisse gebunden ist. Sie kann mündlich oder schriftlich ergehen und telefonisch, im Umlauf etc erfolgen. Wird allerdings der - nicht obligatorische - Postweg beschritten, so unterliegt auch die Erlassung einer Weisung dem Zustellgesetz (vgl. VwGH 20.11.2003, 2002/09/0088, mwN).
31 Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass die Pflicht zur zumutbaren Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung im Sinne des § 51 Abs. 2 zweiter Satz BDG 1979 - entgegen der im angefochtenen Erkenntnis (Seite 8 Mitte) zum Ausdruck gebrachten Meinung - nicht schon allein dadurch verletzt ist, dass ein Beamter mit seiner Dienstbehörde „nicht regelmäßig in Kontakt tritt“, sondern voraussetzt, dass die Dienstbehörde dem Beamten eine entsprechende Aufforderung zur Kenntnis bringt, der der Beamte in weiterer Folge, obwohl ihm dies zumutbar wäre, nicht nachkommt. Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass dem Revisionswerber bereits vor dem Zeitraum, für den eine ungerechtfertigte Abwesenheit angenommen (und der Bezug eingestellt) wurde, eine Aufforderung im erwähnten Sinn wirksam zugegangen war. Der in der Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses erwähnte Umstand, dass sich der Revisionswerber (gemeint offenbar: im Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren) auf die Schreiben der Dienstbehörde (vom 26. März 2015 und vom 29. April 2015) berufen hat, sagt nichts darüber aus, dass ihm diese bereits vor dem maßgeblichen Zeitraum (12. August 2015 bis 26. Oktober 2016) zugegangen waren. Derartiges lässt sich auch aus dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten nicht erkennen, weil daraus zwar diverse Eingaben des Revisionswerbers aus den Jahren 2016 [31. Oktober 2016], 2017 und 2018 ersichtlich sind, nicht jedoch, dass dieser bereits zu einem früheren Zeitpunkt auf die erwähnten Schreiben der Dienstbehörde Bezug genommen hätte.
32 Bei diesem Ergebnis musste nicht näher untersucht werden, ob die Schreiben der Dienstbehörde vom 26. März und 29. April 2015, die erkennbar auf das Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit abzielten (vgl. die in § 14 Abs. 3 BDG 1979 vorgesehene Mitwirkung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau [vormals Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter]), deren Nichtbeachtung überhaupt die Rechtsfolge gemäß § 51 Abs. 2 BDG 1979 iVm. § 12c Abs. 1 Z 2 GehG auslösen konnte (vgl. das Erkenntnis VwGH 17.2.1999, 97/12/0108, sowie die Rechtsprechung, wonach im Einzelfall auf Grund aller Umstände zu prüfen ist, ob - gemessen am Zweck des § 12c Abs. 1 Z 2 GehG - die Abwesenheit eines Beamten eine ungerechtfertigte im Sinne dieser Bestimmung ist VwGH 30.9.1996, 95/12/0212; 17.2.1999, 97/12/0108; 19.12.2001, 98/12/0139, 99/12/0028; 29.6.2011, 2007/12/0011).
33 Bereits aus den angeführten Gründen war das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden. Den Erfordernissen des Art. 6 Abs. 1 EMRK und des Art. 47 GRC wurde durch Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Genüge getan.
34 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren (Einheitssatz, ERV-Zuschlag, Umsatzsteuer) findet in diesen Vorschriften keine Deckung.
Wien, am 8. März 2022
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019120051.L00Im RIS seit
20.04.2022Zuletzt aktualisiert am
02.05.2022